Sessel hervor und begann seinen Hut zu bursten.

»Keine Fragen, Hastings! Holen Sie mir lieber das Benzin. Ein Krumel Omelette ist auf meine Weste gefallen.«

Gehorsam brachte ich ihm das Verlangte.

»Das Ganze scheint mir so klar, da? sich Fragen uberhaupt erubrigen«, erwiderte ich, die Flasche entkorkend.

»Schweigen Sie, mon cher. Und Sie verubeln es mir wohl nicht, wenn ich Ihnen eroffne, da? mir die Art, wie Sie Ihre Krawatte gebunden haben, durchaus nicht gefallt.«

»Sie ist doch sehr hubsch gebunden.«

»So? Vor drei?ig Jahren fand man das vielleicht mal hubsch. Ich flehe Sie an, nehmen Sie eine andere, und bursten Sie sich ferner den rechten Armel ab.«

»Wollen wir vielleicht dem Konig im Buckingham-Palast einen Besuch machen?« fragte ich bei?end.

»Nein. Aber ich las in der Morgenzeitung, da? der Herzog von Merton in London eingetroffen ist, und da er zu dem englischen Hochadel zahlt, will ich ihm alle gebuhrenden Ehren erweisen.« Sozialistische Vorurteile kann man Hercule Poirot nicht vorwerfen.

»Was wollen wir beim Herzog?«

»Ich will ihn sprechen.«

Zu weiteren Erklarungen lie? er sich nicht herbei. Und als sein sehr kritisches Auge an meinem Au?eren nichts mehr auszusetzen fand, machten wir uns auf den Weg.

Im Merton-House fragte uns ein Lakai, ob wir angemeldet seien, was Poirot verneinen mu?te. Hierauf handigte er ihm seine Karte aus, und nach wenigen Minuten kehrte der Mann mit dem Bescheid zuruck, da? Durchlaucht bedaure, uns infolge dringender Geschafte nicht empfangen zu konnen.

Hercule Poirot nahm unverzuglich auf dem ersten besten Stuhl Platz.

»Tres bien!« sagte er. »Ich warte. Und werde, wenn notig, mehrere Stunden warten.«

Dies erwies sich jedoch als uberflussig. Wahrscheinlich glaubte der Herzog, den ungelegenen, zudringlichen Besucher noch am schnellsten durch moglichste Abkurzung der Wartezeit loszuwerden, und rief uns bereits nach wenigen Minuten zu sich. Wir sahen uns einem etwa Siebenundzwanzigj ahrigen gegenuber, einer hageren, kranklichen Erscheinung mit fahlem Haar, das sich an den Schlafen bereits bedenklich lichtete, kleinem verbittertem Mund und wasserigen, vertraumten Augen. In dem Raum, in dem er uns empfing, hingen gro?ere und kleinere religiose Gemalde, und das gro?e Bucherregal schien ausschlie?lich theologischen Buchern vorbehalten zu sein.

Ein Herzog . ? Nein, viel eher glich der junge Mann einem durren Kurzwarenhandler!

Wegen seiner zarten Gesundheit zu Hause erzogen, hatte er, wie ich wu?te, als Knabe von acht Jahren die Herzogswurde geerbt und war aufgewachsen unter dem herrischen Regiment einer willensstarken Mutter. Das war der Mann, der eine sofortige Beute Jane Wilkinsons geworden war! Welche Spa?e sich das Schicksal oft erlaubte .!

»Vielleicht ist Ihnen mein Name bekannt!« begann Poirot.

»Nein, durchaus unbekannt«, klang es frostig zuruck.

»Ich studiere die Psychologie des Verbrechens«.

Der Herzog schwieg. Er sa? an seinem Schreibtisch, und vor ihm lag ein unvollendeter Brief.

»Aus welchem Grund wunschen Sie mich zu sprechen?« erkundigte er sich und tippte ungeduldig mit dem Federhalter auf die Platte.

Poirot hatte ihm gegenuber Platz genommen, den Rucken dem Fenster zugekehrt.

»Ich bin gegenwartig damit beschaftigt, die mit Lord Edgwares Tod verknupften Umstande zu untersuchen.«

Kein Muskel ruhrte sich in dem schwachen, aber storrischen Gesicht.

»So ...? Ich war nicht mit ihm bekannt.«

»Aber Sie sind mit seiner Frau bekannt - mit Miss Jane Wilkinson.«

»Allerdings.«

»Wissen Sie, da? man vermutet, sie habe Ursache gehabt, den Tod ihres Gatten zu ersehnen?«

»Ich wei? nichts Derartiges.«

»Durchlaucht, mir scheint es besser, wenn ich Sie rundheraus frage, ob Sie Jane Wilkinson heiraten wollen.«

»Wenn ich mich mit irgendeiner Dame verlobe, wird es in den Zeitungen bekanntgegeben werden. Ihre Frage aber, mein Herr, fasse ich als eine Frechheit auf. Guten Morgen!«

Poirot erhob sich, linkisch, verlegen. Er hielt den Kopf gesenkt und stammelte:

»Ich beabsichtige keine . Je vous demande pardon .«

»Guten Morgen!« wiederholte der Herzog, ein wenig lauter als das erstemal.

Nun ergab sich Poirot in sein Schicksal. Mit einer Bewegung, die seine vollige Hoffnungslosigkeit kennzeichnete, wandte er sich dem Ausgang zu. Es war eine schimpfliche Entlassung!

Mir tat der Kleine leid. Schlecht war ihm sein gewohnlicher Schwulst bekommen ... Fur den Herzog von Merton stand ein gro?er Kriminalist offenbar auf derselben Stufe wie ein Mistkafer.

»Da haben wir schlimm abgeschnitten«, sagte ich mitfuhlend. »Was fur ein steifnackiger Wuterich dieser blasse Zwirnsfaden ist .! Lag Ihnen denn so viel daran, ihn zu sehen?«

»Ich wollte erfahren, ob er und Jane Wilkinson sich wirklich heiraten werden.«

»Sie hat es uns doch gesagt!«

»Oh, die sagt all und jedes, sofern es ihren Zwecken dienlich ist. Es hatte doch sein konnen, da? sie entschlossen war, ihn zu heiraten, und da? er, der Armste, noch nichts davon ahnte.«

»Nun, durch unseren Besuch sind Sie jedenfalls nicht schlauer geworden.«

»Meinen Sie, mon cher ...? Gewi?, er hat mich abgefertigt wie einen lastigen Reporter. Aber trotzdem wei? ich jetzt genau, wie der Hase lauft«, lachte mein Freund, und all seine fruhere Niedergeschlagenheit war wie weggeblasen.

»Wodurch? Durch seine Art?«

»Unsinn! Haben Sie nicht bemerkt, da? wir ihn beim Schreiben storten?«

»Ja.«

»Eh bien, als ich in jungeren Jahren bei der belgischen Polizei tatig war, lernte ich, da? es sehr nutzlich sei, auf dem Kopf stehende Handschriften zu entziffern. Soll ich Ihnen erzahlen, Hastings, was er in jenem Brief schrieb? >Geliebte, ich vermag die entsetzliche Wartezeit kaum zu ertragen. Jane, mein angebeteter, mein schoner Engel, es gibt ja keine Worte, die Dir beschreiben konnten, was Du mir bist. Du, die Du so unsagbar gelitten hast! Deine herrliche Seele .. .<«

»Poirot!« unterbrach ich ihn entsetzt.

»Jawohl, so weit war er gekommen: Deine herrliche Seele kenne nur ich.« »Schamen Sie sich, Poirot!« schrie ich meinen Freund an, den die vollbrachte Leistung mit naivem Stolz erfullte. »Schamen Sie sich, da? Sie sich so weit verga?en, einen privaten Brief zu lesen. Das ist kein ehrliches Spiel.«

»Warum ereifern Sie sich, mein Lieber? Mord ist uberhaupt kein Spiel, sondern eine verteufelt ernste Angelegenheit. Und au?erdem gebraucht man diese Redensart nicht mehr, habe ich herausgefunden. Ehrliches Spiel! Die hubschen jungen Madchen wurden Sie wegen Ihrer altfrankischen Ausdrucksweise verlachen, mein guter Hastings.«

Ich ging verstimmt neben ihm her.

»Und unnotig war es uberdies«, sagte ich nach einer Weile grollend. »Wenn Sie ihm mitgeteilt hatten, da? Sie Lord Edgware auf Jane Wilkinsons Verlangen aufsuchten, wurde er Ihnen eine ganz andere Behandlung zuteil werden lassen.«

»Das konnte ich doch nicht, mon cher. Jane Wilkinson ist mein Klient, und die Angelegenheiten eines Klienten darf ich keinem Dritten anvertrauen. Das hie?e unehrenhaft handeln.«

»Unehrenhaft!«

»Ja, unehrenhaft.«

»Aber sie wird ihn doch heiraten«, erinnerte ich.

»Bedeutet das etwa, da? sie keine Geheimnisse vor ihm hat . ? Auch Ihre Ansichten uber Heiraten sind altfrankisch, Hastings, nein, was Sie vorschlagen, konnte ich nicht tun. Ich habe meine Detektivehre zu wahren,

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