Aber die Dame anderte ihren Plan. Als Lord Edgware in seinem Brief die Einwilligung zur Scheidung gibt, ist jemand anders der Auserkorene - nicht Sie. Grund genug fur Sie, Monsieur, jenen Brief zu unterschlagen.«

»Niemals habe .«

»Hinterher mogen Sie sagen, was Sie wollen. Aber vorlaufig mu? ich Sie bitten, mir Gehor zu schenken.

In welcher seelischen Verfassung wurden Sie sich nach dieser Niederlage wohl befinden - Sie, ein verwohntes Idol, das bislang noch nie eine Zuruckweisung erfahren hat? Wie ich es sehe, tobt in Ihnen eine Art irrer Wut, ein damonischer Wunsch, Lady Edgware so viel Boses wie moglich zuzufugen. Und welches gro?ere Ubel konnen Sie ihr antun, als zu veranlassen, da? sie des Mordes angeklagt, vielleicht gehenkt wird?«

»Gerechter Gott!« sagte Japp.

Diesmal wandte sich Poirot an ihn.

»Ja, ja, das war die kleine Idee, die sich in meinem Hirn zu formen begann. Verschiedenes kam hinzu, um sie zu nahren. Carlotta Adams' zwei hauptsachliche Freunde: Hauptmann Marsh und Martin Bryan. Hauptmann Marsh war ein armer, mit Schulden belasteter Teufel, wohingegen Martin Bryan, ein reicher Mann, ihr sehr wohl zehntausend Dollar fur den sogenannten Schabernack bieten konnte.«

»Ich tat es nicht. Ich schwore, da? ich es nicht tat«, kam es heiser von des Kunstlers Lippen.

»Als der Inhalt von Miss Adams' Brief an ihre Schwester von Washington gekabelt wurde - oh, la, la! da war ich fassungslos. Es schien, da? ich mich unrettbar festgefahren hatte. Doch spater machte ich eine Entdeckung. An Hand des Originalbriefes stellte ich fest, da? eine Seite fehlte und da? mit dem >er< durchaus nicht Hauptmann Marsh gemeint sein musse.

Aber damit ist das Beweismaterial keineswegs erschopft. Bei seiner Verhaftung bekundete Hauptmann Marsh, da? er geglaubt habe, Martin Bryan in Lord Edgwares Haus eintreten zu sehen. Da diese Aussage aus dem Mund eines Angeklagten kam, legte man ihr kein Gewicht bei. Au?erdem hatte Mr. Bryan ein Alibi. Kein Wunder! Wenn er den Mord beging, mu?te er ein Alibi haben. Leider wurde dieses Alibi nur durch eine einzige Person erhartet - Miss Driver.«

»Und?« fragte die junge Dame scharf.

»Nichts, Mademoiselle«, sagte Poirot lachelnd. »Ausgenommen, da? ich Sie an jenem Tag mit Mr. Bryan zusammen beim Lunch traf und Sie sich zu uns heruber bemuhten, um mich glauben zu machen, da? sich Ihre Freundin fur Ronald Marsh interessiert, aber nicht, wie ich sicher annahm, fur Martin Bryan.«

»Fur mich ...? Nicht ein bi?chen«, versetzte der Schauspieler.

»Sie wurden es vielleicht nicht gewahr, Monsieur. Aber ich denke, es verhielt sich so. Hierdurch erklart sich auch Carlottas Abneigung gegen Lady Edgware. Sie haben Miss Adams von der erlittenen Niederlage erzahlt, nicht wahr?«

»Nun . ja . ich mu?te mich zu irgend jemandem aussprechen, und sie .«

». war teilnehmend«, erganzte mein kleiner Freund. »Eh bien, was ereignet sich dann? Ronald Marsh wird verhaftet. Unverzuglich verbessert sich Ihre Stimmung; die Angst schwindet. Obgleich Ihr eigentlicher Plan dadurch fehlschlug, da? Lady Edgware sich in letzter Minute zur Teilnahme an Sir Montagues Gesellschaft entschlo?, hat sich doch ein Sundenbock gefunden, der sie von aller Sorge um Ihre eigene Person erlost. Und dann horen Sie bei einem Lunch Donald Ross, diesen netten, aber ziemlich beschrankten jungen Mann, etwas zu Hastings sagen, aus dem Sie entnehmen, da? Sie keineswegs sicher sind.«

»Es ist nicht wahr!« heulte Martin Bryan auf. Schwei?tropfen rannen uber sein verzerrtes Gesicht. »Bei meiner Seele schwore ich Ihnen, da? ich nichts horte, nichts, nichts, nichts .«

Und nun kam der heftigste Schlag dieses Vormittags.

»Ja, das stimmt«, sagte Poirot ruhig. »Und ich hoffe, Sie sind jetzt hinreichend dafur bestraft worden, da? Sie mir - mir, Hercule Poirot - mit einer Schwindelgeschichte zu kommen wagten, Monsieur.« Wir atmeten alle auf.

»Sie sehen, ich enthulle Ihnen meine samtlichen Irrtumer«, fuhr mein Freund vertraumt fort. »Funf Fragen hatte ich mir gestellt - Hastings wei? es. Eine betraf Lord Edgwares plotzliche Sinnesanderung wegen der Scheidung. Entweder beabsichtigte er eine neue Ehe einzugehen - aber nichts deutete darauf hin -, oder irgendeine Art von Erpressung gab den Ausschlag. Lord Edgware war ein Mann mit sonderbaren Neigungen. Die Moglichkeit bestand, da? anruchige Tatsachen uber ihn durchgesickert waren, die nach englischem Recht seiner Frau zwar keine Handhabe zur Scheidung boten, jedoch von ihr als Druckmittel benutzt werden konnten. Da? sich an seinen Namen ein offener Skandal heftete, wunschte Lord Edgware aber nicht. Daher gab er nach, obwohl die Wut uber diesen Zwang sich in dem morderischen Ausdruck seines Gesichts, als er sich unbeobachtet wahnte, verriet.

Zwei Fragen aber machten mir unendlich zu schaffen. Sie drehten sich um den Kneifer in Miss Adams' Tasche, der ihr nicht gehorte, und um den telefonischen Anruf, der Lady Edgware von der Tafel weggeholt hatte. Mit keiner von beiden vermochte ich Mr. Bryan in Verbindung zu bringen.

Infolgedessen sah ich mich zu der Folgerung genotigt, da? ich entweder in bezug auf Mr. Bryan oder in bezug auf die beiden Fragen unrecht hatte. In heller Verzweiflung las ich jenen Brief von Miss Adams abermals sorgfaltig durch. Und ich fand etwas! Ja, ich fand etwas .!

Hier ist der Brief! Sie sehen, da? diese eine Seite abgerissen ist. Uneben, rauh, wie es oft passiert. Oben an der linken Ecke fehlt sogar ein Stuck - scheinbar infolge unachtsamen Abrei?ens. Aber es ist nicht Unachtsamkeit gewesen, sondern wohluberlegte Absicht. Denn dort oben, wo das Stuckchen fehlt, stand ein Name oder vielleicht der erste Buchstabe eines Namens mit einem Punkt dahinter.

Nach dieser Entdeckung plagte mich mehr als je der Buchstabe D, der in der Golddose eingraviert war. Aber es gab keinen Mitspieler in diesem Drama, dessen Name mit D begann. Vielleicht aber eine Frau .?

Ah, da war Geraldine Marsh, die ihr Vetter in meiner Gegenwart einmal zufallig Dina angeredet hatte. Zudem ha?te sie ihren Vater, hatte es mir selbst gesagt. Sie war ein neurotischer, nervoser Menschentyp. Wie nun, wenn sie bei ihrer heimlichen Ruckkehr den Vater erstochen und dann hinaufgegangen ware, um die Perlen zu holen?

Dann war da noch Miss Jenny Driver .«

Mein Freund zogerte und schaute Jenny an. Sie schaute mit spitzbubischem Lacheln zuruck.

»Nun, und was ist mit mir?«

»Nichts, Mademoiselle. Nur eben Ihr Name, der mit D beginnt, und Ihre Freundschaft mit Martin Bryan.«

»Das ist nicht gerade viel«, meinte sie lakonisch und zundete sich eine Zigarette an. »Fahren Sie fort!«

»War Mr. Bryans Alibi echt oder nicht? Daruber mu?te ich mich entscheiden. Wenn es echt war, wen hatte dann Ronald Marsh ins Haus gehen sehen? Und plotzlich fiel mir etwas ein, namlich die erstaunliche Ahnlichkeit zwischen Mr. Bryan und dem schonen Butler aus Regent Gate. Ihn hatte Hauptmann Marsh gesehen. Und allgemach entwickelte sich auch hieruber eine Theorie. Ich bin der Meinung, da? er als erster seinen ermordeten Herrn entdeckte. Neben dem Toten lag ein Umschlag, der franzosische Banknoten im Werte von hundert Pfund enthielt. Er eignete sich die Noten an, schlupfte aus dem Haus, brachte sie bei einem seiner sauberen Freunde in Sicherheit und kehrte zuruck, indem er sich vermittels Lord Edgwares Schlussel ungesehen Eingang ins Haus verschaffte. Die Entdeckung des Verbrechens uberlie? er dem Hausmadchen. Gefahr fur sich befurchtete er nicht, da er ganz uberzeugt war, da? Lady Edgware die Tat verubt habe. Und die Noten befanden sich bereits au?erhalb und wurden schon gewechselt sein, bevor man ihren Verlust wahrnahm. Als jedoch Lady Edgware ein Alibi nachweisen konnte und Scotland Yard sein Vorleben zu erforschen begann, wurde ihm der Boden unter den Fu?en zu hei?, und er verduftete.«

Inspektor Japp gab seine Zustimmung durch ein Nicken kund.

»Nunmehr wende ich mich der Kneiferfrage zu. Gab es Personen, die in irgendwelchen, und sei es noch so lockeren Beziehungen zu dem einen oder anderen Beteiligten standen und einen Kneifer trugen? Ja, da war vor allem Miss Carroll, die Sekretarin des Ermordeten. Sie hielt sich an jenem Abend im Haus auf, sie hatte bereits von dem Wunsch getrieben, Lady Edgware zu belasten - ungenaue Aussagen gemacht, und uberdies war sie eine Frau mit Umsicht und Kaltblutigkeit. Einen Beweggrund sah ich zwar nicht; immerhin mochte wahrend der vieljahrigen Tatigkeit bei Lord Edgware einer entstanden sein, von dem wir nichts ahnten. Miss Carroll hatte auch den Brief an Lady Edgware unterschlagen konnen. Und als sie mit Carlotta Adams die Einzelheiten festlegte oder sich mit ihr am Mordabend traf, war der Kneifer vielleicht aus Versehen in Carlottas Handtaschchen geraten.

Aber ein geschickt angestelltes Experiment bewies mir, da? der Kneifer nicht Miss Carroll gehorte. Etwas

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