Spion. Ein ordentlicher Kundschafter in der Taverne Zur grauen Freude. Wie gut – und wie ehrsam! Um sechs Uhr gehe ich in die Kneipe und setze mich an meinen Tisch. Gleich kommt der Wirt herbeigeeilt mit meinem ersten Humpen. Trinken kann ich, so viel hinter die Binde geht, das Bier zahlt Don Reba … genauer gesagt, eigentlich zahlt niemand dafur. Ich sitze einfach so da, trinke mein Bier und horche. Manchmal tu ich so, als mache ich Aufzeichnungen uber ihre Gesprache, und da kommen auch schon die verschreckten Leutchen an meine Knie gekrochen, um mir ihre Freundschaft und ihren Geldbeutel anzubieten. In ihren Augen sehe ich nur das, was ich schon immer wollte: die Ergebenheit von geprugelten Hunden, ehrfurchtige Angst und hinrei?end kraftlosen Ha?. Ich kann jederzeit jedes Madchen haben, die Frauen winden sich in meinen Umarmungen vor den Augen ihrer Gatten, gesunder und kraftiger Manner, die dazu nur unterwurfig kichern … Herrliche Aussichten, edler Don, nicht wahr? Ich habe mir das alles von einem funfzehnjahrigen Burschchen sagen lassen, einem Zogling der Patriotischen Schule …«

»Und was hast du ihm geantwortet?« Die Erzahlung des Fluchtlings hatte Rumatas Neugierde erweckt.

»Was sollte ich ihm antworten? Er hatte es ja doch nicht verstanden. So erzahlte ich ihm, da? die Manner des Rauberhauptmanns Waga Koleso einem Spion, wenn sie ihn erwischten, den Bauch aufschnitten und seine Eingeweide mit Pfeffer fullten … Betrunkene Soldaten wieder steckten den Spion in einen Sack und ertrankten ihn im Dorfteich. Und es ist uberdies die reinste Wahrheit, aber er glaubte mir nicht. Er sagte, in der Schule hatten sie das nicht durchgenommen. Dann nahm ich ein Blatt Papier und begann unser Gesprach aufzuschreiben. Ich brauchte es damals fur mein Buch, aber er, der Armste, glaubte, fur eine Denunziation … und wurde plotzlich ganz na? vor Angstschwei? …«

Dann schimmerten vor ihnen durch das Buschwerk die Lichter der Schenke Zum Skelett Bako. Kiuns Schritt wurde unsicher, er verstummte plotzlich. »Was ist los?« fragte Rumata.

»Dort ist eine Graue Patrouille«, antwortete Kiun halblaut. »Na und, was soll’s?« sagte Rumata. »Hor dir lieber noch folgendes an: Wir lieben und schatzen diese einfachen, groben Burschen, unser kampferisches Graues Vieh. Wir brauchen sie. Von nun an mu? das einfache Volk seine Zunge im Zaum halten, wenn es sie nicht an den Galgen hangen will!«

Er lachte, weil das ganz vorzuglich gesagt war – genau im Jargon der Grauen Kasernen.

Kiun schrumpfte zusammen und zog seinen Kopf zwischen die Schultern.

»Die Zunge des einfachen Volks mu? ihren Platz wissen. Gott gab ihm die Zunge beileibe nicht zum Sprechen, sondern um damit seinem Herrn die Stiefel zu lecken, seinem Herrn, welcher uber das einfache Volk von Anbeginn gesetzt …«

Auf dem Sattelplatz vor der Schenke tanzelten die gesattelten Pferde der Grauen Patrouille. Aus einem geoffneten Fenster drang das heisere Fluchen von Spielern. Man horte das Aufschlagen der Spielknochelchen. In der Tur stand das »Skelett Bako« hochstpersonlich und versperrte mit seinem ungeheuerlichen Bauch den Zutritt. Es steckte in einer alten Lederjacke, die an unzahligen Nahten aufgeplatzt war. Die Armelenden trieften vor Feuchtigkeit. In seiner moosigen Tatze hielt Bako eine Keule – offenbar hatte er eben einen Hund fur die Bruhe erschlagen, war dabei in Schwei? geraten und kam nun heraus, um zu verschnaufen. Auf der Treppe lummelte ein Grauer Sturmowik, die Kampfaxt zwischen den Knien. Der klobige Stiel der Axt druckte ihm das Gesicht zur Seite. Man sah, da? er seinen Kater von einem Saufgelage ausbrutete. Als er den Reiter bemerkte, zog er kraftig Speichel hoch und brullte mit heiserer Stimme: »Ha-a-a-lt! Was ist mit Euch da … Ihr da, Woh-oh-ohlgeboren …!«

Sein Kinn kaum merklich vorgestreckt, ritt Rumata an ihm vorbei und wurdigte ihn nicht einmal eines Blickes.

»… Wenn aber die Zunge des einfachen Volkes den falschen Stiefel leckt«, sagte er laut, »so mu? man diese Zunge ausrei?en, denn es steht geschrieben: Deine Zunge – mein Feind …« Hinter der Kruppe des Pferdes versteckt hupfte Kiun mit gro?en Satzen neben ihm her. Ohne hinzublicken, sah Rumata, wie seine Glatze vor Schwei? glanzte. »Halt, sag ich!« rohrte der Sturmowik.

Man horte, wie er mit der Axt scharrte, sich die Treppen herunterschleifte und dabei gleichzeitig Gott, den Teufel und jegliche hochwohlgeborene Ausgeburt verfluchte.

Etwa funf Manner, uberlegte Rumata und zupfte an seinen Manschetten. Betrunkene Schlachter. Ach was! –Sie passierten die Schenke und hielten nun auf den Wald zu. »Ich kann auch schneller gehen, wenn Ihr befehlt«, sagte Kiun mit ubertrieben fester Stimme.

»Ach was!« sagte Rumata und zugelte den Hengst. »Es ware doch langweilig, so viele Meilen zu reiten und kein einziges Mal zu raufen. Willst du dich denn nie schlagen, Kiun? Reden, immer nur reden, was?«

»Nein«, sagte Kiun. »Ich habe nie das Verlangen, mich zu schlagen.«

»Das ist eben dein Pech«, brummte Rumata argerlich. Er wandte den Hengst zur Seite und zog ungeduldig an seinen Handschuhen. Aus einer Wegkrummung sprengten zwei Reiter hervor und hielten sofort an, als sie ihn erblickten.

»He, Ihr da, Wohlgeboren!« schrie der eine. »Zeigt Euren Pa?!«

»Flegel!« Rumata sagte es mit glaserner Stimme. »Ihr konnt ohnehin nicht lesen, was soll euch der Pa?!«

Er stie? seinem Hengst die Knie in die Seite und preschte im Galopp auf die beiden Grauen zu. Feiglinge, dachte er … Jedem ein paar Ohrfeigen!… Nein, kommt nichts dabei heraus. Da brennt man darauf, seine Wut zu entladen, die sich im Lauf eines langen Tages angesammelt hat – und, wie man sieht, kommt ja doch nichts dabei heraus. So bleiben wir halt hubsch human, verzeihen wir allen und seien wir

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