Es wuchsen dort riesige Baume mit festen wei?en Stammen, wie sie sonst im Reich nirgends mehr erhalten waren. Auch nicht im Herzogtum Irukan und schon gar nicht in der Handelsrepublik Soan, wo man schon langst den gesamten Waldbestand fur den Schiffbau abgeholzt hatte. Man erzahlte sich zwar, da? es noch viele solche Walder hinter den Roten Bergen, im Land der Barbaren, gebe, aber was erzahlt man sich nicht alles vom Land der Barbaren …

Durch den Wald hatte man vor ungefahr zweihundert Jahren einen Weg geschlagen. Dieser Weg fuhrte zu den Silbergruben und gehorte nach dem Lehensrecht dem Geschlecht der Barone von Pampa, den Nachfahren eines der Mitkampfer von Marschall Totz. Nach diesem Lehensrecht hatten die Barone Pampa den arkanarischen Konigen jahrlich zwolf Pud reinen Silbers zahlen sollen, und daher sammelte jeder neue Konig, sobald er den Thron bestieg, eine Armee und zog damit gegen das Schlo? Bau, wo die Barone hausten. Die Mauern des Schlosses waren fest, die Barone tapfer, und so kam jeder Feldzug den Konig auf drei?ig Pud reinen Silbers zu stehen. Nach der Ruckkehr ihrer zerschlagenen Armee bekraftigten die arkanarischen Konige immer wieder das Recht der Barone Pampa und noch zusatzlich andere Privilegien, wie zum Beispiel: an der koniglichen Tafel in der Nase bohren, im Westen von Arkanar jagen und schlie?lich die Prinzen geradeheraus beim Vornamen nennen zu durfen, ohne Hinzufugung von Rang und Titel. Der Schluckaufwald war voller dunkler Geheimnisse. Am Tag rollten auf dem Weg Fuhren mit angereichertem Erz nach dem Suden. Aber nachts war der Weg leer, denn es erdreisteten sich wenige, dort beim Sternenlicht spazierenzugehen. Man erzahlte sich, da? des Nachts vom Hohen Baum der Vogel Sin schreit, den noch nie jemand sah und den man auch nicht sehen kann, weil es namlich kein gewohnlicher Vogel ist. Man erzahlte sich, da? gro?e zottige Spinnen von den Asten herab und auf den Hals der Pferde springen und ihnen augenblicklich das Blut aussaugen. Man erzahlte sich, da? in diesem Wald der ungeheuerliche Urzeitdrachen Pech herumstreift, der mit riesigen Schuppen bedeckt ist, alle zwolf Jahre ein Junges wirft und zwolf Schwanze hinter sich herzieht, aus denen heftiger Schwei? ausstromt. Und irgend jemand sah angeblich mit eigenen Augen, wie am hellichten Tag die vom heiligen Micky verfluchte nackte Wildsau Y sich stohnend uber den Weg schleppte – ein rei?endes Untier, unverwundbar durch Eisen, aber leicht mit einem Knochen zu durchbohren.

Hier konnte man den fluchtigen Sklaven treffen, den mit den pechschwarzen Tatowierungen zwischen den Schulterblattern. Er war dumm und schonungslos wie die zottigen blutsaugenden Spinnen. Oder auch den durch drei Tode verstummelten Zauberer, der geheimnisvolle Pilze sammelt fur seine Zaubertranke, mit deren Hilfe man sich unsichtbar machen, sich in verschiedene Tiere verwandeln oder auch einen zweiten Schatten erwerben kann. Auch trieben sich dort neben dem nachtlichen Weg die Mannen des Rauberhauptmanns Waga Koleso herum. Und auch gefluchtete Zwangsarbeiter von den Silberminen mit schwarzen Handen und wei?en durchscheinenden Gesichtern. Die Giftmischer versammelten sich hier zu ihren nachtlichen Sitzungen, und die frechen Jager der Barone von Pampa brieten in den Lichtungen ihre gestohlenen Buffel uber offenem Feuer – sie wurden im Ganzen auf den Drehspie? gesteckt. Dort, wo das Unterholz und das Gestrupp am dichtesten waren, stand unter einem riesigen Baum, der vor hohem Alter ganz von Runzeln und Rissen durchfurcht war, eine windschiefe Holzhutte. Ein schwarzgewordener Palisadenzaun umgab sie. Sie stand hier schon seit undenklichen Zeiten, ihre Tur war immer verschlossen, an der angefaulten Holztreppe lehnten Gotzenbilder, aus ganzen Stammen gehauen. Diese Hutte nun war die aller-, allergefahrlichste Stelle im ganzen Schluckaufwald. Man erzahlte sich, da? genau hierher einmal in zwolf Jahren der alte Pech komme, um seinen Nachfolger zu gebaren, und dann, so sagt man, kriecht er unter ebendiese Hutte, um zu krepieren, so da? das ganze Fundament der Hutte mit schwarzem Gift verpestet ist. Wenn aber das Gift einmal nach au?en dringt, dann wird das das Ende aller Dinge sein. Man erzahlt sich auch, da? in unreinen Nachten die Gotzenbilder sich selbst aus der Erde graben, zum Weg hingehen und dort geheimnisvolle Zeichen geben. Und dann erzahlt man sich noch, da? zu Zeiten in den toten Fenstern ein hollisches Licht aufleuchtet, dumpfe Laute aus der Hutte ertonen und der Rauch aus dem Schornstein bis zum Himmel aufsteigt.

Unlangst kam an einem Abend der Dorftrottel Kukisch aus dem Flecken »Wohlgestank« (oder im Volksmund auch »Pestflecken« genannt) in seiner Blodheit zufallig zu der Hutte und stierte in ein Fenster. Nach Hause kam er dann vollstandig verblodet, und nachdem er doch ein wenig zu sich gekommen war, erzahlte er, in der Hutte sei grelles Licht gewesen und an einem Tisch aus rohem Holz habe ein Mann mit den Fu?en auf der Bank gesessen und aus einem Fa? getrunken, das er mit einer Hand hochgehalten habe. Sein Gesicht hing ihm beinahe bis zum Gurtel herab und war voller Pockennarben. Und das war naturlich der heilige Micky hochstpersonlich, und zwar vor seiner Bekehrung: Ein Weiberheld, Saufer und Gotteslasterer. Ihn anzusehen war nur moglich, wenn man ohne alle Furcht war. Aus dem Fenster sei ein su?er, schwermutiger Geruch gedrungen und uber die Baume ringsum seien Schatten gehuscht. Um der Geschichte des Bloden zu lauschen, kamen die Leute aus der ganzen Umgebung herbei. Die Sache endete schlie?lich damit, da? die Grauen Sturmowiki erschienen, ihm die Ellbogen bis zur Schulter verdrehten und ihn zum Teufel jagten. Trotzdem wollten naturlich die Geruchte uber die dustere Hutte nicht verstummen, und man nannte sie kunftig nicht anders als das »Besoffene Barenquartier«.

Als er sich durch die Wucherungen eines gigantischen Farnkrauts den Weg gebahnt hatte, eilte Rumata zum Eingang des Besoffenen Barenquartiers. Sein Pferd band er an eines der Gotzenbilder. In der Hutte brannte Licht, die Tur stand offen; sie hing nur in einer Angel. Vater Kabani sa? ganz aufgelost am Tisch. Im Zimmer roch es durchdringend nach Schnaps, auf dem Tisch thronte zwischen abgenagten Knochen und gekochten roten Ruben ein riesiger Tonkrug.

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