175

Von der Beredtsamkeit. — Wer besass bis jetzt die uberzeugendste Beredtsamkeit? Der Trommelwirbel: und so lange die Konige diesen in der Gewalt haben, sind sie immer noch die besten Redner und Volksaufwiegler.

176

Mitleiden. — Die armen regierenden Fursten! Alle ihre Rechte verwandeln sich jetzt unversehens in Anspruche, und all diese Anspruche klingen bald wie Anmaassungen! Und wenn sie nur» Wir «sagen oder» mein Volk«, so lachelt schon das alte boshafte Europa. Wahrhaftig, ein Oberceremonienmeister der modernen Welt wurde wenig Ceremonien mit ihnen machen; vielleicht wurde er decretiren:»les souverains rangent aux parvenus».

177

Zum Erziehungswesen. — In Deutschland fehlt dem hoheren Menschen ein grosses Erziehungsmittel: das Gelachter hoherer Menschen; diese lachen nicht in Deutschland.

178

Zur moralischen Aufklarung. — Man muss den Deutschen ihren Mephistopheles ausreden: und ihren Faust dazu. Es sind zwei moralische Vorurtheile gegen den Werth der Erkenntniss.

179

Gedanken. — Gedanken sind die Schatten unserer Empfindungen, — immer dunkler, leerer, einfacher, als diese.

180

Die gute Zeit der freien Geister. — Die freien Geister nehmen sich auch vor der Wissenschaft noch ihre Freiheiten — und einstweilen giebt man sie ihnen auch, — so lange die Kirche noch steht! — In so fern haben sie jetzt ihre gute Zeit.

181

Folgen und Vorangehen. — A.:»Von den Beiden wird der Eine immer folgen, der Andere immer vorangehen, wohin sie auch das Schicksal fuhrt. Und doch steht der Erstere uber dem Anderen, nach seiner Tugend und seinem Geiste!«B.:»Und doch? Und doch? Das ist fur die Anderen geredet; nicht fur mich, nicht fur uns! — Fit secundum regulam.»

182

In der Einsamkeit. — Wenn man allein lebt, so spricht man nicht zu laut, man schreibt auch nicht zu laut: denn man furchtet den hohlen Widerhall — die Kritik der Nymphe Echo. — Und alle Stimmen klingen anders in der Einsamkeit!

183

Die Musik der besten Zukunft. — Der erste Musiker wurde mir der sein, welcher nur die Traurigkeit des tiefsten Gluckes kennte, und sonst keine Traurigkeit: einen solchen gab es bisher nicht.

184

Justiz. — Lieber sich bestehlen lassen, als Vogelscheuchen um sich haben — das ist mein Geschmack. Und es ist unter allen Umstanden eine Sache des Geschmackes — und nicht mehr!

185

Arm. — Er ist heute arm: aber nicht weil man ihm Alles genommen, sondern weil er Alles weggeworfen hat: — was macht es ihm? Er ist daran gewohnt, zu finden. — Die Armen sind es, welche seine freiwillige Armuth missverstehen.

186

Schlechtes Gewissen. — Alles, was er jetzt thut, ist brav und ordentlich — und doch hat er ein schlechtes Gewissen dabei. Denn das Ausserordentliche ist seine Aufgabe.

187

Das Beleidigende im Vortrage. — Dieser Kunstler beleidigt mich durch die Art, wie er seine Einfalle, seine sehr guten Einfalle vortragt: so breit und nachdrucklich, und mit so groben Kunstgriffen der Ueberredung, als ob er zum Pobel sprache. Wir sind immer nach einiger Zeit, die wir seiner Kunst schenkten, wie»

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