»Ja, entweder mag man es, wenn's durchs Dach regnet, oder man mag es nicht.«

»Oder man mag es nicht«, echote das kleine Madchen. »Ich mag es nicht

Pelle wurde ein wenig nachdenklich. Das mu?te er Papa erzahlen. Doch nicht gerade jetzt. Jetzt mu?te er sich zuerst den Raben ansehen, das war unbedingt notig. Stina zeigte ihn gern, das merkte man. Es machte bestimmt Spa?, wenn man einen Raben hatte, den sich die Leute ansehen wollten und am liebsten ein gro?er Junge wie er. Stina war zwar nur ein kleines Madchen, hochstens funf Jahre alt, aber um des Raben willen war Pelle bereit, sie fur diesen Sommer, oder jedenfalls so lange, bis er etwas Besseres gefunden hatte, zu seiner Spielkameradin zu machen.

»Ich komm dich mal besuchen«, sagte er gnadig. »In welchem Haus wohnt ihr denn?«

»In einem roten«, sagte Stina, und das war ja immerhin ein Anhaltspunkt, viel mehr aber auch nicht.

»Du kannst fragen, wo der alte Soderman wohnt«, sagte ihr Gro?vater. »Das wei? namlich jeder, verstehst du.«

Der Rabe krachzte heiser in seinem Kafig und schien unruhig zu sein. Pelle versuchte wieder, den Finger zu ihm hineinzustecken, und wieder hackte der Rabe nach ihm.

»Der ist klug, du«, sagte Stina. »Der Klugste in der ganzen Welt, sagt Gro?vater.«

Das hielt Pelle fur Aufschneiderei. Schlie?lich konnten weder Stina noch ihr Gro?vater wissen, welcher Vogel der klugste in der ganzen Welt war. »Mein Gro?vater hat einen Papagei«, sagte Pelle. »Und der kann sagen ›Zum Kuckuck mit dir!‹«

»Was ist denn dabei«, sagte Stina. »Das kann mein Gro?vater auch.«

Da lachte Pelle schallend.

»Das sagt doch nicht mein Gro?vater. Das sagt der Papagei!«

Stina mochte es nicht, wenn man uber sie lachte. Jetzt war sie beleidigt. »Dann rede doch so, da? man es versteht«, sagte sie murrisch. Sie wandte den Kopf ab und schaute unentwegt uber die Reling. Mit diesem bloden Jungen da wollte sie nicht mehr sprechen.

»Na, dann tschus«, sagte Pelle und ging weg, um sich nach seiner eigenen weitverstreuten Familie umzusehen. Er fand Johann und Niklas oben auf dem Oberdeck, und sobald er sie sah, wu?te er, da? irgend etwas nicht stimmte. Die beiden wirkten so grimmig, da? Pelle angstlich wurde. Hatte er etwas angestellt, weshalb er ein schlechtes Gewissen haben mu?te?

»Was ist denn?« fragte er besorgt.

»Guck mal da«, sagte Niklas und zeigte mit dem Daumen. Und nun sah Pelle es. Ein Stuck entfernt stand Malin, an die Reling gelehnt, und neben ihr ein lang aufgeschossener junger Mann in hellblauem Sporthemd. Sie redeten und lachten und der im Sporthemd sah Malin an, ihre Malin, als hatte er ganz plotzlich einen hubschen kleinen Goldklumpen gefunden, dort, wo er ihn am wenigsten erwartet hatte.

»Es ist also mal wieder soweit«, sagte Niklas. »Ich dachte, es wurde besser werden, wenn wir aus der Stadt wegkamen.«

Johann schuttelte den Kopf.

»Bild dir das doch nicht ein! Du kannst Malin auf einer kleinen Felsinsel mitten in der Ostsee absetzen, und innerhalb von funf Minuten kommt ein Junge angeschwommen und mu? unbedingt ausgerechnet auf diesen Felsen rauf.«

Niklas starrte den im Sporthemd bose an.

»Es ist nicht zu glauben, da? man seine eigene Schwester nicht fur sich allein haben kann! Man mu?te so ein Schild neben ihr aufstellen: ›Ankern verboten‹.«

Dann guckte er Johann an, und die beiden lachten leise. Sie protestierten ja nicht richtig im Ernst, wenn einer anfing, Malin den Hof zu machen, und das geschah, wie Johann behauptete, etwa alle Viertelstunde einmal. Nicht ganz ernst – und trotzdem war eine kleine, geheime Angst in ihnen: Wenn Malin sich nun eines schonen Tages so verliebte, da? es mit Verlobung und Heirat und so weiter endete?

»Wie sollen wir ohne Malin fertig werden?« sagte Pelle immer, und so dachten und fuhlten sie alle. Denn Malin war Anker und Stutze der Familie. Nachdem ihre Mutter gestorben war, als Pelle geboren wurde, war sie allen Melchersonschen Jungen wie eine Mama geworden, einschlie?lich Melcher. In den ersten Jahren eine zarte und kindliche und ziemlich ungluckliche kleine Mama, aber ganz allmahlich immer besser imstande, »Nasen zu putzen und zu waschen und zu schimpfen und Zimtwecken zu backen« – so beschrieb sie selbst, was sie machte.

»Du schimpfst aber nur, wenn es wirklich notig ist«, versicherte Pelle immer. »Meistens bist du sanft und lieb wie ein Kaninchen.«

Fruher konnte Pelle nie begreifen, weshalb Johann und Niklas Malins Verehrer ablehnten. Er war ganz sicher und uberzeugt, da? Malin bis in alle Ewigkeit der Familie Melcherson gehorte, und wenn noch so viele Sporthemden sie umkreisten. Malin selbst war es, die, ohne sich dessen bewu?t zu sein, seiner Sicherheit ein Ende machte. Und es passierte an einem Abend, als Pelle in seinem Bett lag und einzuschlafen versuchte. Es gelang ihm nicht, denn Malin sang im Badezimmer nebenan aus voller Kehle. Sie sang ein Lied, das Pelle nie zuvor gehort hatte, und einige Worte aus dem Lied trafen ihn dort in seinem Bett wie ein Keulenschlag. »Kaum war sie mit der Schule fertig, hielt sie Hochzeit und bekam ein Kind«, sang Malin, ohne zu ahnen, was sie da anrichtete.

»Kaum war sie mit der Schule fertig …« Aber das war ja genau das, was Malin getan hatte! Und naturlich brauchte man dann, dann nur auf den Rest zu warten. Pelle in seinem Bett fing an zu schwitzen! Jetzt wurde ihm klar, wie es kommen mu?te! Da? er das bis jetzt noch nicht begriffen hatte! Malin wurde heiraten und verschwinden; sie wurden einsam zuruckbleiben und niemanden haben als Frau Nilsson, die taglich vier Stunden kam und dann wegging.

Das war ein unertraglicher Gedanke, und Pelle rannte verzweifelt zu seinem Vater.

»Papa, wann heiratet Malin und kriegt Kinder?« fragte er mit zitternder Stimme.

Melcher hob erstaunt die Augenbrauen. Er hatte nichts davon gehort, da? Malin derlei Plane hatte, und er verstand nicht, da? es fur Pelle eine Frage auf Leben und Tod war.

»Wann wird das sein?« fragte Pelle eindringlich.

»Uber den Tag und die Stunde wissen wir nichts«, antwortete Melcher. »Daruber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen, mein Kleiner.« Aber seitdem hatte Pelle sich den Kopf daruber zerbrochen, nicht jeden Augenblick, nicht mal jeden Tag, aber in regelma?igen Abstanden, wenn ein besonderer Anla? war. Wie zum Beispiel jetzt eben. Pelle starrte zu Malin und dem Sporthemd hinuber. Sie schienen sich zum Gluck gerade voneinander verabschieden zu wollen, denn das Sporthemd wollte offenbar an der nachsten Anlegestelle aussteigen. »Auf Wiedersehen, Krister!« rief Malin, und das Sporthemd rief zuruck:

»Ich komm mal mit dem Motorboot vorbei und schau, ob ich dich finde.«

»Das solltest du lieber bleiben lassen, finde ich«, murmelte Pelle bose. Und er beschlo?, Papa zu bitten, er sollte so ein Schild aufstellen, von dem Niklas gesprochen hatte. »Ankern verboten« sollte auf dem Bootssteg des Schreinerhauses stehen, dafur wollte Pelle sorgen.

Es ware sicher leichter gewesen, Malin fur sich allein zu haben, wenn sie nicht so hubsch ware, das war Pelle klar. Er hatte zwar nie so genau hingeguckt, aber er wu?te, da? sie hubsch war. Das sagten alle Leute. Sie fanden es schon, wenn jemand blondes Haar und grune Augen hatte, so wie Malin. Das fand der mit dem Sporthemd sicher auch.

»Was war denn das fur ein Ekel?« fragte Johann, als Malin zu ihnen heruberkam.

Malin lachte.

»Gar kein Ekel. Einer, den ich auf Bosses Abiturfest kennengelernt hab. Wirklich nett.«

»Ein Quadratekel«, sagte Johann beharrlich. »Vor dem nimm dich lieber in acht, schreib dir das in dein Tagebuch.«

Malin war nicht umsonst die Tochter eines Schriftstellers. Sie schrieb ebenfalls, aber nur in ihr geheimes Tagebuch. Hier schrieb sie die Gedanken und Traume ihres Herzens auf und au?erdem alle Streiche der Melcherson-Jungen, auch Melchers. Sie pflegte ihnen damit zu drohen: »Wartet nur, bis ich mein geheimes Tagebuch drucken lasse. Dann werdet ihr so blo?gestellt, da? ihr splitternackt dasteht.«

»Haha, dann bist du wohl selber am schlimmsten blo?gestellt«, versicherte Johann ihr. »Hoffentlich fuhrst du alle deine Scheiche genau der Reihe nach auf.«

»Leg dir eine Liste an, damit du in der Eile keinen uberspringst«, schlug Niklas vor. »Per-Olaf XIV. Karl

Вы читаете Ferien auf Saltkrokan
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату