Bis jetzt.

Die gedampften Stimmen im Innenraum waren inzwischen nicht mehr zu vernehmen, was nach Cha Thrats Vermutung bedeutete, da? sich die Beteiligten entweder leise miteinander unterhielten oder gerade schwiegen. Doch sie irrte sich; die Besprechung war voruber.

Die aus dem Raum kommenden Teilnehmer wurden vom Chefarzt Cresk-Sar angefuhrt, der keinen Ton sagte und aus dessen von dichtem Haar bedeckten Gesicht nichts herauszulesen war. Ihm folgte Colonel Skempton, der einen unubersetzbaren Laut ausstie?. Hinter ihm kam der Herrscher der Rhabwar, der Cha Thrat weder eines Blicks noch eines Worts wurdigte, und schlie?lich schlenderte Lieutenant Timmins heraus, der sie einen Moment lang mit einem zugekniffenen Auge musterte, bevor er sich entfernte. Sie erhob sich von ihrem Platz, um ins Buro zu gehen, als O'Mara herauskam.

„Bleiben Sie sitzen, es wird nicht lange dauern“, sagte er. „Sie ebenfalls, Braithwaite. Sommaradvanerinnen haben nichts dagegen, wenn man ihre Probleme vor Beteiligten bespricht, und diese hier hat wirklich eins. Ist der verbogene Vogelkafig, auf dem Sie da sitzen, auch bequem?

Das Problem ist“, fuhr er fort, bevor sie etwas entgegnen konnte, „da? Sie sozusagen ein eigenartig geformter Dubel sind, der nicht so recht in eines unserer netten kleinen Locher pa?t. Sie sind intelligent, tuchtig, willensstark, aber dennoch in gewisser Weise anpassungsfahig, und haben anscheinend ohne nachteilige Langzeitfolgen die verschiedenen Stufen des seelischen Schocks und der Desorientierung durchlaufen, die bei vielen anderen zu schweren psychischen Schaden gefuhrt hatten. Von einigen sehr wichtigen Leuten im Hospital werden Sie mit Wohlwollen, ja mit Hochachtung betrachtet, von vielen mit Unvoreingenommenheit und von einigen wenigen mit offener Abneigung. Die letzteren, hauptsachlich Mitarbeiter des Monitorkorps und ein paar Angehorige des medizinischen Personals, sind sich sehr unsicher, wer oder was Sie sind und wer bei der Zusammenarbeit mit Ihnen die hohere Position bekleidet.“

„Manchmal bin ich mir selbst nicht ganz sicher, wer oder was ich bin“, verteidigte sich Cha Thrat. „Wenn ich wie ein Vorgesetzter denke, kann ich nun mal nicht anders handeln als ein.“ Sie hielt lieber den Mund, bevor sie wieder einmal zu viel sagte.

„.als ein Diagnostiker“, erganzte O'Mara trocken. „Das wollten Sie doch sagen, nicht wahr? Oh, keine Angst, aus diesen heiligen Hallen dringt nie eins der tiefen, dunklen und, wie in Ihrem Fall, seltsamen Geheimnisse nach drau?en. Als mir Prilicla einmal nicht von Ihrem Verhalten kurz vor und wahrend Khones Niederkunft und auf dem Schiff der Rhiim vorgeschwarmt hat, hat er mir von dem Zusammenschlu? erzahlt, zu dem es nach seinem Gefuhlseindruck mit Ihnen auf Goglesk gekommen ist. Da er nun einmal Prilicla ist, liegt ihm sehr viel daran, jeden schmerzlichen und peinlichen Vorfall zwischen seinen Freunden Conway, Murchison und Ihnen selbst zu vermeiden, und das mochten wir auch.

Doch die Tatsache bleibt“, fuhr der Chefpsychologe fort, „da? Sie eine geistige Vereinigung mit Khone hatten, durch die Sie nicht nur die Kenntnisse und Erfahrungen einer gogleskanischen Arztin erlangt haben, sondern aufgrund einer fruheren Geistesverschmelzung Khones mit Conway auch die eines Diagnostikers des Orbit Hospitals. Zudem sind Sie auf geistiger Ebene tief mit einem der Rhiim-Parasiten verbunden, ganz zu schweigen von den Gedanken ihres chalderischen Freundes, in die Sie damals Ihre sommaradvanische Nase gesteckt hatten. Da uberrascht es mich gar nicht, da? Sie sich manchmal uber Ihre Identitat nicht ganz sicher sind. Bestehen daruber im Moment irgendwelche Zweifel?“

„Nein, nein, Sie sprechen lediglich mit Cha Thrat“, versicherte sie.

„Gut, schlie?lich ist es Cha Thrats Ungewisse Zukunft, uber die wir uns jetzt Gedanken machen mussen. Seit der Sache auf der Rhabwar, wo Sie nicht nur den Gehorsam verweigert haben, sondern auch noch vollkommen recht damit hatten, ist die Moglichkeit einer Laufbahn beim Wartungsdienst, auch wenn Timmins sich sehr lobend uber Sie geau?ert hat, gestorben, genauso wie jede Hoffnung, die Sie sich womoglich auf den Dienst als Schiffsarztin beim Monitorkorps gemacht haben. Die Disziplin an Bord eines Schiffs ist zwar nicht zu sehen, aber trotzdem vorhanden, und sie ist streng. Kein Schiffskommandant wurde das Risiko eingehen, eine Arztin mit einem Vermerk einer erwiesener Gehorsamsverweigerung in der Akte an Bord zu nehmen.

Die Kontaktspezialisten, denen Sie bei dem Rhiim helfen, sind weniger auf Disziplin ausgerichtet als die anderen“, fuhr er fort. „Sie sind von Ihnen beeindruckt und so dankbar, da? sie Ihnen eine Stelle auf Ihrem Heimatplaneten anbieten, naturlich erst, wenn der Staub, der durch diese ganzen disziplinarische Geschichte aufgewirbelt worden ist, Gelegenheit gehabt hat, sich zu legen. Was halten Sie davon, nach Sommaradva zuruckzukehren?“

Cha Thrat stie? nur einen unubersetzbaren Laut aus.

„Ich verstehe“, reagierte O'Mara auf seine trockene Art. „Aber die medizinischen und chirurgischen Moglichkeiten stehen Ihnen auch nicht mehr offen. Trotz der Achtung, die Sie bei vielen Mitarbeitern in hohen Positionen genie?en, will niemand eine besserwisserische Schwesternschulerin auf seiner Station haben, die hochstwahrscheinlich durch irgendeine Au?erung oder Handlung zu verstehen gibt, da? die diensthabende Oberschwester oder der Arzt in medizinischer Hinsicht sowieso auf dem Holzweg sind. Auch wenn Sie Einflu? bei Leuten in hohen Positionen haben, konnte sich der schnell verfluchtigen, falls die Wahrheit uber Ihren gogleskanischen Gedankenaustausch allgemein bekannt werden sollte.“

Cha Thrat fragte sich, ob sie irgend etwas sagen oder tun konnte, um dieses unbarmherzige Zuschlagen samtlicher Turen, hinter denen sich fur sie noch Moglichkeiten befunden hatten, aufzuhalten, als Braithwaite von seinem Tisch aufblickte.

„Entschuldigen Sie, Sir“, sagte er. „Aber nach meiner Kenntnis der Beteiligten ist es unwahrscheinlich, da? Conway, Khone und Prilicla die Angelegenheit au?er untereinander noch mit jemand anderem besprechen, und Murchison, die ja ein wirklich sehr intelligentes Wesen ist, wird sich genauso verhalten, wenn sie entweder selbst hinter die Wahrheit kommt oder sie von ihrem Lebensgefahrten erfahrt. Das psychologische Personlichkeitsdiagramm der Pathologin la?t einen gut entwickelten Sinn fur Humor erkennen, und deshalb konnte es durchaus sein, da? sie die Vorstellung, von einem Lebewesen einer fremden Spezies, das ebenfalls weiblich ist, mit dem gleichen sexuellen Verlangen wie von dem eigenen Lebensgefahrten, Conway, betrachtet zu werden, eher belustigend als unangenehm finden wurde. Naturlich mochte ich nicht empfehlen, auch nur eins dieser fehlgeleiteten Gefuhle in die Tat umzusetzen, aber es konnten sich gewisse amusante sexuelle Phantasien ergeben, die den gesamten Bereich der Beziehungen zwischen verschiedenen Spezies in einem neuen Licht erscheinen.“

„Ach, Braithwaite“, unterbrach ihn O'Mara in ruhigem Ton, „genau durch solches Gerede erhalten die Leute einen falschen Eindruck von ET-Psychologen.

Was Sie angeht, Cha Thrat“, fuhr er fort, „bin ich schon vor langer Zeit zu dem Schlu? gekommen, da? es hier im Hospital nur eine Position gibt, die ihren besonderen Talenten gerecht wird. Sie werden noch einmal ganz unten als Auszubildende anfangen und nur langsam aufsteigen, weil Ihr Chef sehr schwer zufriedenzustellen ist. Es handelt sich um eine schwierige und oftmals undankbare Aufgabe, mit der Sie die meisten anderen verargern werden, aber daran sind Sie ja inzwischen gewohnt. Au?erdem gibt es ein paar Dinge, die Sie dafur entschadigen werden, beispielsweise die Moglichkeit, Ihr Geruchsorgan in andrer Leute Angelegenheiten zu stecken, wann immer Sie es fur notig halten. Nehmen Sie die Stelle an?“

Auf einmal konnte Cha Thrat deutlich ihren Puls horen und hatte Schwierigkeiten zu atmen. „Ich. ich verstehe nicht ganz.“

O'Mara holte tief Luft, atmete durch die Nase aus und entgegnete: „Sie verstehen sehr gut, Cha Thrat. Stellen Sie sich doch nicht dummer als Sie sind.“

„Ich verstehe“, bestatigte sie, „und ich bin Ihnen au?erst dankbar. Das hat bei mir nur etwas gedauert, weil ich es erst nicht glauben konnte und uber die ganze Tragweite nachdenken mu?te. Sie meinen, ich soll die Kunstfertigkeit der nichtkorperlichen Heilung und die Anwendung von Beschworungen lernen und eine Art Zauberlehrling werden.“

„So in etwa“, entgegnete der Chefpsychologe. Er warf einen kurzen Blick auf den Computer auf ihrem Tisch und fugte hinzu: „Wie ich sehe, sitzen Sie bereits vor dem Aktualisierungsprogramm der psychologischen Personlichkeitsdiagramme des hoheren Personals. Das ist reine Routinesache. Eine nicht besonders aufregende, aber notwendige Tatigkeit. Braithwaite versucht schon seit Monaten, die Arbeit auf jemand anderen abzuwalzen.“

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