James White

Notfall Code Blau

Orbit Hospital 07

HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/4979

Titel der englischen Originalausgabe Code Blue-Emergency 1993 der deutschen Ausgabe und der Ubersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, Munchen

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

1. Kapitel

Der Herrscher des Schiffs sa? neben Cha Thrat vor dem Bildschirm auf dem Freizeitdeck, wahrend der verschwommene Lichtfleck allmahlich zu einem gewaltigen, komplexen Bauwerk heranwuchs, das in samtlichen Farben und Lichtstarken funkelte, die Cha Thrats Augen wahrnehmen konnten. Der uberwaltigende Anblick des Orbit Hospitals erfullte sie mit gro?er Ehrfurcht, Staunen und Verlegenheit.

Wie sie erfahren hatte, bekleidete Herrscher Chiang in der Monitorkorpsdivision fur extraterrestrische Kommunikation und Kulturkontakte den Rang eines Majors. Hin und wieder irritierte der Herrscher sie allerdings, wenn er sich wie ein Krieger verhielt. Jetzt sa? Chiang neben ihr, weil er sich anscheinend aus irgendwelchen ominosen terrestrischen Anstandsregeln dazu verpflichtet sah. Eigentlich hatte er ihr die Hoflichkeit erweisen wollen, den Anflug des Hospitals vom Kommandodeck aus beobachten zu durfen, aber da es Cha Thrat physiologisch unmoglich war, sich in diesen engen und bereits uberfullten Schiffsabschnitt zu begeben, hatte er es fur seine Pflicht gehalten, seinen Platz zu verlassen und ihr hier Gesellschaft zu leisten.

Auch wenn er Cha Thrats Patient gewesen war, aber in Anbetracht des gro?en Unterschieds ihrer sozialen und beruflichen Stellung empfand sie diese Hoflichkeitsbekundung als eine vollkommen uberflussige und sinnlose Zeitverschwendung, selbst wenn ihm diese Dummheit sogar noch Vergnugen zu bereiten schien.

Die gedampfte Unterhaltung auf dem Kommandodeck wurde samt Bild auf den Repeaterschirm ubertragen, und obwohl Cha Thrat von ihrem Translator jedes einzelne Wort ubersetzt bekam, blieb ihr die Gesamtbedeutung des Gesagten doch unklar, da die Krieger des Schiffs fast ausschlie?lich technische Fachausdrucke verwendeten. Aber auf einmal ertonte eine andere, verstarkte Stimme, deren einfachen und unzweideutigen Worte von einem Bild der absto?end stark behaarten Kreatur begleitet wurde, die sie sprach.

„Hier Anmeldezentrale des Orbit Hospitals“, meldete sich die Stimme forsch. „Identifizieren Sie sich bitte. Patient, Besucher oder Mitarbeiter? Dringlichkeitsgrad und physiologische Klassifikation, falls bekannt. Sollten Sie sich nicht sicher sein, stellen Sie bitte Sichtkontakt her, dann ubernehmen wir die physiologische Klassifikation fur Sie.“

„Hier Kurierschiff des Monitorkorps Thromasaggar“, antwortete eine Stimme vom Kommandodeck aus. „Benotigen Anlegeplatz fur kurzen Aufenthalt, um einen Patienten und ein Personalmitglied abzusetzen. Klassifikation der Besatzung und des Patienten lautet terrestrische DBDGs. Der Patient ist gehfahig und auf dem Weg der Genesung, die Behandlung ist nicht dringend. Das medizinische Personalmitglied gehort der Klassifikation DCNF an und ist ebenfalls warmblutiger Sauerstoffatmer ohne besondere Temperatur—, Schwerkraft- oder Druckerfordernisse.“

„Moment bitte“, sagte die ha?liche Kreatur, und erneut fullte das Bild des Hospitals den Schirm aus, was nach Cha Thrats optischer Empfindung eine eindeutige Verbesserung bedeutete.

„Was war das denn da eben?“ fragte sie Chiang. „Das Ding hat ausgesehen wie ein… ein Scroggua. Wissen Sie, das ist eine unserer Nagetierarten.“

„Ah ja, ich habe schon mal Abbildungen davon gesehen“, antwortete Chiang und stie? wieder einmal einen dieser unangenehmen, bellenden Laute aus, die bei dieser Spezies Belustigung anzeigen. „Dieses Wesen hier ist allerdings ein nidianischer DBDG, der etwa die halbe Korpermasse eines Terrestriers hat und einen sehr ahnlichen Metabolismus aufweist. In technologischer und kultureller Hinsicht ist diese Spezies auf einem sehr hohen Entwicklungsstand. Das Wesen sieht also nur vom Au?eren her wie ein riesiges Nagetier aus. Im Orbit Hospital werden Sie lernen, mit weit weniger schonen Lebewesen zusammenarbeiten zu mussen.“

Als wieder das Bild des Nidianers erschien, verstummte Chiang sofort.

„Folgen Sie den blau-gelb-blauen Leitbaken“, wies das Wesen von der Anmeldezentrale sie an. „Lassen Sie den Patienten und das Personalmitglied an Schleuse eins null vier von Bord gehen, und ffiegen Sie dann an den blau-blau-wei?en Baken entlang zu Dock achtzehn. Major Chiang und die sommaradvanische Heilerin werden bereits erwartet, und man wird die beiden an der Schleuse abholen.“

Oje! Von welchen Kreaturen blo?? fragte sich Cha Thrat besorgt.

Zwar hatte ihr der Herrscher etliche nutzliche Ratschlage und Informationen uber das Orbit Hospital im galaktischen Sektor zwolf gegeben, von denen sie ihm aber das meiste nicht abgenommen hatte. Und als sie kurz darauf die Schleusenvorkammer betraten, konnte sie nicht glauben, da? die hufthohe Halbkugel aus einer grunen, gallertartigen Masse, die zwischen den beiden wartenden Terrestriern auf dem Boden hin und her schwabbelte, ein Lebewesen war.

„Das ist Lieutenant Braithwaite vom Buro des Chefpsychologen“, begann Chiang mit der Vorstellung. „Und das hier ist Wartungsoffizier Timmins, der fur die Herrichtung Ihrer Unterkunft verantwortlich ist. Und das daneben ist Doktor Danalta, der dem Ambulanzschiff Rhabwar zugeteilt ist.“

Abgesehen von geringen Unterschieden zwischen den Abzeichen auf den Uniformen vermochte Cha Thrat die Terrestrier nicht auseinanderzuhalten. Der gro?e, grune Wackelpudding auf dem Boden war vermutlich so etwas wie ein Jux oder vielleicht Teil eines Einweihungsrituals fur Neulinge im Krankenhaus. Sie entschied sich, vorlaufig nicht darauf zu reagieren, „.und das ist Cha Thrat“, fuhr Chiang fort, „die neue Heilerin von Sommaradva, die von nun an im medizinischen Stab mitarbeiten wird.“

Beide Terrestrier hoben die rechten Hande auf Hufthohe und lie?en sie wieder sinken, als der Herrscher den Kopf schuttelte. Cha Thrat hatte ihn namlich bereits zuvor unterrichtet, da? man dort, wo sie herkam, das Ergreifen der Gliedma?e eines fremden Wesens fur au?erst unanstandig hielt. Aus ihrer Sicht ware es von den Mitarbeitern des Hospitals sehr viel aufmerksamer gewesen, wenn sie ihr einen Hinweis auf ihre soziale Stellung gegeben hatten. Chiang sprach mit ihnen wie mit Gleichgestellten, allerdings hatte er das auch oft mit Untergebenen auf dem Schiff getan. Bereits das hatte Cha Thrat als sehr gedankenlos von dem Herrscher empfunden und war fur sie au?erst verwirrend gewesen.

„Timmins wird dafur sorgen, da? Ihre personliche Habe in das Ihnen zugewiesene Quartier gebracht wird“, wurde sie nun vom Herrscher informiert. „Was Danalta und Braithwaite jetzt mit uns beiden vorhaben, wei? ich allerdings auch nicht.“

„Nichts allzu Anstrengendes“, versicherte Braithwaite, wahrend sich der zweite Terrestrier entfernte. „Nach der Zeitrechnung des Orbit Hospitals ist es jetzt Mittag, und die Unterkunft der Heilerin wird nicht vor dem fruhen Abend hergerichtet sein. Sie mussen nachmittags zur Untersuchung, Major. Cha Thrat soll dabei auch zugegen sein. Wahrscheinlich wollen unsere Arzte diese Gelegenheit nutzen und ihr personlich zu ihrer chirurgischen Meisterleistung gratulieren.“

Er blickte in Cha Thrats Richtung, schob aus irgendeinem unerfindlichen Grund den Kopf ein Stuckchen vor und fuhr dann fort: „Unmittelbar nach der Untersuchung haben Sie beide Termine in der psychologischen Abteilung. Cha Thrat fur ein Orientierungsgesprach mit O'Mara und Sie fur eine Untersuchung, die in Ihrem Fall reine Formsache ist, um sicherzustellen, da? Ihre jungsten Verletzungen keine psychischen Wunden hinterlassen haben. Aber bis dahin. Haben Sie in letzter Zeit schon etwas gegessen?“

„Nein“, antwortete Chiang. „Aber ich wurde es sehr begru?en, mal etwas anderes als diese fade Schiffskost zu mir nehmen zu konnen.“

Sein terrestrisches Gegenuber stie? gedampfte, bellende Laute aus und entgegnete: „Dann haben Sie noch nicht unser Krankenhausessen probiert. Allerdings geben wir uns redlich Muhe, unsere Besucher nicht zu vergiften.“

Braithwaite verstummte, um sich zu entschuldigen und sogleich zu erklaren, da? er lediglich einen

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