Karlsson XV. Lennart XVII. und Ake XVIII. Das gibt allmahlich eine ganz hubsche Regentenreihe, wenn du so weitermachst.« Und in diesem Augenblick waren Johann und Niklas uberzeugt, da? der im Sporthemd Krister XIX. werden wurde. »Ich mochte zu gern wissen, wie sie den in ihrem Tagebuch beschreibt«, sagte Niklas.

»Quadratekel mit kurzgeschorenem Haar und eingebildeter Miene«, schlug Johann vor. »Im ubrigen schlaksig und unangenehm.«

»Ja, das red dir nur ein, da? Malin so uber den denkt!« sagte Niklas.

Malin schrieb kein Wort uber Krister XIX. in ihr Tagebuch. Er sprang an seiner Anlegestelle ab, ohne auch nur eine Spur in ihrem Gemut zu hinterlassen. Und keine Viertelstunde spater hatte Malin eine Begegnung, die sie viel starker erschutterte und uber der sie alles andere verga?. Das war, als der Dampfer auf die nachste Anlegestelle zusteuerte und sie Saltkrokan zum ersten Mal sah. Uber diese Begegnung schrieb sie in ihr Tagebuch:

Malin, Malin, wo bist du so lange gewesen? Diese Insel hat hier gelegen und auf dich gewartet, ruhig und still hat sie hier drau?en am Rande des Meeres gelegen mit ihren ruhrenden kleinen Bootshausern, ihrer alten Dorfstra?e, ihren alten Bootsstegen und Fischerbooten und mit all ihrer herzzerrei?enden Schonheit, und du hast es nicht einmal gewu?t. Ist das nicht furchtbar? Ich mochte wissen, was Gott sich gedacht hat, als er diese Insel machte. Ich will es ein bi?chen gemischt haben, hat er sicher gedacht. Karg soll es sein, rauhe, graue Felsen mochte ich haben. Lieblich soll es sein, grune Baume, Eichen und Birken, bluhende Wiesen und bluhende Straucher, o doch, denn ich mochte, da? die ganze Insel von rosa Heckenrosen und duftendem Wei?dorn uberquillt an jenem fernen Junitag in tausend Millionen Jahren, wenn Malin Melcherson dorthin kommt. Ja, lieber Johann und lieber Niklas, ich wei?, was ihr denkt, falls ihr hier schnuffelt, aber das la?t gefalligst sein! Ist es erlaubt, so eingebildet zu sein? Nein, ich bin nicht eingebildet, ich freu mich nur, seht ihr, weil der Herrgott auf den Gedanken kam, Saltkrokan so zu machen und nicht anders, und weil er dann auf die Idee kam, es wie ein Juwel weit drau?en am Rand des Meeres hinzulegen, wo es in Frieden gelassen wurde und ungefahr so bleiben durfte, wie er es sich gedacht hatte, und weil ich hierherkommen durfte.

Melcher hatte gesagt: »Ihr sollt mal sehen, das ganze Dorf ist unten auf dem Anleger, um uns zu begucken. Wir sind bestimmt eine Sensation.«

Ganz so wurde es doch nicht. Es go? in Stromen, als der Dampfer anlegte, und auf dem Steg standen ein einziger kleiner Mensch und ein Hund. Der Mensch war weiblichen Geschlechts und etwa sieben Jahre alt. Sie stand ganz still, wie aus dem Bootssteg herausgewachsen, der Regen stromte auf sie nieder, aber sie ruhrte sich nicht. Man konnte meinen, Gott habe sie zugleich mit der Insel geschaffen, dachte Malin, und sie dahin gestellt, als Herrscherin und Huterin der Insel bis in alle Ewigkeit.

So klein habe ich mich noch nie gefuhlt, schrieb Malin ins Tagebuch, wie in dem Augenblick, als ich vor den Augen dieses Kindes in stromendem Regen und bepackt mit Krempel uber die Gangway gehen mu?te. Sie hatte einen Blick, der gleichsam alles sah. Ich dachte, das da mu? Saltkrokan selbst sein, und wenn dieses Kind uns nicht akzeptiert, dann werden wir nie akzeptiert hier auf der Insel. Darum sagte ich so einschmeichelnd, wie man mit kleinen Kindern spricht: »Wie hei?t du?«

»Tjorven«, sagte sie. Allein so etwas! Kann man wirklich Tjorven hei?en und so majestatisch aussehen?

»Und dein Hund?« fragte ich.

Da sah sie mir fest in die Augen und fragte ruhig: »Willst du wissen, ob es mein Hund ist, oder willst du wissen, wie er hei?t?«

»Alles beides«, antwortete ich.

»Es ist mein Hund, und er hei?t Bootsmann«, sagte sie, und es war, als ob eine Konigin sich herablie?e, ihr Lieblingstier vorzustellen. Was fur ein Tier ubrigens! Es war ein Bernhardiner, der gro?te, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Er war ebenso majestatisch wie sein Frauchen, und ich fing an zu glauben, alle Lebewesen auf dieser Insel seien von der gleichen Art und uns armen Tropfen aus der Stadt himmelhoch uberlegen. Aber da kam eine freundliche Seele angedampft, es war, wie sich herausstellte, der Kaufmann der Insel, und er war offenbar nach gewohnlichem menschlichem Ma? gemacht, denn er begru?te uns sehr freundlich und hie? uns auf Saltkrokan willkommen und teilte uns mit, er hei?e Nisse Grankvist, ohne da? wir zu fragen brauchten. Aber dann sagte er etwas Erstaunliches.

»Geh nach Hause, Tjorven«, sagte er zu dem majestatischen Kind. Unfa?bar, da? er sich traute, und ebenso unfa?bar, da? er Vater von so einem Kind war! Es nutzte jedoch nicht viel. »Wer hat das gesagt?« fragte das Kind streng. »Hat Mama das gesagt?«

»Nein, ich sag es«, antwortete ihr Vater.

»Dann tu ich es nicht«, sagte das Madchen. »Denn jetzt mu? ich den Dampfer in Empfang nehmen.«

Und der Kaufmann sollte Waren aus der Stadt entgegennehmen und hatte wohl keine Zeit, sich mit seiner aufmupfigen Tochter abzugeben, denn die stand noch immer dort im Regen, wahrend wir all unser Sack und Pack zusammensammelten. Wir waren sicherlich in diesem Augenblick ein jammerlicher Anblick, und Tjorven entging nichts. Ich spurte ihre Augen im Rucken, als wir lostrotteten zum Schreinerhaus.

Und es gab hier noch mehr Augen als die von Tjorven. Hinter den Gardinen an den Fenstern in allen Hausern an der Dorfstra?e gab es uberall Augen, die unserer durchweichten Karawane folgten – vielleicht waren wir dennoch eine Sensation, wie Papa gesagt hatte. Er begann etwas bedenklich dreinzuschauen, stellte ich fest. Und wie wir so dahingingen und der Regen am allerheftigsten niederrauschte, fragte Pelle: »Papa, wei?t du, da? es im Schreinerhaus durchs Dach regnet?«

Da blieb Papa mitten in einer Regenpfutze stehen.

»Wer sagt das?« fragte er.

»Der alte Soderman«, sagte Pelle, und es horte sich an, als redete er von einem alten Bekannten.

Papa versuchte, so auszusehen, als ware ihm das ganz egal. »Soso, das sagt der alte Soderman oder wie dieser vortreffliche Unglucksrabe auch hei?en mag. Und der alte Soderman wei? das naturlich – stell dir vor, davon hat der Makler neulich kein Wort gesagt!«

»Wirklich nicht?« sagte ich. »Hat er nicht gesagt, es ware ein behagliches altes Sommerhaus, vor allem bei Regen, weil man dann namlich so einen wonnigen kleinen Swimmingpool in der gro?en Stube hat?«

Papa warf mir einen langen Blick zu und gab keine Antwort. Und dann waren wir da.

»Guten Tag, Schreinerhaus«, sagte Papa. »Darf ich die Familie Melcherson vorstellen: Melcher und seine armen Kinderlein.«

Es war ein rotes Haus mit einem Oberstock, und als man es sah, zweifelte man nicht daran, da? es hier durchs Dach regnete. Mir gefiel es aber trotzdem. Mir gefiel es vom ersten Augenblick an. Papa dagegen hatte jetzt die Angst gepackt, das merkte man – ich kenne niemanden, dessen Stimmung so schnell umschlagen kann. Er blieb stehen und starrte mi?mutig das Ferienhaus an, das er fur sich und seine Kinder gemietet hatte.

»Worauf wartest du?« fragte ich. »Es wird nicht anders.«

Darauf nahm er allen Mut zusammen, und wir gingen hinein.

Das Schreinerhaus

Keiner von der Familie sollte jemals diesen ersten Abend im Schreinerhaus vergessen.

»Fragt mich, wann ihr wollt«, sagte Melcher spater, »und ich erzahle euch genau, wie es war. Muffige Luft in der Hutte, klamme Bettwasche, Malin mit ihrer kleinen Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen, von der sie immer meint, ich bemerke sie nicht. Und ich mit einem Druck auf der Brust vor Beklommenheit! Wenn ich nun etwas ganz Dummes gemacht hatte! Aber die Bengels waren vergnugt wie die Eichhornchen und rannten rein und raus, das wei? ich noch. Ja, und dann erinnere ich mich noch an die Amsel, die im Mehlbeerbaum vorm Hause sa? und sang, und dieses leise Platschern der Wellen gegen den Bootssteg und wie still es war und da? ich plotzlich ganz aus dem Hauschen geriet und dachte, nein, Melcher, du hast diesmal nichts Dummes gemacht, sondern etwas Gutes, etwas geradezu gro?artig, erstaunlich durch und durch Gescheites und Gutes. Aber da war naturlich dieser Geruch in der Hutte und …«

»Und dann hast du Feuer gemacht im Kuchenherd«, sagte Malin. »Wei?t du noch?«

Das wu?te Melcher nicht mehr. Behauptete er.

»Dieser Herd sieht nicht so aus, als hatte er die Absicht, sich ohne weiteres mit Essenkochen zu befassen«,

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