Grund fur ein Verbrechen vorlag! Ja, sie erdreistete sich, mich, Hercule Poirot, zu ihrem Werkzeug zu machen. Ma foi, es gelang ihr sogar! Oh, dies merkwurdige Hirn kindlich und gerissen zugleich. Parbleu, sie kann schauspielern! Wie gut sie eine Uberraschung zur Schau zu tragen wu?te, als man ihr von dem Brief erzahlte, den ihr Gatte ihr geschrieben und den sie angeblich nie erhalten hatte . ! Fuhlte sie auch nur die leisesten Gewissensbisse wegen eines ihrer drei Opfer? Nein - das will ich beschworen.«
»Ich habe sie Ihnen geschildert!« rief Martin Bryan. »Ich wu?te, da? sie ihn toten wurde, das hei?t, ich fuhlte es. Und ich furchtete, da? sie straflos ausging. Sie ist ungeachtet ihrer sonstigen Einfalt verteufelt gescheit. Und ich wollte, da? sie kennenlernte, was leiden hei?t. Ich wollte, da? sie fur ihre Tat bu?te, da? sie gehenkt wurde.«
Sein Gesicht hatte sich dunkelrot gefarbt, die Satze kamen sto?weise aus seinem Mund.
»Na, na«, sagte Jenny Driver, in dem gleichen Ton, mit dem ich einmal im Park eine Bonne ihren kleinen Pflegebefohlenen beruhigen horte.
»Und die goldene Dose mit dem Buchstaben D und Paris, November im Deckel?« fragte Japp.
»Lady Edgware hat sie brieflich bestellt und dann ihre Ellis nach Paris gesandt, um sie abzuholen. Naturlich forderte Ellis lediglich das Paket, fur das sie, ahnungslos uber den Inhalt, den geforderten Preis bezahlte. Von Ellis entlieh Lady Edgware auch den Kneifer, den die sogenannte Mrs. van Dusen trug; hinterher aber verga? sie ihn, und er blieb in Carlotta Adams' Handtaschchen - ein folgenschweres Versehen.
Oh, das alles enthullte sich mir, als ich dort inmitten des brandenden Verkehrs auf dem Fahrdamm stand! Hoflich war es nicht, was die Autobuschauffeure mir zubrullten - aber all ihre Fluche machten sich uberreichlich bezahlt. Ellis! Ellis' Kneifer! Ellis, die die Dose bei dem Pariser Juwelier abholt. Ellis - und daher Jane Wilkinson. Hochstwahrscheinlich entlieh sie au?er dem Kneifer auch noch etwas anderes von Ellis.«
»Was?«
»Ein Huhneraugenmesser .« Ich erschauerte.
Wieder sa?en wir stumm da, und wieder ergriff Inspektor Japp zuerst das Wort. Er stellte eine Frage, aber man merkte, wie er die Antwort in glaubigem Vertrauen erwartete.
»Monsieur Poirot, ist das wahr?«
»Es ist wahr, mon ami.«
Dann sprach Martin Bryan, und was er sagte, war so kennzeichnend fur ihn.
»Was habe ich denn damit zu tun?« norgelte er. »Warum haben Sie mich hierher bestellt? Und warum haben Sie mich beinahe zu Tode geangstigt?« Poirot musterte ihn kuhl.
»Um sie zu strafen, Monsieur, weil Sie sich eine Unverschamtheit erlaubten. Wie konnen Sie sich erkuhnen, mit Hercule Poirot Ihr Spiel zu treiben?«
Und plotzlich erklang Jenny Drivers helles, lustiges Lachen.
»Geschieht dir ganz recht, Martin«, sagte sie zwischen einer neuen Lachsalve. Die nachsten Worte galten meinem kleinen Freund: »Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie froh ich bin, da? Ronnie Marsh, den ich immer gern leiden mochte, gerechtfertigt dasteht. Und froh - froh, froh, unendlich froh - bin ich auch, da? Carlottas Tod geracht wird. Was aber diesen Ubeltater hier anbetrifft, Monsieur Poirot, so werde ich ihn heiraten. Und wenn er sich etwa einbildet, da? er nach bekanntem Hollywooder Muster im Hui sich scheiden lassen kann, um alle zwei Jahre eine neue Ehe einzugehen, so befindet er sich in dem gro?ten Irrtum seines Lebens. Er wird mich heiraten und an mir klebenbleiben!«
Poirot betrachtete sie, betrachtete ihr energisches Kinn und ihr leuchtendes Haar.
»Das halte ich fur sehr wahrscheinlich«, meinte er mit seinem aus Schalk und Gute gemischten Lacheln. »Sie haben Mut und genugend Nerven - um selbst einen Filmstar zu heiraten.«
Zwei Tage spater wurde ich durch ein Kabel plotzlich nach Argentinien gerufen, und so kam es, da? ich Jane Wilkinson nie wiedersah und nur in der Zeitung ihren Proze? und ihre Verurteilung las. Unerwarteterweise - unerwartet wenigstens fur mich - brach sie vollig zusammen, als man ihr die Wahrheit vorhielt. Solange sie auf ihre Schlauheit stolz sein und ihre Rolle spielen konnte, beging sie keinen Fehler, doch als ihr Selbstvertrauen erschuttert wurde, weil ein anderer sie durchschaut hatte, zeigte sie sich unfahiger als ein Kind, eine Tauschung aufrechtzuerhalten.
Wie ich bereits fruher einmal gesagt habe, begegnete ich bei jenem Lunch Jane Wilkinson zum letztenmal. Aber wenn ich an sie denke, sehe ich sie immer vor mir, wie sie in ihrem luxuriosen Hotelzimmer vollkommen von dem Probieren kostbarer schwarzer Gewander in Anspruch genommen wurde. Ich bin uberzeugt, da? dies keine Mache war; nein, sie benahm sich, wie es ihr inneres Wesen verlangte. Erfolgreich hatte sie ihren Plan durchgefuhrt und hatte deshalb keine weiteren Skrupel und Zweifel.
Ich gebe nun noch ein Schreiben wieder, das nach ihrem Tod wunschgema? an Hercule Poirot gesandt wurde und das am besten die bezaubernde und ganzlich gewissenlose Dame charakterisiert.
Lieber Monsieur Poirot, ich habe hin und her uberlegt und fuhle, da? ich Ihnen schreiben mu?. Wie ich wei?, veroffentlichen Sie bisweilen Berichte uber Ihre Falle. Aber haben Sie schon je einen Bericht von dem Tater selbst veroffentlicht? Ja, Monsieur Poirot, ich mochte gern, da? es all und jeder erfahrt, wie ich es zuwege brachte. Auch heute denke ich noch, da? es gut eingefadelt war, und wenn Sie nicht gewesen waren, wurde alles gut abgelaufen sein. Nicht wahr, Monsieur Poirot, Sie werden moglichst viele prominente Leute von dem Inhalt dieses Schreibens in Kenntnis setzen? Ich will, da? man sich meiner erinnert. Und ich denke, da? ich ein wirklich einzigartiger Mensch bin diese Meinung scheinen alle hier zu hegen.
Es begann in Amerika, als ich Mertons Bekanntschaft machte. Ich merkte sofort, da? er mich, ware ich verwitwet, heiraten wurde. Bedauerlicherweise hatte er ein sonderbares Vorurteil gegen die Scheidung, das ich zuerst zu bekampfen suchte, aber ohne Erfolg. Und ich mu?te vorsichtig zu Werke gehen, weil er ein leicht verletzbarer Mann war.
Bald gewann ich die Uberzeugung, da? Lord Edgware einfach sterben mu?te. Aber wie das veranlassen? Druben in den Vereinigten Staaten kann man dergleichen viel leichter erledigen. Oh, wie habe ich gegrubelt und gegrubelt! und dann sah ich plotzlich Carlotta Adams' Vorstellung und gleichzeitig einen Weg. Mit ihrer Hilfe konnte ich mir ein Alibi verschaffen. Derselbe Abend fuhrte mir Sie in den Weg, und es fiel mir ein, da? es nicht schlecht sei, wenn ich Sie zu meinem Mann schickte, damit Sie von ihm die Scheidung verlangten. Gleichzeitig wollte ich von der Absicht reden, Lord Edgware zu toten, denn ich habe immer bemerkt, da? niemand einem Glauben schenkt, wenn man in ziemlich einfaltiger Weise die Wahrheit spricht. Bei Kontrakten habe ich dies Verfahren oft angewendet. Und es ist immer gut, dummer zu erscheinen, als man ist. Bei meiner zweiten Begegnung mit Carlotta Adams brachte ich meinen Einfall zur Sprache. Ich gab an, es handele sich um eine Wette - und sie zeigte sich wundervoll gefugig. Sie sollte an meiner Statt eine Gesellschaft besuchen und hinterher zehntausend Dollar dafur erhalten. Wie sie sich begeisterte! Und einige gute Winke hinsichtlich des Kleiderwechsels, des Schminkens usw. verdanke ich ihr. Wegen Ellis konnten wir uns nicht bei mir umkleiden, und wegen ihres Madchens nicht bei ihr. Carlotta begriff naturlich nicht, warum wir es nicht konnten. Das war der einzige etwas peinliche Augenblick. Ich sagte kurz und bundig nein. Und sie gab, obwohl sie mich wegen meiner dummen Grille ein bi?chen auszankte, nach und erfand mit mir den Hotelplan, zu dem ich mich eines Ellis gehorigen Kneifers bediente.
Selbstverstandlich sah ich ein, da? auch Carlotta Adams aus dem Weg geraumt werden musse. Eigentlich schade um sie; andererseits aber waren all diese Nachahmungen, die sie vorfuhrte, reichlich frech. Wenn es mir nicht so gut in den Kram gepa?t hatte, ware ich uber die Nachaffung meiner Person sehr erbost gewesen. Ich hatte selbst Veronal in meinem Besitz, obwohl ich es nicht regelma?ig zu nehmen pflegte. Aber mich dunkte es besser, den Anschein zu erwecken, als ob Carlotta dieser Gewohnheit huldigte. Mithin bestellte ich eine Dose - das Duplikat einer Dose, die ich selbst einmal als Geschenk erhalten hatte -, lie? die Anfangsbuchstaben von Miss Adams darauf anbringen, im Innendeckel die Ihnen bekannte Gravierung einatzen, und schickte Ellis uber den Kanal, um sie abzuholen.
An dem fraglichen Abend ging alles wie am Schnurchen. Wahrend Ellis in Paris war, versorgte ich mich mit einem ihrer scharfen, handlichen Huhneraugenmesser, das ich spater an Ort und Stelle zurucklegte, so da? sie des vorubergehenden Fehlens nie gewahr geworden ist. Ein Arzt in San Franzisko zeigte mir einst, wo man den Stich ansetzen musse. Er hatte uber Punktur des Ruckgrats gesprochen und setzte hinzu, da? dabei au?erste Vorsicht geboten sei, da man sonst die Cisterna magna durchbohre und in die Medulla oblongata stache, das Hauptnervenzentrum, was den sofortigen Tod zur Folge haben wurde. Verschiedene Male lie? ich mir von ihm die genaue Stelle zeigen, unter dem Vorwand, ich wolle die Ideen in einem Film verwenden. In Wirklichkeit sagte ich mir, da? mir dies Wissen eines Tages vielleicht nutzlich sein konne.