den Schlussel bei sich? Die Erklarung, die er uns dafur gab, ist mir allzu fadenscheinig, Monsieur Poirot. Wahrend er mit der Kusine plauderte, fallt ihm ein, da? er, wenn er sie in das Verbrechen verstrickt, vermehrte Sicherheit fur sich selbst gewinnt. Deshalb klagt er ihr sein Leid, macht eine Anspielung auf die Perlen, die sie ihm bereitwilligst zur Verfugung stellt und fahrt mit ihr davon. Sobald sie im Haus ist, folgt er ihr, geht in die Bibliothek, wo Lord Edgware vielleicht in seinem Stuhl eingeschlummert sein mag. Jedenfalls ist in zwei Sekunden der todliche Stich gefuhrt, und Ronald Marsh schon wieder drau?en. Ich glaube, da? es seine Absicht war, wieder auf der Stra?e wartend auf und ab zu gehen, wenn seine Kusine mit den Perlen kam, aber das mi?lang ihm.

Am nachsten Morgen mu? er naturlich, um den Schein zu wahren, die Perlen verpfanden. Als dann das Verbrechen ruchbar wird, schuchtert er Geraldine Marsh ein, damit sie ihre Fahrt nach Regent Gate verheimlicht; beide wollen sagen, da? sie die Pause zusammen im Opernhaus verbrachten.«

»Und warum Sagten sie das nicht?« fragte Poirot scharf.

Japp zuckte gleichmutig die Achseln.

»Wei? ich, warum sie ihr erstes Abkommen uber den Haufen warfen . ? Vielleicht, weil Ronald Marsh furchtete, sie wurde nicht imstande sein durchzuhalten. Sie ist ziemlich nervos.«

Poirot zog versonnen mit der Fu?spitze das Teppichmuster nach. »Meinen Sie nicht, mon cher, es sei fur Hauptmann Marsh einfacher gewesen, wahrend der Pause sich allein fortzustehlen? Ganz still sich mit Hilfe des Schlussels in das Haus zu schleichen, den Onkel zu toten und nach Covent Garden zuruckzukehren, statt ein Taxi drau?en warten zu lassen und sich mit einem nervosen Madchen zu belasten, das jede Sekunde die Treppe herunterkommen und im ersten Schreck Unheil anrichten konnte?«

Der Inspektor grinste.

»Sie und ich, ja wir waren allein gefahren. Aber wir sind beide ein bi?chen heller als Hauptmann Marsh.«

»Von dem letzteren bin ich keineswegs uberzeugt. Auf mich macht er einen recht intelligenten Eindruck.«

»Kann sich seine Intelligenz etwa mit jener Hercule Poirots messen?« gab Japp lachend zuruck. Und als Poirot auf diesen Scherz nicht einging, fuhr er fort: »Wenn er nicht schuldig ist, warum uberredete er dann Miss Adams zu der Wette . ? Die Wette bezweckt nur das eine: den wahren Verbrecher zu schutzen.«

»Darin stimme ich Ihnen vollkommen bei.«

»Gut, da? wir wenigstens in etwas ubereinstimmen!«

»Sagen Sie mir mal Ihre Meinung uber Carlotta Adams' Tod«, verlangte mein Freund unvermittelt.

Japp rausperte sich, ehe er erwiderte:

»Ein Unglucksfall. Freilich ein Unglucksfall, der sich zu sehr gelegener Stunde ereignete. Ronald Marsh kann seine Finger nicht dabei im Spiel haben, denn an seinem Alibi nach Theaterschlu? ist nichts auszusetzen. Er sa? bis ein Uhr mit den Dortheimers bei Sabranis, als sie also schon langst, langst fur immer eingeschlafen war. Hatte sich dieser Unglucksfall allerdings nicht zugetragen, so wurde er sie durch andere Mittel zum Schweigen gebracht haben. Erst wieder das ubliche Einschuchtern - da? man sie, wenn sie die Wahrheit gestande, unweigerlich wegen Mordes verhaftete. Und dann ware sie mit einer neuen anstandigen Geldsumme bedacht worden.«

»Sind Sie sich denn klar daruber, Japp, da? Miss Adams durch ihr Schweigen eine andere Frau an den Galgen gebracht hatte?«

»Jane Wilkinson ware nicht gehenkt worden. Die Zeugenaussagen von Sir Montagues Gasten fielen zu stark in die Waagschale.«

»Aber der Morder wu?te das nicht.«

»Ah, Monsieur Poirot, Sie lieben das Philosophieren! Und jetzt sind Sie fest uberzeugt, da? Ronald Marsh, das Unschuldslamm, keinem Boses zufugen kann. Glauben Sie etwa jener Mar von dem verdachtigen Mann, den er ins Haus gehen sah . ? Er hatte vorhin die Gewogenheit, mir diesen angeblichen Filmstar zu nennen: Martin Bryan. Na, was sagen Sie nun? Martin Bryan, der Lord Edgware niemals im Leben begegnete!«

»Dann mu?te es Marsh um so mehr befremden, wenn dieser Mann sich mit einem Schlussel Zutritt zum Haus verschaffte.«

»Bah!« schnaubte Japp, was bei ihm der Ausdruck hochster Verachtung bedeutete. »Also horen Sie, Monsieur Poirot: Martin Bryan ist an jenem Abend gar nicht in London gewesen. Er machte mit einer jungen Dame einen Ausflug nach Molesey, von wo die beiden erst gegen Mitternacht heimkehrten.«

»Und wer war die junge Dame? Ebenfalls eine Kunstlerin?«

»Nein. Die Besitzerin eines Modesalons. Aber wozu die Umschweife? Es war Carlotta Adams, Freundin, Miss Driver. Ihre Aussage werden Sie ja wohl nicht beargwohnen.«

»Nicht im geringsten, mein Freund.«

»Sie sind in die Enge getrieben, alter Knabe, und wissen es«, lachte der Inspektor. »Niemand ging in das Haus Nr. 17 oder in eins der beiden Nachbarhauser - und das beweist? Da? der neue Lord Edgware ein Lugner ist.«

Japp erhob sich - ein Mensch, mit sich und der Welt zufrieden. Und diese Zufriedenheit vermochte auch Poirots nachste Frage nicht zu erschuttern.

»Wer ist D., Paris, November?«

»Wahrscheinlich ein langst vergessener Freund. Mu? denn ein Erinnerungsstuck, das das Madchen vor sechs Monaten bekam, durchaus mit diesem Verbrechen zu tun haben?«

»Vor sechs Monaten«, murmelte Poirot. »Dieu, que je suis bete!« rief er plotzlich mit funkelnden Augen.

»Was sagt er?« fragte der Inspektor, der kein Franzosisch verstand.

»Horen Sie mich an!« Poirot hatte sich erhoben und klopfte bei jedem Wort auf Japps Brustkasten. »Warum erkannte Miss Adams' Madchen die Dose nicht wieder? Warum erkannte sie auch Miss Driver nicht?«

»Ich verstehe nicht, was .«

Schon setzte das Hammern gegen die Brust wieder ein.

»Weil die Dose neu war! Man hatte sie ihr gerade erst geschenkt. Paris, November - das mag das Datum sein, an welches die Dose erinnern soll. Jedoch als Geschenk erhielt Carlotta sie erst jetzt. Nicht damals, Japp. Ganz kurzlich wurde sie gekauft! Forschen Sie nach, mein guter, lieber Japp, ich flehe Sie an. Wahrscheinlich kaufte man sie in Paris. Ware sie hier gekauft worden, so hatte sich nach den Bekanntmachungen in den Zeitungen irgendein Juwelier bei der Polizei gemeldet. Ja, ja, Paris. Kundschaften Sie das aus, scheuen Sie keine Muhe, Japp. Ich mu? unbedingt wissen, wer der geheimnisvolle D. ist.«

»Ich bin zwar nicht so neugierig wie Sie«, lachte der Inspektor gutmutig. »Doch warum soll ich Ihnen den Gefallen nicht tun? Je mehr wir erfahren, desto besser.«

Und mit einem frohlichen Nicken fur uns beide ging er zur Tur.

23

»Auf, auf, zum Lunch!« rief mein kleiner Freund.

Er schob seine Hand durch meinen Arm und blickte mich lachelnd an.

»Hastings, ich habe Hoffnung.«

Wie freute ich mich, da? er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte .! Durch Japps Argumente vermutlich zu einer anderen Ansicht bekehrt, glaubte er - genau wie ich - jetzt ebenfalls an Ronalds Schuld, und die Suche nach dem Kaufer der Golddose war vielleicht eine letzte Ausflucht, um sich einen einigerma?en guten Abgang zu sichern.

In vollster Harmonie gingen wir zusammen zum Lunch.

Als wir uns an einem Tisch niederlie?en, bemerkte ich am anderen Ende des Saals Martin Bryan und Jenny Driver. Ei, ei! Sollte sich zwischen den beiden etwa ein kleiner Roman entspinnen . ? Jetzt hatten sie uns erblickt, und Jenny winkte uns mit der Hand einen Gru? zu.

Spater, wahrend man uns den Kaffee servierte, verlie? sie ihren Begleiter und kam, so lebendig und energiegeladen wie nur je, zu uns heruber.

»Darf ich mich einen Augenblick zu Ihnen setzen, Monsieur Poirot?«

»Ich bin entzuckt, Sie zu sehen, Mademoiselle. Will Monsieur Bryan uns nicht auch das Vergnugen machen?«

»Nein. Ich bat ihn, druben zu bleiben, weil ich mit Ihnen uber Carlotta sprechen mochte. Sie haben mich damals gefragt, ob nicht irgendein Mann ihrem Herzen nahergestanden habe. Erinnern Sie sich, Monsieur Poirot?«

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