214

Der Glaube macht selig. Die Tugend giebt nur Denen Gluck und eine Art Seligkeit, welche den guten Glauben an ihre Tugend haben: — nicht aber jenen feineren Seelen, deren Tugend im tiefen Misstrauen gegen sich und alle Tugend besteht. Zuletzt macht also auch hier» der Glaube selig!«— und wohlgemerkt, nicht die Tugend!

215

Ideal und Stoff. — Du hast da ein vornehmes Ideal vor Augen: aber bist du auch ein so vornehmer Stein, dass aus dir solch ein Gotterbild gebildet werden durfte? Und ohne diess — ist all deine Arbeit nicht eine barbarische Bildhauerei? Eine Lasterung deines Ideals?

216

Gefahr in der Stimme. — Mit einer sehr lauten Stimme im Halse, ist man fast ausser Stande, feine Sachen zu denken.

217

Ursache und Wirkung. — Vor der Wirkung glaubt man an andere Ursachen, als nach der Wirkung.

218

Meine Antipathie. — Ich liebe die Menschen nicht, welche, um uberhaupt Wirkung zu thun, zerplatzen mussen, gleich Bomben, und in deren Nahe man immer in Gefahr ist, plotzlich das Gehor — oder noch mehr zu verlieren.

219

Zweck der Strafe. — Die Strafe hat den Zweck, Den zu bessern, welcher straft, — das ist die letzte Zuflucht fur die Vertheidiger der Strafe.

220

Opfer. — Ueber Opfer und Aufopferung denken die Opferthiere anders, als die Zuschauer: aber man hat sie von jeher nicht zu Worte kommen lassen.

221

Schonung. — Vater und Sohne schonen sich viel mehr unter einander, als Mutter und Tochter.

222

Dichter und Lugner. — Der Dichter sieht in dem Lugner seinen Milchbruder, dem er die Milch weggetrunken hat; so ist Jener elend geblieben und hat es nicht einmal bis zum guten Gewissen gebracht.

223

Vicariat der Sinne. — »Man hat auch die Augen um zu horen — sagte ein alter Beichtvater, der taub wurde; und unter den Blinden ist Der Konig, wer die langsten Ohren hat.»

224

Kritik der Thiere. — Ich furchte, die Thiere betrachten den Menschen als ein Wesen Ihresgleichen, das in hochst gefahrlicher Weise den gesunden Thierverstand verloren hat, — als das wahnwitzige Thier, als das lachende Thier, als das weinende Thier, als das ungluckselige Thier.

225

Die Naturlichen. — »Das Bose hat immer den grossen Effect fur sich gehabt! Und die Natur ist bose! Seien wir also naturlich!«— so schliessen im Geheimen die grossen Effecthascher der Menschheit, welche man gar zu oft unter die grossen Menschen gerechnet hat.

226

Die Misstrauischen und der Stil. — Wir sagen die starksten Dinge schlicht, vorausgesetzt, dass Menschen um uns sind, die an unsere Starke glauben: — eine solche Umgebung erzieht zur» Einfachheit des Stils«. Die Misstrauischen reden emphatisch; die Misstrauischen machen emphatisch.

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