anklagend.
Da fiel Pelle etwas ein, was ihn ein wenig aufmunterte. Er hatte ja doch Geld! Er hatte drei Kronen in der Hosentasche.
»Ich glaube, ich kaufe fur jeden von uns noch ein Eis«, sagte er. Das tat er. Er lief zur Eisbude und kaufte zwei Eis. Hinterher waren nur noch zwei Kronen in der Hosentasche.
Aber das Eis war schnell alle, die Zeit verging, und keiner kam, und Pelle hatte Ameisen im Leib.
»Ich glaube, ich kaufe fur jeden von uns noch ein Eis«, sagte er. Das tat er. Er lief wieder zur Eisbude. Hinterher war nur noch eine Krone in der Hosentasche.
Und die Zeit verging, keiner kam, das Eis war langst alle.
»Kaufst du uns noch ein Eis?« schlug Tjorven da vor.
Pelle schuttelte den Kopf.
»Nein, man soll nicht alles ausgeben, was man hat. Etwas mu? man ubrigbehalten fur unvorhergesehene Ausgaben.«
So hatte er Malin haufig zu Papa sagen horen. Was »unvorhergesehene Ausgaben« eigentlich waren, das hatte er nie so recht herausbekommen, er wu?te nur, da? man nicht alles auf einmal ausgeben durfte. Tjorven seufzte. Sie wurde von Minute zu Minute ungeduldiger. Und Pelle wurde immer aufgeregter. Wenn nun Papa diesen schrecklichen Mattsson nicht gefunden hatte! Wer wei?, vielleicht war uberhaupt alles ganz anders geworden, vielleicht sa? Mattsson bei Herrn Karlberg zu Hause und verkaufte das Schreinerhaus in Windeseile, anstatt auf den Markt zu gehen und Rhabarber zu besorgen und eiligst in sein Buro zuruckzukehren und an Papa zu verkaufen. Und da sollte man hier herumsitzen und nichts erfahren! Nur warten und warten und Bauchweh kriegen. Oh, wie dieser Karlberg ihm mi?fiel. Und Mattsson ebenfalls! Da? Frau Sjoblom sich so einen nahm, der sich um ihre Geschafte kummerte! Weswegen tat sie es nicht selber?
Frau Sjoblom? Die wohnte hier in Norrtalje, ist ja wahr! Nicht zu fassen, da? sie das Schreinerhaus verkaufen wollte, sie war wohl nicht recht gescheit! Man hatte Lust, sie zu fragen … ja, alles mogliche! Alles mogliche, tatsachlich!
»Kennst du Frau Sjoblom?« fragte er Tjorven.
»Klar kenn ich sie. Ich kenn doch alle Menschen.«
»Wei?t du, wo sie wohnt?«
»Ja«, sagte Tjorven. »Sie wohnt in einem gelben Haus, und nicht weit davon ist ein Bonbonladen und gleich daneben ein Spielzeuggeschaft.« Pelle sa? stumm da und uberlegte. Und er kriegte immer mehr Bauchschmerzen. Schlie?lich stand er heftig auf.
»Komm, Tjorven, wir gehen los und suchen Frau Sjoblom. Ich hatte ein bi?chen mit ihr zu bereden.«
Tjorven sprang froh uberrascht auf.
»Aber was sagt dann Herr Melcher?«
Das fragte Pelle sich auch, aber im Augenblick wollte er nicht daran denken. Er wollte zu Frau Sjoblom. Alte Damen mochten ihn fur gewohnlich gern, es ware sicher nichts dabei, wenn man sie fragte … Oje, er wu?te gar nicht recht, was er sie fragen wollte! Er wu?te nur, da? er unmoglich noch langer stillsitzen konnte, ohne etwas zu unternehmen.
Tjorven war mit den Eltern zusammen mehrmals bei Frau Sjoblom gewesen. Trotzdem konnte sie jetzt das gelbe Haus nicht finden. Sie fand aber einen Polizisten, und den fragte sie.
»Wo ist ein Bonbonladen, der gleich neben einem Spielzeugladen liegt?«
»Mu?t du alles auf einem Fleck haben?« fragte der Polizist und lachte. Dann aber dachte er nach, und nun wu?te er, was sie meinte, und konnte ihnen sagen, wie sie gehen mu?ten.
Und sie trabten weiter durch schmale Stra?en und an kleinen, hubschen Hausern entlang und fanden schlie?lich einen Spielzeugladen, der gleich neben einem Bonbonladen lag. Tjorven schaute sich um. Und dann zeigte sie auf ein Haus.
»Da! In dem gelben Haus da wohnt Frau Sjoblom!«
Es war ein niedriges Haus mit einem Oberstock, einem kleinen Garten und einer Tur zur Stra?e.
»Du mu?t klingeln«, sagte Pelle. Er selber traute sich nicht. Tjorven setzte den Finger auf den Klingelknopf und lie? ihn lange dort. Und dann warteten sie. Lange, lange warteten sie, aber es kam niemand. »Sie ist nicht zu Hause«, sagte Pelle, und er wu?te selber nicht, ob er enttauscht war oder nicht. Eigentlich ware es doch schon, wenn man sich davonmachen konnte, denn es war schwer, mit fremden Menschen zu reden. Aber trotzdem …
»Weshalb hat sie dann ihr Radio an?« sagte Tjorven und legte das Ohr an die Tur. »Horst du nicht, was sie da spielen? ›Am Samstag abend war ein Leben‹.«
Sie klingelte noch einmal, und dann hammerte sie kraftig mit der Faust gegen die Tur. Aber trotzdem kam niemand, um aufzumachen. »Sie mu? zu Hause sein«, sagte Tjorven. »Komm, wir gehen mal hinters Haus.« Und sie gingen um das Haus herum. Dort stand eine Leiter, die zu einem Fenster im oberen Stock fuhrte. Das Fenster war offen, und dort drinnen spielte ein Radio mit voller Lautstarke. Jetzt konnte man ganz deutlich horen, was fur ein Leben am Samstag abend gewesen war. »Tante Sjoblom!« rief Tjorven.
Aber nichts geschah.
»Wir klettern rauf und sehen nach«, sagte Tjorven.
Da kriegte Pelle es mit der Angst. So etwas konnte man doch nicht tun? So ohne weiteres da hinaufklettern, das war doch Wahnsinn! Aber Tjorven war unerbittlich. Sie trieb ihn zur Leiter hin, und auf zitternden Beinen begann er nach oben zu steigen.
Er bereute es, noch bevor er halbwegs oben war, und wollte umkehren. Aber hinter sich auf der Leiter hatte er Tjorven, und die lie? keinen vorbei.
»Beeil dich«, sagte sie und drangte ihn erbarmungslos nach oben. Erschrocken kletterte er weiter – was um Himmels willen sollte er nur sagen, wenn jemand dort drinnen war?
Selbstverstandlich war jemand dort drinnen. Sie sa? in einem Sessel mit dem Rucken zu ihm, und als er, von Schrecken gelahmt, lange Zeit ihren Hinterkopf angestarrt hatte, hustelte er. Zuerst leise und dann ziemlich laut. Da schrie sie auf, die da im Sessel sa?, und drehte sich um, und er sah, da? es Frau Sjoblom war, ja, genau so hatte er sie sich vorgestellt. Sie war machtig alt und runzelig und hatte graue Haare und freundliche Augen und eine kleine, lustige Nase. Aber sie starrte ihn an, als sahe sie einen Geist.
»Ich bin nicht so gefahrlich, wie ich aussehe«, versicherte Pelle mit bebender Stimme.
Da lachte Frau Sjoblom.
»Ach, wirklich nicht? Bist du nicht so furchtbar gefahrlich, wie du aussiehst?«
»Nein, gar nicht«, sagte Tjorven und hob den Kopf uber das Fenstersims. »Guten Tag, Tante Sjoblom!«
Frau Sjoblom schlug die Hande zusammen.
»Was ist denn das, um alles in der Welt? Ist das nicht die Tjorven?«
»Doch, das scheint wohl so«, sagte Tjorven. »Und dies ist Pelle. Er will das Schreinerhaus kaufen. Das kann er doch kriegen, ja?« Frau Sjoblom lachte, das schien etwas zu sein, das ihr leichtfiel, und dann sagte sie:
»Ich mache im allgemeinen keine Geschafte mit Leuten, die drau?en vor dem Fenster hangen. Es ist wohl das beste, ihr kommt herein.«
Und es war gar nicht so schwer, mit Frau Sjoblom zu reden, wie Pelle gedacht hatte.
»Habt ihr Hunger?« war das erste, was sie sagte. Man stelle sich vor, was fur ein glanzender Anfang!
Und dann nahm sie sie mit in die Kuche und setzte ihnen Butterbrote vor und Milch, Schinkenbrote und Kasebrote und Brote mit Kalbsbraten und Gurke. Sie kamen hier unversehens zu einem richtigen Festschmaus! Und wahrend dieser Schmaus stattfand, erzahlten sie ihr alles. Von Mattsson und Karlberg und Lotta und von Vesterman und Jocke und Moses und Totti und Jumjum und Bootsmann und von allem, was sich auf Saltkrokan zugetragen hatte.
Von Lotta Karlberg erzahlte Tjorven besonders viel.
»Bongalo«, sagte sie. »Findest du das nicht blode, Tante Sjoblom?«
O doch, Tante Sjoblom fand einen »Bongalo« blode, jedenfalls auf Saltkrokan, und was den Gedanken anbetraf, das Schreinerhaus abzurei?en, so hatte sie noch nie so etwas Dummes gehort!
Auch noch Blasen an den Fu?en, dachte Melcher. Blasen an den Fu?en und Staatsstipendium und ich wei? nicht, was noch alles, an einem einzigen Tag, das ist zuviel! Er rannte aber entschlossen weiter, Johann und Niklas auf den Fersen. Es galt, Mattsson nicht aus den Augen zu verlieren. In seinem ha?lichen karierten Anzug ging er