zu verbergen. Und zwar eine erstklassige Perucke. Und es ist fast unmoglich, eine erstklassige Perucke von naturlichen Haaren zu unterscheiden, au?er man zieht dran und sieht, ob sie abgeht.»

«Dann muss ich das also machen», sagte ich.

«Sei doch nicht so dumm», schalt meine Gro?mutter. «Du kannst doch nicht in der Gegend herumlaufen und alle Damen, die dir uber den Weg laufen, an den Haaren ziehen, selbst wenn sie au?erdem Handschuhe tragen. Du wirst schon sehen, was passiert, wenn du das tust.»

«Dann nutzt das also auch nicht viel», stellte ich fest.

«Alle diese Zeichen nutzen nichts fur sich allein», bestatigte meine Gro?mutter. «Aber wenn du sie zusammenfasst, dann konnen sie dir schon eine Hilfe sein. Du musst namlich wissen», fuhr meine Gro?mutter fort, «dass diese Perucken den Hexen ziemliche Schwierigkeiten machen.»

«Was fur Schwierigkeiten denn, Gro?mama?»

«Sie jucken ihnen ganz grasslich auf der Glatze», erklarte sie. «Sieh mal, wenn eine Schauspielerin eine Perucke tragt oder wenn du oder ich eine Perucke aufsetzen wurden, dann ziehen wir sie uns ja uber unser echtes Haar, aber eine Hexe muss sie sich auf die nackte Glatze setzen. Und die Unterseite einer Perucke ist immer etwas stachelig und kratzig. Das juckt eben scheu?lich auf der blanken Haut. Es verursacht auch einen unangenehmen Ausschlag auf dem ganzen Kopf. Peruckenpest nennen es die Hexen. Und wie gesagt, jucken tut es wie verruckt.»

«Auf was noch muss ich achten, wenn ich eine Hexe erkennen will?», fragte ich.

«Auf die Nasenlocher!», antwortete meine Gro?mutter. «Hexen haben etwas gro?ere Nasenlocher als normale Menschen. Der Rand von jedem Nasenloch ist rosa und ein bisschen gewellt, so wie der Rand von bestimmten Meeresmuscheln.»

«Warum haben sie so gro?e Nasenlocher?», fragte ich.

«Zum Riechen», entgegnete meine Gro?mutter. «Eine echte hexe verfugt uber verbluffende Riechstarken. Sie kann zum Beispiel in der stockfinstersten Nacht ein Kind wittern, das auf der anderen Stra?enseite steht.»

«Mich nicht», sagte ich. «Du hast mich ja gerade gebadet.»

«O doch, dich auch», erwiderte meine Gro?mutter. «Je sauberer du bist, desto schlimmer riechst du fur eine Hexe.»

«Das kann nicht wahr sein», sagte ich.

«Ein absolut sauberes Kind stromt fur eine Hexe den argsten Gestank aus», sagte meine Gro?mutter. «Je dreckiger du bist, desto weniger riechst du.»

«Aber das ist doch nicht logisch, Gro?mama.»

«Und ob», antwortete meine Gro?mutter. «Es ist ja nicht der Dreck, den die Hexe riecht, sondern das bist du. Der Geruch, der eine Hexe verruckt macht, kommt direkt aus deiner eigenen Haut. Du atmest ihn sozusagen aus, in Wellen, und diese Wellen, Stink-Wellen, wie die Hexen sie nennen, schweben durch die Luft und treffen die Hexen wie ein Faustschlag in der Nase. Sie hauen sie einfach um.»

«Aber wart mal, Gro?mama...»

«Unterbrich mich nicht», fuhr sie fort. «Der Punkt ist namlich: Wenn du dich eine Woche lang nicht gewaschen hast und wenn deine Haut dann uber und uber mit Dreck bedeckt ist, dann kommt nur ein Bruchteil von diesen Stinkwellen durch.»

«Nie wieder werd ich mich baden», schwor ich.

«Wenigstens nicht allzu oft», sagte meine Gro?mutter. «Einmal im Monat ist fur ein gesundes Kind vollkommen ausreichend.»

In solchen Augenblicken liebte ich meine Gro?mutter mehr denn je.

«Gro?mama», sagte ich, «wenn es nun stockfinstere Nacht ist, wie kann eine Hexe den Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen riechen?»

«Weil Erwachsene keine Stinkewellen von sich geben», erklarte sie. «Das tun nur Kinder.»

«Aber ich geb doch nicht wirklich Stinkewellen von mir, oder?», fragte ich angstlich. «Jetzt im Augenblick lass ich doch wirklich keine aus mir rausstromen, oder?»

«Fur mich sowieso nicht», beruhigte mich meine Gro?mutter. «Fur mich riechst du nach Himbeeren und Sahne. Aber fur eine Hexe riechst du eben absolut ekelerregend.»

«Hundekottel», antwortete meine Gro?mutter.

«Nach was wurd ich denn riechen?», fragte ich.

Ich musste wurgen. Ich war vollkommen niedergeschmettert. «Hundekottel», schrie ich. «Ich riech doch nicht nach Hundekotteln! Das glaub ich nie und nimmer! Das will ich einfach nicht glauben!»

«Um genau zu sein», fuhr meine Gro?mutter mit einer gewissen Befriedigung fort, «riechst du fur eine Hexe nach ganz frischem Hundedreck.»

«Das ist einfach nicht wahr!», rief ich. «Ich wei?, dass ich nicht nach Hundedreck rieche, weder nach frischem noch nach vertrocknetem!»

«Es hat gar keinen Sinn, sich daruber zu streiten», sagte meine Gro?mutter. «Das ist nun mal eine der Grundtatsachen des Lebens.»

Ich war vollkommen au?er mir, ich konnte mich einfach nicht uberwinden, das zu glauben, was mir meine Gro?mutter erzahlte.

«Wenn du also eine Frau auf der Stra?e siehst, die sich die Nase zuhalt, wenn sie an dir vorbeigeht», fuhr sie fort, «dann konnte diese Frau eine Hexe sein.»

Ich beschloss, das Thema zu wechseln. «Erzahl mir lieber, wonach ich noch bei einer Hexe Ausschau halten muss», bat ich.

«Die Augen», sagte meine Gro?mutter. «Schau ihr genau in die Augen, denn die Augen einer echten hexe sind ganz anders als deine oder meine. Du musst genau in die Pupille schauen, wo normalerweise dieser kleine schwarze Punkt sitzt. Wenn es eine Hexe ist, dann wird dieser schwarze Punkt in allen Farben spielen, zuerst siehst du Feuer flackern, und dann siehst du Eisschollen tanzen, genau mittendrin in der Regenbogenhaut des Auges. Und es wird dir kalt den Rucken hinunterlaufen.»

Meine Gro?mutter lehnte sich in ihrem Sessel zuruck und sog zufrieden an ihrer stinkigen schwarzen Zigarre. Ich hockte auf dem Boden und starrte wie gebannt zu ihr empor. Kein Lacheln lag auf ihrem Gesicht. Sie sah todernst aus.

«Gibt es noch was?», fragte ich sie.

«Aber naturlich, alles Mogliche», antwortete meine Gro?mutter. «Du scheinst noch nicht ganz zu begreifen, dass Hexen in Wirklichkeit gar keine Frauen sind. Sie sehen nur wie Frauen aus. Sie reden wie Frauen. Und sie sind imstande, sich wie Frauen zu benehmen. Aber in Wirklichkeit sind sie vollkommen andere Wesen. Sie sind Damonen in menschlicher Gestalt. Deshalb haben sie die Klauen und die Glatzen - und die komischen Nasen und die merkwurdigen Augen, und deshalb mussen sie das alles so gut wie moglich vor der Welt und den Menschen verbergen.»

«Was ist bei ihnen sonst noch anders, Gro?mama?»

«Die Fu?e», erwiderte sie. «Hexen haben keine Zehen.»

«Keine Zehen!», rief ich aus. «Was haben sie denn stattdessen?»

«Eben nur Fu?e», sagte meine Gro?mutter. «Sie enden einfach glatt, wie ein Block, ohne Zehen dran.»

«Fallt ihnen deshalb nicht das Gehen schwer?», fragte ich.

«Uberhaupt nicht», entgegnete meine Gro?mutter. «Aber sie haben naturlich Schwierigkeiten mit den Schuhen. Alle Damen tragen doch gerne schmale spitze Schuhe, und deshalb macht es einer Hexe ziemliche Muhe, ihre breiten plumpen Fu?e in solche zierlichen, kleinen spitzen Schuhe zu zwangen.»

«Warum tragt sie denn keine breiten gemutlichen Schuhe, die vorne halt so breit wie ein Kasten sind?», fragte ich.

«Das wagen sie nicht», entgegnete meine Gro?mutter. «So wie eine Hexe die Glatze unter der Perucke versteckt, so muss sie ihre hasslichen Fu?e verstecken, indem sie sie in hubsche Menschenschuhe quetscht.»

«Ist das nicht schrecklich unbequem?», fragte ich.

«Grauenhaft unbequem», antwortete meine Gro?mutter. «Aber damit muss sie zurechtkommen.»

«Wenn sie also normale Schuhe anhat, dann kann ich sie daran auch nicht erkennen, nicht wahr,

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