Die Bedingungen Gottes.»Gott selber kann nicht ohne weise Menschen bestehen«— hat Luther gesagt und mit gutem Rechte; aber» Gott kann noch weniger ohne unweise Menschen bestehen«— das hat der gute Luther nicht gesagt!
Ein gefahrlicher Entschluss. — Der christliche Entschluss, die Welt hasslich und schlecht zu finden, hat die Welt hasslich und schlecht gemacht.
Christenthum und Selbstmord. — Das Christenthum hat das zur Zeit seiner Entstehung ungeheure Verlangen nach dem Selbstmorde zu einem Hebel seiner Macht gemacht: es liess nur zwei Formen des Selbstmordes ubrig, umkleidete sie mit der hochsten Wurde und den hochsten Hoffnungen und verbot alle anderen auf eine furchtbare Weise. Aber das Martyrium und die langsame Selbstentleibung des Asketen waren erlaubt.
Gegen das Christenthum. — Jetzt entscheidet unser Geschmack gegen das Christenthum, nicht mehr unsere Grunde.
Grundsatz. — Eine unvermeidliche Hypothese, auf welche die Menschheit immer wieder verfallen muss, ist auf die Dauer doch machtiger, als der bestgeglaubte Glaube an etwas Unwahres (gleich dem christlichen Glauben). Auf die Dauer: das heisst hier auf hunderttausend Jahre hin.
Die Pessimisten als Opfer. — Wo eine tiefe Unlust am Dasein uberhand nimmt, kommen die Nachwirkungen eines grossen Diatfehlers, dessen sich ein Volk lange schuldig gemacht hat, an's Licht. So ist die Verbreitung des Buddhismus (nicht seine Entstehung) zu einem guten Theile abhangig von der ubermassigen und fast ausschliesslichen Reiskost der Inder und der dadurch bedingten allgemeinen Erschlaffung. Vielleicht ist die europaische Unzufriedenheit der neuen Zeit daraufhin anzusehen, dass unsere Vorwelt, das ganze Mittelalter, Dank den Einwirkungen der germanischen Neigungen auf Europa, dem Trunk ergeben war: Mittelalter, das heisst die Alkoholvergiftung Europa's. — Die deutsche Unlust am Leben ist wesentlich Wintersiechthum, eingerechnet die Wirkungen der Kellerluft und des Ofengiftes in deutschen Wohnraumen.
Herkunft der Sunde. — Sunde, so wie sie jetzt uberall empfunden wird, wo das Christenthum herrscht oder einmal geherrscht hat: Sunde ist ein judisches Gefuhl und eine judische Erfindung, und in Hinsicht auf diesen Hintergrund aller christlichen Moralitat war in der That das Christenthum darauf aus, die ganze Welt zu» verjudeln«. Bis zu welchem Grade ihm diess in Europa gelungen ist, das spurt man am feinsten an dem Grade von Fremdheit, den das griechische Alterthum — eine Welt ohne Sundengefuhle — immer noch fur unsere Empfindung hat, trotz allem guten Willen zur Annaherung und Einverleibung, an dem es ganze Geschlechter und viele ausgezeichnete Einzelne nicht haben fehlen lassen.»Nur wenn du bereuest, ist Gott dir gnadig«— das ist einem Griechen ein Gelachter und ein Aergerniss: er wurde sagen» so mogen Sclaven empfinden«. Hier ist ein Machtiger, Uebermachtiger und doch Rachelustiger vorausgesetzt: seine Macht ist so gross, dass ihm ein Schaden uberhaupt nicht zugefugt werden kann, ausser in dem Puncte der Ehre. Jede Sunde ist eine Respects-Verletzung, ein crimen laesae majestatis divinae — und Nichts weiter! Zerknirschung, Entwurdigung, Sich-im-Staube-walzen — das ist die erste und letzte Bedingung, an die seine Gnade sich knupft: Wiederherstellung also seiner gottlichen Ehre! Ob mit der Sunde sonst Schaden gestiftet wird, ob ein tiefes wachsendes Unheil mit ihr gepflanzt ist, das einen Menschen nach dem andern wie eine Krankheit fasst und wurgt — das lasst diesen ehrsuchtigen Orientalen im Himmel unbekummert: Sunde ist ein Vergehen an ihm, nicht an der Menschheit! — wem er seine Gnade geschenkt hat, dem schenkt er auch diese Unbekummertheit um die naturlichen Folgen der Sunde. Gott und Menschheit sind hier so getrennt, so entgegengesetzt gedacht, dass im Grunde an letzterer uberhaupt nicht gesundigt werden kann, — jede That soll nur auf ihre ubernaturlichen Folgen hin angesehen werden: nicht auf ihre naturlichen: so will es das judische Gefuhl, dem alles Naturliche das Unwurdige an sich ist. Den Griechen dagegen lag der Gedanke naher, dass auch der Frevel Wurde haben konne — selbst der Diebstahl, wie bei Prometheus, selbst die Abschlachtung von Vieh als Aeusserung eines wahnsinnigen Neides, wie bei Ajax: sie haben in ihrem Bedurfniss, dem Frevel Wurde anzudichten und einzuverleiben, die Tragodie erfunden, — eine Kunst und eine Lust, die dem Juden, trotz aller seiner dichterischen Begabung und Neigung zum Erhabenen, im tiefsten Wesen fremd geblieben ist.
Das auserwahlte Volk. — Die Juden, die sich als das auserwahlte Volk unter den Volkern fuhlen, und zwar weil sie das moralische Genie unter den Volkern sind (vermoge der Fahigkeit, dass sie den Menschen in sich tiefer verachtet haben, als irgend ein Volk) — die Juden haben an ihrem gottlichen Monarchen und Heiligen einen ahnlichen Genuss wie der war, welchen der franzosische Adel an Ludwig dem Vierzehnten hatte. Dieser Adel hatte sich alle seine Macht und Selbstherrlichkeit nehmen lassen und war verachtlich geworden: um diess nicht zu fuhlen, um diess vergessen zu konnen, bedurfte es eines koniglichen Glanzes, einer koniglichen Autoritat und Machtfulle ohne Gleichen, zu der nur dem Adel der Zugang offen stand. Indem man gemass diesem Vorrecht sich zur Hohe des Hofes erhob und von da aus blickend Alles unter sich, Alles verachtlich sah, kam man uber alle Reizbarkeit des Gewissens hinaus. So thurmte man absichtlich den Thurm der koniglichen Macht immer mehr in die Wolken hinein und setzte die letzten Bausteine der eigenen Macht daran.
Im Gleichniss gesprochen. — Ein Jesus Christus war nur in einer judischen Landschaft moglich — ich meine in einer solchen, uber der fortwahrend die dustere und erhabene Gewitterwolke