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»Ganz ordentlich, mein Junge, ganz ordentlich«, brummte der alte Briggs.

Er war sehr zufrieden mit seinem neuen Assistenten, der eben ein Stuck Land umgegraben hatte, doch wollte er ihn nicht zu sehr loben, denn er wusste aus Erfahrung, dass ein Uberma? von Anerkennung nur schaden konnte.

»Nehmen Sie sich Zeit. Immer mit der Ruhe«, fuhr er fort. »Wir werden jetzt ein paar schone Astern anpflanzen. Sie macht sich zwar nichts aus Astern, aber das ist mir einerlei. Frauen haben so ihre Launen; am besten, man kummert sich gar nicht drum. Am Ende merkt sie doch nicht, was man gepflanzt hat. Na ja, vielleicht doch. Sie ist eine Ausnahme, sie bemerkt vieles. Wundert mich, dass sie noch Zeit hat, sich um den Garten zu kummern – hat doch wirklich genug zu tun.«

Adam wusste naturlich, dass Miss Bulstrode jene »Sie« war.

»Mit wem haben Sie sich da vorhin unterhalten?«, fragte Briggs misstrauisch. »Sie wissen schon, als Sie die Bambusstucke aus der Laube holten.«

»Nur mit einer von den jungen Damen«, erwiderte Adam.

»War wohl eine von den beiden Italienerinnen, was? Seien Sie nur vorsichtig mit denen. Ich wei? Bescheid, ich kenn die Italienerinnen noch aus dem Krieg. Wollte, mich hatte damals jemand gewarnt. Dann ware ich vorsichtiger gewesen.«

»War ja ganz harmlos«, erklarte Adam gekrankt. »Die hat mir nur Guten Tag gesagt und mich nach ein paar Blumennamen gefragt.«

»Vorsicht ist trotzdem geboten«, mahnte Briggs. »Sie will nicht, dass unsereiner mit den jungen Damen spricht.«

»Ich hab ja nichts Unrechtes getan.«

»Behaupte ich ja auch gar nicht, mein Junge. Ich sag nur, Sie sollen sich in Acht nehmen. Kann ja nicht gut gehen, wenn ein ganzer Haufen von jungen Madchen in ner Schule lebt, wo’s nicht mal einen Zeichenlehrer gibt. Achtung! Da kommt die Alte. Wer wei?, was die jetzt wieder will.«

Miss Bulstrode naherte sich mit schnellen Schritten.

»Guten Morgen, Briggs«, sagte sie. »Guten Morgen… ah…«

»Adam, Miss Bulstrode.«

»Sie scheinen dieses Beet sehr gut umgegraben zu haben, Adam… Der Drahtzaun des hinteren Tennisplatzes ist beschadigt, Briggs. Bitte bringen Sie ihn gleich in Ordnung.«

»Jawohl, Miss Bulstrode. Wird gemacht.«

»Was pflanzen Sie in dieses Beet, Briggs?«

»Ich wollte eigentlich…«

»Keine Astern«, befahl Miss Bulstrode, ohne ihm Zeit zu einer Erklarung zu lassen.

»Pflanzen Sie bitte Dahlien.«

Miss Bulstrode ging, und Briggs begann sofort zu schimpfen.

»Kommt nur her, um einen rumzukommandieren; ohne Sinn und Verstand. Nehmen Sie sich blo? in Acht – vor den Italienerinnen, meine ich.«

»Wenn ich ihr nicht gefalle, braucht sie’s nur zu sagen«, erklarte Adam. »Gibt genug andere Stellungen.«

Adam trug weiter einen gekrankten Ausdruck zur Schau, wahrend er sich wieder an die Arbeit machte.

Miss Bulstrode ging uber den Pfad, der zum Schulgebaude fuhrte. Ihre Stirn war leicht gerunzelt.

Miss Vansittart kam aus der entgegengesetzten Richtung.

»Ein sehr hei?er Nachmittag«, stellte Miss Vansittart fest.

»Ja, hei? und druckend.« Wieder runzelte Miss Bulstrode die Stirn. »Ist dir der junge Gartner aufgefallen, Eleanor?«

»Nein, nicht besonders.«

»Ich finde ihn ein wenig sonderbar, nicht der ubliche Typ«, bemerkte Miss Bulstrode nachdenklich.

»Vielleicht ein Student aus Oxford, der sich etwas dazuverdienen will.«

»Moglich. Jedenfalls sieht er gut aus, und die Madchen haben das naturlich auch schon bemerkt.«

»Das alte Problem.«

Miss Bulstrode lachelte.

»Ja, das Problem, Freiheit und Disziplin unter einen Hut zu bringen, das meinst du doch?«

»Ja.«

»Wir schaffen es schon«, sagte Miss Bulstrode zuversichtlich.

»Davon bin ich uberzeugt. Bisher hat es in Meadowbank doch noch nie einen Skandal gegeben, nicht wahr?«

»Ein- oder zweimal aber beinahe«, erwiderte Miss Bulstrode lachend. »In einer Schule ist immer fur Abwechslung gesorgt. Hast du dich hier jemals gelangweilt, Eleanor?«

»Bestimmt nicht. Ich finde meine Arbeit au?erst anregend und befriedigend«, erklarte Miss Vansittart. »Du darfst auf deinen Erfolg stolz sein, Honoria.«

»Ja, es ist mir gelungen, Meadowbank zu einer wirklich guten Schule zu machen, obwohl man niemals ganz das erreicht, was man sich ertraumt hat«, erwiderte Miss Bulstrode nachdenklich. Dann fragte sie plotzlich: »Was wurdest du tun, wenn du Leiterin dieser Schule warest, Eleanor? Wurdest du viele Veranderungen vornehmen? Bitte, beantworte mir diese Frage ganz offen. Es interessiert mich sehr, deine Ansichten zu erfahren.«

»Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas andern wurde«, erwiderte Eleanor Vansittart. »Ich finde die Atmosphare und die ganze Organisation der Schule gro?artig.«

Miss Bulstrode schwieg einen Augenblick. Ob sie das nur gesagt hat, um mir nach dem Munde zu reden?, fragte sie sich. Was wei? man voneinander? Was wei? man selbst von Menschen, denen man jahrelang nahe gestanden hat? Das kann nicht ihr Ernst sein, denn jeder kreative Mensch sehnt sich danach, seine eigenen Ideen in die Tat umzusetzen. Wahrscheinlich hat sie das nur aus Taktgefuhl gesagt… und Takt ist ungeheuer wichtig. Den Eltern, den Schulerinnen, den Kolleginnen gegenuber muss man Takt beweisen. Eleanor war zweifellos sehr taktvoll.

»Gewisse Veranderungen sind unvermeidlich«, sagte sie schlie?lich. »Die Zeiten andern sich und mit ihnen die Lebensbedingungen ganz allgemein.«

»Das muss man naturlich in Betracht ziehen«, entgegnete Miss Vansittart. »Man muss mit der Zeit gehen. Aber es ist und bleibt deine Schule, Honoria. Deine Ideen und Traditionen mussen unbedingt weiterbestehen. Ich denke, Tradition ist wichtig. Du nicht auch?«

Miss Bulstrode antwortete nicht. Jetzt durfte sie auf keinen Fall etwas Voreiliges sagen. Das Angebot einer Partnerschaft lag in der Luft. Die wohl erzogene Miss Vansittart tat, als sei sie sich dieser Tatsache nicht bewusst, obwohl sie ihr nicht unbekannt sein konnte. Miss Bulstrode dagegen wusste nicht, was sie davon abhielt, sich festzulegen. Wahrscheinlich war ihr der Gedanke, das Zepter aus der Hand zu geben, eben unertraglich. Und doch – wer ware geeigneter, ihre Nachfolgerin zu werden, als die treue, zuverlassige Eleanor? Naturlich war auch die brave Chaddy die Zuverlassigkeit in Person, aber als Leiterin einer gro?en Schule konnte man sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Was will ich wirklich?, fragte sich Miss Bulstrode. Warum bin ich, zum ersten Mal in meinem Leben, nicht fahig, einen Entschluss zu fassen?

In der Ferne lautete eine Glocke.

»Meine Deutschstunde, ich muss gehen«, sagte Miss Vansittart.

Sie naherte sich dem Schulgebaude mit raschen, aber gemessenen Schritten. Miss Bulstrode, die ihr etwas langsamer folgte, stie? fast mit Eileen Rich zusammen, die aus der entgegengesetzten Richtung auf sie zueilte.

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