vor ihnen her durch die Stra?en wie ein Leitstern, und der fuhrte sie zu einem kleinen gelben Haus, das zwischen Goldregen und wildem Jasmin stand.

Als Mattsson gerade an der Tur geklingelt hatte, trat Melcher zu ihm heran. Niemand sollte ihn daran hindern, ein Wort mitzureden. Herr Karlberg wurde argerlich.

»Nein, Herr Melcherson, jetzt mu? ich doch aber bitten! Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen?«

»Ich habe wohl das Recht, mit Frau Sjoblom zu sprechen, wenn ich will«, sagte Melcher zornig.

Mattsson warf ihm einen kalten Blick zu.

»Ich dachte, es ware Ihnen klar, Herr Melcherson, da? ich die Geschafte fur Frau Sjoblom wahrnehme? Was, meinen Sie, sollte es Ihnen denn nutzen, mit ihr zu reden?«

Nein, Melcher wu?te nur zu gut, da? es nichts nutzte, aber einen letzten Versuch mu?te er machen, und den wollte er mal sehen, der ihn daran hinderte!

Da wurde die Tur geoffnet, und Frau Sjoblom stand vor ihnen. Mattsson stellte vor: »Dies ist Herr Direktor Karlberg, der das Schreinerhaus kaufen mochte.«

Melchers Anwesenheit ubersah er absichtlich. Und Frau Sjoblom begru?te Direktor Karlberg, sie musterte ihn von oben bis unten. Melcher hustelte bescheiden. Wenn sie ihn doch nur einmal ansehen wollte, wenn er nur ihren Blick einfangen konnte, dann wurde sie vielleicht begreifen, da? es hier ums Leben ging. Aber Frau Sjoblom sah Melcher nicht an, sie schaute Karlberg an, und dann sagte sie ruhig und leise:

»Das Schreinerhaus habe ich schon verkauft.«

Es war, als hatte sie eine Bombe geworfen. Mattsson starrte sie mit einem Schafsgesicht an.

»Verkauft?«

»Verkauft?« sagte Karlberg. »Wie meinen Sie das?«

Melcher spurte, da? er bla? wurde. Nun ja, dann war alle Hoffnung vergebens. Endlich war es ganz und gar vorbei. Es war einerlei, wer das Schreinerhaus gekauft hatte, fur ihn und seine Kinder war es bis in alle Ewigkeit verloren! Und das hatte er ja im Grunde die ganze Zeit gewu?t. Merkwurdig war nur, da? es trotzdem so weh tun konnte, als er es bestatigt bekam.

Johann und Niklas fingen an zu weinen, ein leises, bitteres Weinen, das sie vergeblich zuruckzuhalten versuchten. Jetzt war die Aufregung vorbei, und sie waren so mude, wer kann etwas dafur, wenn er dann ein bi?chen weinen mu??

»Wie meinen Sie das, Frau Sjoblom?« fragte Mattsson, als er die Sprache wiedergefunden hatte. »An wen haben Sie verkauft?«

»Kommen Sie, ich zeige es Ihnen«, sagte Frau Sjoblom und machte die Tur sperrangelweit auf. »Ihnen auch«, sagte sie zu Melcher und seinen beiden weinenden Jungen.

Melcher schuttelte den Kopf, er wollte uberhaupt nicht sehen, wer das Schreinerhaus gekauft hatte, es war besser, wenn er es nicht wu?te. Aber da horte er plotzlich von drinnen eine Stimme, die er kannte.

»Der Herr Melcher, der hat den richtigen Ruck, das kannst du glauben, Tante Sjoblom!«

Im nachsten Augenblick herrschte in dem gelben Haus einige Aufregung. Herr Karlberg war wutend und machte Krach und schrie, hochrot im Gesicht ging er auf Mattsson los.

»Das lasse ich mir nicht gefallen. Das werden Sie ins reine bringen, Herr Mattsson, und es ist Ihre Sache, wie Sie das anstellen.«

Der arme Mattsson, er schrumpfte gleichsam in seinem ha?lichen karierten Anzug zusammen und war plotzlich ganz klein und bescheiden. »Da ist nichts zu machen«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie ist bockig wie eine alte Ziege.«

Frau Sjoblom stand mit dem Rucken zu ihnen, jetzt aber drehte sie sich um. »Ja, das ist sie. Und horen tut sie auch ganz gut!«

»Nur nicht, wenn das Radio an ist«, sagte Tjorven.

Pelle aber lag in Melchers Vaterarmen, ganz fest an dessen Herz gedruckt.

»Pelle, mein kleiner Bengel, was hast du gemacht, was hast du nur gemacht?«

»Ich hab Tante Sjoblom eine kleine Anzahlung gegeben«, sagte Pelle. »Damit es auch ganz sicher ist. Und eine Quittung hab ich auch dafur bekommen.«

»Ja, tatsachlich, ich habe ein Handgeld bekommen«, sagte Frau Sjoblom. »Hier, schauen Sie her!«

Sie hatte ein glanzendes Kronenstuck zwischen den Fingern.

»Herr Karlberg, wei?t du was«, sagte Tjorven. »Eine ganze Krone ist eigentlich zuviel fur einen doppelten Halben Schlag, aber trotzdem danke ich vielmals!«

Da ging Herr Karlberg. Er schritt zur Tur hinaus, ohne sich nach irgend jemandem umzusehen, und Mattsson wankte hinter ihm her. »Schon«, sagte Tjorven. Und das fanden sie alle.

Johann ging zu Pelle hin und streichelte ihn.

»Und dabei hat Papa gesagt, dies ware nichts fur kleine Kinder. Du bist ein prima Kerl, Pelle!«

»Eins mu? ich Sie fragen, Frau Sjoblom, bevor wir auseinandergehen«, sagte Melcher.

Sie sa?en in ihrer Kuche, und sie hatte noch mehr Butterbrote gemacht. Die besten Butterbrote ihres Lebens, versicherten sowohl Melcher als auch Johann und Niklas. Kam es daher, weil sie seit dem Morgen nichts gegessen hatten oder weil alles plotzlich eine einzige gro?e Seligkeit war, so da? auch die Butterbrote einen himmlischen Glanz erhielten und einen himmlischen Geschmack?

»Was wollten Sie fragen?« sagte Frau Sjoblom.

Melcher sah sie neugierig an.

»Schreinerhaus, weshalb hei?t es so?«

»Mein Mann war Schreiner. Haben Sie das nicht gewu?t?«

O ja, Himmel, dachte Melcher. Was wei? ich nicht alles! Laut sagte er: »Schreinerhaus – ja, naturlich. Und da sind Sie 1908 eingezogen?«

»1907«, sagte Frau Sjoblom.

Melcher sah sie uberrascht an.

»Sind Sie sicher, da? es nicht 1908 war?«

Da lachte Frau Sjoblom.

»Ich mu? doch schlie?lich wissen, wann ich geheiratet habe!«

Na ja, ein Jahr fruher oder spater, dachte Melcher, und dann sagte er: »Darf ich noch etwas fragen? Ihr Mann, wie war er – war er ein frohlicher Mensch oder …?«

»Und ob er das war«, sagte Frau Sjoblom. »Er war der frohlichste Mensch, den ich je gekannt habe. Das hei?t, wenn er nicht bose war. Das war er namlich auch manchmal. Genau wie wir alle.«

An diesem Abend schrieb Malin in ihr Tagebuch:

Manchmal ist es so, als ob das Leben einen seiner Tage herausgriffe und sagte: ›Dir will ich alles schenken! Du sollst solch ein rosenroter Tag werden, der im Gedachtnis leuchtet, wenn alle anderen vergessen sind.‹ Dies ist so ein Tag. Nicht fur alle Menschen naturlich. Viele, viele weinen gerade jetzt und werden sich an diesen Tag mit Verzweiflung erinnern. Es ist seltsam, wenn man sich das vorstellt. Aber fur uns, fur Melchersons im Schreinerhaus auf Saltkrokan, ist es ein Tag, so uberschaumend voll von Lust und Freude und Glanz und Gluck, da? ich nicht wei?, was wir anstellen sollen.

Melcher wu?te das auch nicht. Er sa? auf einem Felsen druben an der Landzunge und hielt die Fu?e ins Wasser, um seine Blasen zu kuhlen. Und er angelte. Pelle und Tjorven sa?en daneben und schauten zu. Pelle hatte Jumjum auf den Knien, und Tjorven hatte Bootsmann ganz dicht neben sich.

»Du hast nicht den richtigen Ruck, Herr Melcher«, sagte Tjorven. »Auf diese Weise kriegst du doch keinen Fisch.«

»Ich will keinen Fisch haben«, sagte Melcher traumerisch.

»Weshalb sitzt du dann hier?« fragte Tjorven.

Und Melcher deklamierte mit derselben traumerischen Stimme ein Gedicht:

»Die Abendsonne sank,

er sah in ihren goldnen Glanz …«

Ja, das tat er. Er wollte alles sehen, die Sonne, die auf dem blanken Wasser gluhte, die wei?en Mowen, die grauen Felsen und die Bootsschuppen jenseits des Sundes, die sich so deutlich spiegelten, alles, was ihm lieb war, wollte er sehen.

Am liebsten wollte er die Hand ausstrecken und alles streicheln.

»Ich glaube, ich bleibe die ganze Nacht hier sitzen«, sagte Melcher. »Bis die Sonne wieder aufgeht. Und

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