Die Ruhesuchenden. — Ich erkenne die Geister, welche Ruhe suchen, an den vielen dunklen Gegenstanden, welche sie um sich aufstellen: wer schlafen will, macht sein Zimmer dunkel oder kriecht in eine Hohle. — Ein Wink fur Die, welche nicht wissen, was sie eigentlich am meisten suchen, und es wissen mochten!
Vom Glucke der Entsagenden. — Wer sich Etwas grundlich und auf lange Zeit hin versagt, wird, bei einem zufalligen Wiederantreffen desselben, fast vermeinen, es entdeckt zu haben, — und welches Gluck hat jeder Entdecker! Seien wir kluger, als die Schlangen, welche zu lange in der selben Sonne liegen.
Immer in unserer Gesellschaft. — Alles, was meiner Art ist, in Natur und Geschichte, redet zu mir, lobt mich, treibt mich vorwarts, trostet mich —: das Andere hore ich nicht oder vergesse es gleich. Wir sind stets nur in unserer Gesellschaft.
Misanthropie und Liebe. — Man spricht nur dann davon, dass man der Menschen satt sei, wenn man sie nicht mehr verdauen kann und doch noch den Magen voll davon hat. Misanthropie ist die Folge einer allzubegehrlichen Menschenliebe und» Menschenfresserei«, — aber, wer hiess dich auch Menschen zu verschlucken wie Austern, mein Prinz Hamlet?
Von einem Kranken. — »Es steht schlecht um ihn!«— Woran fehlt es? — »Er leidet an der Begierde, gelobt zu werden, und findet keine Nahrung fur sie.«— Unbegreiflich! Alle Welt feiert ihn, und man tragt ihn nicht nur auf den Handen, sondern auch auf den Lippen! — »Ja, aber er hat ein schlechtes Gehor fur das Lob. Lobt ihn ein Freund, so klingt es ihm, als ob dieser sich selber lobe; lobt ihn ein Feind, so klingt es ihm, als ob dieser dafur gelobt werden wolle; lobt ihn endlich einer der Uebrigen — es sind gar nicht so Viele ubrig, so beruhmt ist er! — so beleidigt es ihn, dass man ihn nicht zum Freund oder Feind haben wolle; er pflegt zu sagen: Was liegt mir an Einem, der gar noch gegen mich den Gerechten zu spielen vermag!»
Offene Feinde. — Die Tapferkeit vor dem Feinde ist ein Ding fur sich: damit kann man immer noch ein Feigling und ein unentschlossener Wirrkopf sein. So urtheilte Napoleon in Hinsicht auf den» tapfersten Menschen«, der ihm bekannt sei, Murat: — woraus sich ergiebt, dass offene Feinde fur manche Menschen unentbehrlich sind, falls sie sich zu ihrer Tugend, ihrer Mannlichkeit und Heiterkeit erheben sollen.
Mit der Menge. — Er lauft bisher mit der Menge und ist ihr Lobredner: aber eines Tages wird er ihr Gegner sein! Denn er folgt ihr im Glauben, dass seine Faulheit dabei ihre Rechnung fande: er hat noch nicht erfahren, dass die Menge nicht faul genug fur ihn ist! dass sie immer vorwarts drangt! dass sie Niemandem erlaubt, stehen zu bleiben! — Und er bleibt so gern stehen!
Ruhm. — Wenn die Dankbarkeit Vieler gegen Einen alle Scham wegwirft, so entsteht der Ruhm.
Der Geschmacks-Verderber. — A.:»Du bist ein Geschmacks-Verderber, — so sagt man uberall!»
B.:»Sicherlich! Ich verderbe Jedermann den Geschmack an seiner Partei: — das verzeiht mir keine Partei.»
Tief sein und tief scheinen. — Wer sich tief weiss, bemuht sich um Klarheit; wer der Menge tief scheinen mochte, bemuht sich um Dunkelheit. Denn die Menge halt Alles fur tief, dessen Grund sie nicht sehen kann: sie ist so furchtsam und geht so ungern in's Wasser.
Abseits. — Der Parlamentarismus, das heisst die offentliche Erlaubniss, zwischen funf politischen Grundmeinungen wahlen zu durfen, schmeichelt sich bei jenen Vielen ein, welche gerne selbstandig und individuell scheinen und fur ihre Meinungen kampfen mochten. Zuletzt aber ist es gleichgultig, ob der Heerde Eine Meinung befohlen oder funf Meinungen gestattet sind. — Wer von den funf offentlichen Meinungen abweicht und bei Seite tritt, hat immer die ganze Heerde gegen sich.