Kollegen bleiben.«

»Kollegen«, sagte Kate, und sie schuttelten sich die Hande.

Mit einem Knirschen landete das Boot am anderen Ufer.

Beim Kloster standen eine Menge Leute am Rand von Planquadrat vier und schauten hinunter in die Grube.

Es war ein exakt quadratisches Loch von sieben Metern Kantenlange und drei Metern Tiefe. An der Nord- und der Ostseite hatten die Ausgraber die Schmalseiten von Steinbogen freigelegt, was daraufhindeutete, da? die Grabung die Katakomben unterhalb des Klosters erreicht hatte. Die Bogen waren angefullt mit dichtgepackter Erde. In der Woche zuvor hatten sie einen Graben durch den nordlichen Bogen ausgehoben, aber der schien nirgendwohin zu fuhren. Er war mit Brettern vernagelt und wurde nicht weiter beachtet. Jetzt richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf den ostlichen Bogen, wo sie in den letzten Tagen einen weiteren Graben ausgehoben hatten. Die Arbeit war nur langsam vorangekommen, weil sie immer wieder menschliche Uberreste fanden, die Rick Chang als die Leichen von Soldaten identifizierte.

Als Kate nach unten schaute, sah sie, da? die Wande des Grabens auf beiden Seiten eingesturzt waren, die Erde war nach innen gerieselt und hatte den Graben selbst wieder aufgefullt. Jetzt lag ein riesiger Haufen Erde da, der ein Weiterkommen unmoglich machte, und der Einsturz hatte braunliche Schadel und lange Knochen — Unmengen davon -freigelegt.

Sie sah Rick Chang unten in der Grube, und Marek und Elsie, die ihre Klause verlassen hatte, um hierherzukommen. Elsie hatte ihre Kamera auf ein Stativ montiert und scho? Fotos. Diese wur-den spater im Computer zu 360-Grad-Panoramaansichten montiert werden. Fotografiert wurde in Stundenintervallen, um jede Phase der Ausgrabung zu dokumentieren.

Marek hob den Kopf und sah Kate am Rand stehen. »He«, sagte er. »Dich habe ich schon gesucht. Komm runter.«

Sie kletterte die Leiter hinunter. In der hei?en Nachmittagssonne roch sie Erde und einen schwachen Faulnisgestank. Einer der Schadel loste sich aus der Erde und rollte ihr vor die Fu?e. Aber sie beruhrte ihn nicht; sie wu?te, da? alle Uberreste genauso bleiben mu?ten, wie sie waren, bis Chang sie entfernte.

»Das sind vielleicht die Katakomben«, sagte Kate, »aber diese Knochen wurden hier nicht gelagert. Gab es hier je eine Schlacht?« Marek zuckte die Achseln. »Hier gab es uberall Schlachten. Was mich mehr interessiert, ist das da.« Er deutete auf den Bogen, der ohne jede Verzierung war, gerundet und leicht abgeflacht.

Kate sagte: »Zisterziensisch, konnte sogar aus dem zwolften Jahrhundert stammen...«

»Okay, gut. Aber was ist damit?« Direkt unter der Wolbung des Bogens hatte der Einsturz des Grabens eine schwarze Offnung von etwa einem Meter Durchmesser hinterlassen. »Was denkst du?« fragte sie.

»Ich denke, da? wir da rein sollten. Und zwar gleich.« »Warum?« fragte sie. »Was soll die Eile?«

Chang antwortete: »Es sieht aus, als ware hinter der Offnung ein Hohlraum. Eine Kammer, vielleicht mehrere Kammern.«

»Und?«

»Jetzt kommt Luft da hinein. Zum ersten Mal seit vielleicht sechshundert Jahren.«

»Und Luft hat Sauerstoff«, erganzte Marek. »Glaubt ihr, da? da Artefakte drin sind?«

»Ich wei? nicht, was drin ist«, sagte Marek. »Aber schon wenige Stunden konnten betrachtliche Zerstorungen verursachen.« Er wandte sich an Chang. »Haben wir eine Schlange?«

»Nein, die ist in Toulouse, bei der Reparatur.« Die Schlange war ein Fiberoptikkabel, das mit einer Kamera verbunden werden konnte. Man benutzte sie, um ansonsten nicht zugangliche Hohlraume zu untersuchen.

Kate sagte: »Warum pumpt ihr nicht einfach Stickstoff hinein?« Stickstoff war ein trages Gas und schwerer als Luft. Wenn man es durch die Offnung pumpte, wurde es die dahinterliegenden Kammern anfullen wie Wasser. Und etwaige Artefakte vor der Korrosion durch den Sauerstoff schutzen.

»Ich wurde ja«, sagte Marek, »wenn ich genug Gas hatte. Der gro?te Zylinder, den wir haben, fa?t nur funfzig Liter.« Das war nicht genug.

Kate deutete auf die Schadel. »Ich wei?, aber wenn du jetzt irgendwas machst, zerstorst du -«

»Wegen der Skelette wurde ich mir keine Gedanken machen«, sagte Chang. »Die wurden bereits bewegt. Und es sieht so aus, als waren sie nach einer Schlacht in einem Massengrab beigesetzt worden. Allzu viel konnen wir von denen nicht mehr erfahren.« Er drehte sich um und schaute nach oben. »Chris, wer hat die Reflektoren?« Von oben rief Chris herunter: »Ich nicht. Ich glaube, die wurden das letzte Mal hier benutzt.«

Einer der Studenten sagte: »Nein, die sind druben bei Planquadrat drei.«

»Dann holt sie. Elsie, bist du mit deinen Fotos fertig?« »Immer diese Hektik.« »Ja oder nein?« »Noch eine Minute.«

Chang rief den Studenten am Grubenrand zu, sie sollten die Reflektoren herbringen. Vier von ihnen liefen aufgeregt davon. Zu den anderen sagte Marek: »Okay, Leute, ich brauche Strahler, ich brauche Ausgrabungsrucksacke, Pre?luftflaschen, Gesichtsmasken, Sicherungsleinen, den ganzen Kram - und zwar pronto.« Wahrend all der Aufregung musterte Kate weiter die Offnung unter der Bogenwolbung. Der Bogen selbst sah schwach aus, die Steine sa?en nur locker aufeinander. Normalerweise behielt ein Bogen seine Form durch das reine Gewicht der Mauern, das auf den Mittelstein, den Schlu?stein des Bogens, druckte. Aber hier konnte die gesamte Wolbung uber der Offnung einfach einsturzen. Der Erdhaufen unter der Offnung war locker. Sie sah, wie sich hier und dort Steinchen losten und herunterrieselten. Fur sie sah das nicht sehr gut aus.

»Andre, ich glaube nicht, da? es sicher ist, da druber zu klettern.« »Wer redet denn vom Druberklettern? Wir lassen dich von oben herunter.« »Mich?«

»Ja. Du hangst an einem Seil uber dem Bogen, und wir lassen dich langsam hinein.« Anscheinend war ihr die Besturzung anzusehen, denn Marek grinste. »Keine Angst, ich komme mit.«

»Aber du wei?t, wenn wir uns irren ...« Dann konnten wir lebendig begraben werden, dachte sie. »Was ist?« fragte Marek. »Angst?« Mehr hatte er nicht zu sagen.

Zehn Minuten spater hing sie am Rand des freigelegten Bogens in der Luft. Sie trug den Ausgrabungsrucksack, an dem hinten eine Pre?luftflasche befestigt war; seitlich am Huftriemen baumelten zwei Taschenlampen wie Handgranaten. Die Gesichtsmaske hatte sie sich auf die Stirn hochgeschoben. Drahte liefen vom Funkgerat zu einer Batterie in ihrer Tasche. Mit so viel Ausrustung kam sie sich schwerfallig, unbeholfen vor. Marek stand uber ihr und hielt die Sicherungsleine. Und unten in der Grube standen Rick und seine Studenten und sahen ihr angespannt zu.

Sie schaute zu Marek hoch. »Gib mir anderthalb.« Er gab ihr eineinhalb Meter Leine, und sie sank nach unten, bis ihre Fu?e leicht den Erdhaufen beruhrten. Sie spurte, wie sich unter ihren Fu?en Erde loste und hinunterrieselte. »Noch einen.«

Auf Hande und Knie gestutzt, druckte sie ihr ganzes Gewicht auf den Erdhaufen. Er hielt. Aber sie sah skeptisch zu dem Bogen hoch. Der Schlu?stein brockelte an den Randern.

»Alles okay?« rief Marek.

»Okay«, sagte sie. »Ich geh jetzt rein.«

Sie kroch zuruck zu dem klaffenden Loch unter dem Bogen, zu Marek hoch und loste eine Taschenlampe vom Gurtel. »Ich wei? nicht, ob du das schaffst, Andre. Kann sein, da? die Erde dein Gewicht nicht tragt.« »Sehr lustig. Du machst das nicht allein, Kate.« »Na, dann la? mich wenigstens zuerst reingehen.« Sie knipste die Lampe an, schaltete das Funkgerat ein, zog sich die Gesichtsmaske vor Mund und Nase, so da? sie jetzt durch Filter atmete, und kroch dann durch das Loch in die Schwarze dahinter.

Die Luft war uberraschend kuhl. Der gelbe Strahl ihrer Taschenlampe huschte uber nackte Steinwande, einen Steinboden. Chang hatte recht: ein Hohlraum unter dem Kloster. Er schien ziemlich ausgedehnt zu sein, und am anderen Ende war eine Art Durchgang zu erkennen, der jedoch von einem Erd- und Gerollhaufen versperrt wurde. Irgendwie war diese Kammer nicht mit Erde angefullt worden wie die anderen. Sie richtete die Lampe zur Decke, um ihren Zustand zu prufen. Sie konnte kaum etwas erkennen. Gut sah es auf jeden Fall nicht aus. Auf Handen und Knien kroch sie zuerst vorwarts und dann abwarts. Sie rutschte ein wenig uber die lockere Erde, doch dann hatte sie den Steinboden erreicht. Augenblicke spater stand sie im Inneren der Katakombe. »Ich bin drin.«

Es war dunkel um sie herum, die Luft fuhlte sich feucht an. Ein modriger Geruch stieg ihr in die Nase, der sogar durch die Filter hindurch noch unangenehm war. Die Filter schutzten vor Bakterien und Viren; bei den meisten Ausgrabungen verzichtete man auf diese Masken, aber hier waren sie notig, weil im vierzehnten Jahrhundert die Pest mehrmals diese Gegend heimgesucht und ein Drittel der Bevolkerung getotet hatte. Zwar

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