bescheren.«
»Ruhe fur alle Zeiten?« – »Hore mich ganz an. Heinrichs Vater, Prinz Paul, schreibt eben an mich. Er hofft zwar nicht, da? ich meine Einwilligung zu diesem Bunde geben wurde, bittet mich aber doch im Namen seines Sohnes, um deine Hand und erklart dessen aufrichtigste, innigste Liebe zu dir.«
»O, mein Gott! mein Gott! wie glucklich hatte ich werden konnen!« rief Marienblume, das Gesicht in beiden Handen bergend. – »Mut, meine Tochter,« antwortete Rudolf. »Wenn du nur willst, kann dieses Gluck dir immer noch werden.« – »Niemals! Haben Sie denn vergessen –?« – »Nichts habe ich vergessen. Wenn du morgen ins Kloster gehst, so verliere ich dich nicht nur auf immer, sondern auch du beginnst ein Leben voll Tranen und Trauer. Nun. wenn ich dich verlieren soll, so la? mich dich wenigstens glucklich verbunden sehen mit dem Manne, den du liebst und der dich vergottert!«
»Mit ihm vermahlt – ich mit ihm, Vater?« – »Ja, doch unter der Bedingung, da? ihr beide gleich nach der Trauung, die nur unter Murphs und Baron Grauns Zeugenschaft geschlossen werden soll, nach Italien abreist, um dort in einem stillen, abgelegenen Orte als Privatleute zu leben. Und wei?t du, mein Kind, warum ich mich entschlie?e, dich von mir zu geben, warum ich verlange, da? Heinrich Rang und Titel mit seinem Weggang von Deutschland ablegen soll? Weil ich uberzeugt bin, bei stillem, schmucklosem Leben wirst du mit der Zeit die verha?te Vergangenheit vergessen konnen, die dir deshalb so schmerzlich ist, weil sie zu den Huldigungen und der Pracht, die dich hier umgeben, in so grellem Kontrast steht. »
»Rudolf hat recht,« sagte Clemence. »Wenn Sie mit Heinrich und Ihrem Gluck allein sind, mein Kind, werden Sie bald nicht mehr an Ihre fruheren Leiden zuruckdenken.« – »Und da es unmoglich sein wird, lange ohne dich zu leben, mein Kind, so werden Clemence und ich dich alljahrlich einmal besuchen.«
»Und wenn eines Tages, armes Kind, die Wunden, an denen Sie so leiden, vernarbt sind, wenn Sie im Gluck Vergessenheit gefunden haben –« – »Vergessenheit im Gluck?« murmelte Marienblume, wie in Traumen versunken. – »Gewi?, mein Kind,« fuhr Clemence fort, »wenn Sie taglich allein sind mit dem Manne, der sie segnet, anbetet und liebt – da werden Sie keine Zeit mehr haben, an die Vergangenheit zu denken – und selbst wenn Sie ihrer noch einmal gedenken, wie konnten Sie sich dadurch dann noch betruben lassen? wie konnten Sie dann noch an Ihrem und Ihres Gatten Gluck zweifeln?« –
»Vater, Mutter!« rief Marienblume. »Mir sollte noch ein solches Gluck beschieden sein?« – »Ja, mein geliebter Engel, und dann werden wir alle glucklich sein – und ich werde Heinrichs Vater gleich schreiben, da? ich in die Heirat willige,« sagte Rudolf und druckte Marienblume in unsaglicher Ruhrung an die Brust. »Beruhige dich, unsere Trennung wird nur zeitweilig sein. Die Ehe wird neue Pflichten fur dich bringen, die deine Gedanken ablenken, und wenn du dann erst Mutter bist –«
»Ach!« rief Marienblume mit einem Schrei des Schmerzes. »Ich – Mutter? Nimmermehr! Ich bin dieses heiligen Namens unwert – ich mu?te mich vor meinem Kinde zu Tode schamen, wenn es mich einmal nach meiner Jugend» Zeit fragte!« – »Was sagt sie?« rief Rudolf, besturzt uber diesen plotzlichen Ruckfall in die kaum uberwundene Verzweiflung. – »Ich – Mutter?« fuhr Marienblume fort, »ich – geliebt von einem reinen, unschuldigen Kindlein? Ich, die ich sonst verachtet war, sollte den keuschen Namen einer Mutter in den Schmutz ziehen? Elende Torin, die ich war, mich in solche Hoffnungen wiegen zu lassen!«
»Um Gottes willen, meine Tochter, so hore mich doch!«
Doch bleich und schon, in aller Majestat eines unheilbaren Jammers, richtete Marienblume sich auf und sprach: »Mein Vater, vergessen Sie nicht, da? Prinz Heinrich vor unserer Vermahlung uber meine ganze Vergangenheit aufgeklart werden mu?te.« – »Das habe ich auch nicht vergessen,« antwortete Rudolf, »er soll alles erfahren. Aber er wird auch erfahren, welches Verhangnis dich schuldlos in den Abgrund ri? – er wird auch erfahren, wie heldenhaft du selber dich in deiner niedrigen Lage erhoben hast!«
»Und er wird fuhlen,« setzte Clemence hinzu, indem sie Marienblume zartlich in die Arme schlo?, »da?, wenn ich Sie mit Stolz meine Tochter nenne, er Sie, ohne zu erroten, seine Gattin nennen darf!« –
»Und ich, meine Mutter,« antwortete Marienblume gefa?t, »liebe Prinz Heinrich viel zu sehr, als da? ich ihm eine Hand geben konnte, die die schmutzigsten Banditen von Paris beruhren durften.«
Wenige Tage nach dieser schmerzlichen Szene war in der Amtszeitung von Gerolstein zu lesen:
»Gestern fand in der gro?herzoglichen Abtei von Sankt-Hermangild, in Gegenwart Seiner koniglichen Hoheit des regierenden Gro?herzogs und des gesamten Hofes die feierliche Einkleidung Ihrer Hoheit der Prinzessin Amalie statt.
Das Gelubde des Noviziats wurde von den folgenden Herren: Karl Maximus, Erzbischof von Oppenheim, Hannibal Andreas, Fursten von Delft, Bischof von Ceuta und apostolischem Nuntius entgegengenommen. Die Novize empfing den papstlichen Segen.
Die Predigt hielt der ehrwurdige Reichsgraf, Peter von Asfeld, Domherr des Kapitels zu Koln. Er sprach uber die Worte:
»Veni creator optime[Ich bin zu Dir gekommen [richtig: Komme], teuerster Schopfer]«
Viertes Kapitel.
Das Gelubde
Rudolf an Clemence.
Gerolstein, am 18. Januar 1842.
Du beruhigst mich heute uber den Gesundheitszustand Deines Vaters, meine Teuere, und la?t mich hoffen, da? Du Ende dieser Woche mit ihm hierherkommen wirst. Ich hatte ihm gleich gesagt, in dem, mitten im Walde gelegnen Schlosse Rosenberg wurde er den Unbilden unsers rauhen Winters ausgesetzt sein. Allein seine Leidenschaft fur die Jagd machte ihn taub gegen meine Vorstellungen. Ich bitte Dich, Clemence, verla? mit Deinem Vater, sobald es sein Zustand erlaubt, diese wilde Gegend, in der es nur die abgeharteten, aber nun ausgestorbnen Germanen der Urzeit aushalten konnten.
Ich furchte, Du konntest auch krank werden. Die Strapazen der schnellen Reise, die Besorgnisse, die Dich bedruckten, bis Du Deinen Vater erreichtest, all dies mu? Dich sehr mitgenommen haben. Aber weshalb durfte ich Dich, nicht begleiten!
Clemence, sei nicht unbesonnen! Ich wei?, Du liebst Deinen Vater sehr und tust alles fur ihn. Aber denke auch an mich! Ich wurde verzweifeln, wenn bei dieser Reise Deine Gesundheit aufs Spiel gesetzt wurde. Ich bedauere doppelt, da? Dein Vater leidend ist, weil seine Krankheit Dich notigt, mich zu einer Zeit zu verlassen, wo Deine Zartlichkeit mir Trost gebracht hatte.
Die feierliche Ablegung des Ordensgelubdes, die uns unser Kind fur immer entziehen soll, ist auf morgen, den dreizehnten Januar, festgesetzt. Fur mich ein Verhangnis-' voller Tag! Am dreizehnten Januar habe ich den Degen wider meinen Vater gezogen.
O, meine Teuerste, zu fruhe glaubte ich, mir sei verziehen. Ueber der su?en Hoffnung, mit Dir und meiner Tochter zusammen zu leben, hatte ich vergessen, da? bisher nur dieses arme Wesen gestraft worden war, da? meine Zuchtigung noch bevorstunde.
Und nun ist sie gekommen. Heute ist es ein halbes Jahr her, da? die ungluckliche Amalie uns die doppelte Qual ihrer Seele bekannte – ihren unheilbaren Gram uber die Vergangenheit– ihre ungluckliche Liebe zu Heinrich.
Diese zwei bittern Empfindungen, eine durch die andere noch gesteigert, mu?ten sie zu dem unerschutterlichen Entschlusse fuhren, den Schleier zu nehmen. Du wei?t, meine Teure, trotzdem wir mit aller Kraft unserer Liebe ihr diesen Vorsatz auszureden versuchten, konnten wir uns doch nicht verhehlen, da? wir in ihrer Lage ebenso wurdig, mutig gehandelt hatten. Was konnte man auch auf die schrecklichen Worte erwidern:
»Ich liebe Prinz Heinrich zu sehr, um ihm eine Hand zu reichen, die die schmutzigsten Banditen von Paris beruhren durften!«
Sie hat der unausloschlichen Erinnerung an ihre Schmach ihre Liebe zur Suhne gebracht – sie hat dem Glanze dieser Erde entsagt, ist von den Stufen des Thrones herabgestiegen, um im Bu?erhemd auf dem kalten Marmorpflaster einer Kirche zu knien, sie hat ihr Engelskopfchen zur Erde geneigt, und ihr schones blondes Haar, das ich so sehr liebte, ist unter der Schere gefallen.
Heute morgen habe ich sie wiedergesehen, sie kam mir nicht mehr so bla? vor, und trotzdem sie versichert,