Verhandlungen zwecklos sind, deshalb mussen wir andere Ma?nahmen ergreifen. Es hat schon fruher Untergrundbewegungen gegeben, und selbst Karellen wird es bei all seiner Macht nicht leichtfallen, mit uns fertig zu werden. Wir gedenken fur unsere Unabhangigkeit zu kampfen. Mi?verstehen Sie mich nicht. Es wird nichts Gewaltsames geschehen, zunachst wenigstens nicht, aber die Overlords mussen sich menschli cher Vermittler bedienen, und wir konnen diesen das Leben sehr ungemutlich machen.“

Angefangen bei mir vermutlich, dachte Stormgren. Er fragte sich, ob der andere ihm mehr als einen Bruchteil der ganzen Geschichte erzahlt hatte. Glaubten sie wirklich, da? diese Gangstermethoden Karellen im geringsten beeinflussen wurden? Andererseits stimmte es, da? eine gut organisierte Widerstandsbewegung das Leben sehr schwierig machen konnte. Denn Joe hatte die eine schwache Stelle in der Regierung der Overlords beruhrt: All ihre Befehle wurden von menschlichen Vermittlern durchgefuhrt. Wenn diese zu Ungehorsam gezwungen wurden, konnte das ganze System zusammenbrechen. Dies war jedoch nur eine schwache Moglichkeit, denn Stormgren nahm zuversichtlich an, da? Karellen bald irgendeine Losung finden wurde.

„Was beabsichtigen Sie mit mir zu tun?“ fragte Stormgren endlich, „bin ich eine Geisel, oder was?“

„Beunruhigen Sie sich nicht — wir kummern uns um Sie. In wenigen Tagen erwarten wir einige Besucher, und bis dahin werden wir Sie unterhalten, so gut wir konnen.“ Er fugte ein paar Worte in seiner eigenen Sprache hinzu, und einer der andern zog ein funkelnagelneues Spiel Karten aus der Tasche.

„Wir haben die Karten eigens fur Sie gekauft“, erklarte Joe. „Ich habe neulich in der ›Time‹ gelesen, da? Sie ein guter Pokerspieler sind.“ Seine Stimme wurde plotzlich ernst. „Ich hoffe, Sie haben genugend Geld in Ihrer Brieftasche“, sagte er besorgt. „Wir haben gar nicht daran gedacht, nachzusehen. Schlie?lich konnen wir ja nicht gut Schecks annehmen.“

Vollig uberwaltigt starrte Stormgren seine Wachter an. Plotzlich kam ihm die Komik der Situation zu Bewu?tsein, und er hatte auf einmal das Gefuhl, als waren ihm alle Sorgen und Muhen seines Amtes von den Schultern genommen. Von jetzt an mu?te van Ryberg sich bewahren. Stormgren selbst konnte absolut nichts dabei tun, was auch geschehen mochte, und nun warteten diese phantastischen Verbrecher unruhig darauf, mit ihm Poker zu spielen.

Plotzlich warf er den Kopf zuruck und lachte, wie er es seit Jahren nicht getan hatte.

Ohne Zweifel, dachte van Ryberg verdrie?lich, sagte Wainwright die Wahrheit. Er mochte seine Vermutungen haben, aber er wu?te nicht, wer Stormgren entfuhrt hatte. Auch billigte er diese Entfuhrung nicht. Van Ryberg vermutete, da? seit einiger Zeit Extremisten in der Freiheitsliga einen Druck auf Wainwright ausgeubt hatten, um ihn zu einer aktiveren Politik zu veranlassen. Jetzt hatten sie die Sache in ihre eigene Hand genommen.

Die Entfuhrung war gro?artig organisiert gewesen, daran bestand kein Zweifel. Stormgren konnte sich uberall auf der Erde befinden, und die Hoffnung, ihn aufzuspuren, schien gering. Aber irgend etwas mu?te getan werden, sagte sich van Ryberg, und zwar schnell. Ungeachtet der Witze, die er so oft gemacht hatte, war sein wirkliches Gefuhl Karellen gegenuber eine tiefe Ehrfurcht. Der Gedanke, dem Oberkontrolleur zu begegnen, erfullte ihn mit Besturzung, aber es gab offenbar keinen Ausweg.

Die Nachrichtenabteilung nahm den ganzen obersten Stock des gro?en Gebaudes ein. Reihen von Fernschreibern, von denen einige stillstanden, andere eifrig tickten, zogen sich durch die Raume. Durch sie glitten endlose Strome von Statistiken: Produktionszahlen, Steuereinnahmen, und die ganze Buchfuhrung eines weltwirtschaftlichen Systems. Irgendwo oben in Karellens Schiff mu?te sich das Gegenstuck zu diesem gro?en Raum befinden, und van Ryberg fragte sich mit einem leisen Schauder, was fur Gestalten sich dort hin und her bewegen mochten, um die Botschaften aufzunehmen, die von der Erde an die Overlords geschickt wurden.

Aber heute hatte er kein Interesse fur diese Maschinen und ihre gewohnheitsma?ige Arbeit. Er ging in das kleine Privatzimmer, das nur Stormgren zu betreten pflegte. Auf Rybergs Anweisung hatte man das Schlo? geoffnet, und der Leiter der Nachrichtenabteilung wartete dort auf ihn.

„Es ist ein gewohnlicher Fernschreiber mit der ublichen Tastatur“, wurde ihm erklart. „Dort ist auch ein Apparat, mit dem Sie Bilder oder Tabellen ubermitteln konnen. Aber Sie sagten, Sie wurden das nicht brauchen.“

Van Ryberg nickte zerstreut. „Das ist alles. Danke“, bemerkte er. „Ich glaube nicht, da? ich sehr lange hier bleiben werde. Schlie?en Sie dann den Raum wieder ab, und geben Sie mir alle Schlussel.“

Er wartete, bis der Nachrichtenmann gegangen war, und setzte sich dann an den Apparat. Er wurde, wie er wu?te, sehr selten benutzt, da fast alle geschaftlichen Angelegenheiten von Karellen und Stormgren bei ihren wochentlichen Zusammenkunften besprochen worden waren. Da hier jedoch eine dringende Sache vorlag, erwartete er rasche Antwort.

Nach kurzem Zogern begann er mit ungeubten Fingern seine Botschaft zu tippen. Der Apparat schnurrte leise, und die Worte leuchteten einige Sekunden auf dem verdunkelten Bildschirm. Dann lehnte van Ryberg sich zuruck und wartete auf die Antwort.

Kaum eine Minute spater begann der Apparat wieder zu schnurren. Nicht zum erstenmal fragte sich van Ryberg, ob der Oberkontrolleur jemals schlafe.

Die Nachricht war ebenso kurz wie nutzlos.

„Keine Information. Uberlasse Angelegenheiten ganz Ihrer Umsicht. K.“ Ziemlich erbittert und ohne jede Befriedigung wurde sich van Ryberg daruber klar, wieviel Macht man ihm ubertragen hatte.

In den vergangenen drei Tagen hatte Stormgren seine Wachter sehr sorgfaltig analysiert. Joe war der einzige von einiger Bedeutung, die andern waren Nullen, jener Ausschu?, den jede illegale Bewegung an sich zu ziehen pflegt. Die Ideale der Freiheitsliga bedeuteten ihnen nichts: Ihre einzige Sorge war, sich mit moglichst wenig Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen.

Joe war eine viel kompliziertere Personlichkeit, obwohl er Stormgren bisweilen an ein zu gro? geratenes Kind erinnerte. Ihre unendlichen Pokerspiele waren mit heftigen politischen Streitigkeiten durchsetzt, und Stormgren erkannte bald, da? der riesige Pole niemals ernsthaft uber die Sache nachgedacht hatte, fur die er kampfte. Gefuhle und extremer Konservativismus verschleierten all seine Urteile. Der lange Kampf seines Landes um die Unabhangigkeit hatte sein Wesen so vollig bestimmt, da? er noch immer in der Vergangenheit lebte. Er war ein malerisches Uberbleibsel, einer von denen, die mit einer geordneten Lebensweise nichts anzufangen wu?ten. Wenn sein Typ verschwande, falls das jemals der Fall sein sollte, so wurde die Erde sicherer, aber weniger interessant sein.

Es gab fur Stormgren jetzt kaum einen Zweifel, da? es Karellen nicht gelungen war, ihn aufzuspuren. Stormgren hatte versucht, seine Wachter zu bluffen. Er glaubte aber mit Sicherheit, da? sie ihn hier festhielten, um zu sehen, ob Karellen eingreifen wurde, und da nichts geschehen war, konnten sie jetzt ihre Plane weiterfuhren.

Stormgren war nicht uberrascht, als Joe ihm wenige Tage spater mitteilte, da? Besucher zu erwarten seien. Eine Zeitlang hatte die kleine Gruppe eine wachsende Nervositat an den Tag gelegt, und der Gefangene vermutete, da? die Fuhrer der Bewegung, nachdem sie gesehen hatten, da? die Luft rein war, ihn endlich aufsuchen wurden.

Sie warteten bereits, um den wackeligen Tisch versammelt, als Joe Stormgren hoflich in den Wohnraum fuhrte. Dieser stellte belustigt fest, da? sein Wachter sehr auffallend eine riesige Pistole trug, die vorher nie in Erscheinung getreten war. Die beiden Banditen waren verschwunden, und auch Joe erschien etwas gema?igter. Stormgren konnte sofort sehen, da? er jetzt Mannern viel hoherer Beschaffenheit gegenuberstand, und die versammelte Gruppe erinnerte ihn stark an ein Bild, das er einmal von Lenin und seinen Genossen in den ersten Tagen der russischen Revolution gesehen hatte. In diesen sechs Mannern hier steckte die gleiche intellektuelle Kraft, Rucksichtslosigkeit und eiserne Entschlossenheit. Joe und seinesgleichen waren harmlos; hier waren die wirklichen Gehirne der Organisation.

Mit einem kurzen Kopfnicken ging Stormgren zu dem einzigen freien Stuhl und versuchte, selbstbeherrscht auszusehen. Als er sich naherte, beugte sich der altere, dickliche Mann an der andern Seite des Tisches vor und sah ihn mit durchbohrenden grauen Augen an. Sie waren Stormgren so unbehaglich, da? er zu sprechen begann, was er nicht beabsichtigt hatte.

„Vermutlich sind Sie hergekommen, um uber die Bedingungen zu verhandeln. Wieviel Losegeld verlangen Sie?“

Er bemerkte, da? im Hintergrunde jemand diese Worte auf einem Stenogrammblock mitschrieb. Alles war sehr geschaftsma?ig.

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