»Damit unsere Unterhaltung drau?en gehort werden konnte?«

»Ja, falls jemand die Absicht gehabt haben sollte. Es war eine Vorsichtsma?nahme im Hinblick auf Julia. Es muss sich herumsprechen, dass die Juwelen nicht mehr in ihrer Hand sind, sondern im Tresor einer Bank.«

Miss Bulstrode presste die Lippen zusammen.

»Diese Angelegenheit muss jetzt zu einem Ende kommen«, erklarte sie entschlossen.

»Ich halte es vor allen Dingen fur wichtig, dass wir unsere Ideen und Informationen austauschen«, erklarte der Polizeichef. »Wir freuen uns, dass Sie uns bei unserer Aufgabe helfen wollen, Monsieur Poirot. Auch Kommissar Kelsey erinnert sich noch sehr gut an Sie«, fugte er hinzu.

»Ja, obwohl es schon viele Jahre her ist, dass ich die Ehre hatte, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Kelsey. »Ich war damals noch ein Anfanger und arbeitete unter Polizeichef Warrender.«

»Mr Adam Goodman – wie wir ihn augenblicklich nennen – ist Ihnen nicht bekannt, Monsieur Poirot«, fuhr der Polizeichef fort. »Sie durften allerdings seinen Vorgesetzten kennen – Spezialabteilung.«

»Colonel Pikeaway?«, fragte Hercule Poirot nachdenklich. »Ich habe ihn lange nicht gesehen. Ist er noch immer so verschlafen?«

Adam lachte.

»Sie kennen ihn wirklich gut, Monsieur Poirot. Ich habe ihn noch nie vollig wach gesehen; wenn das einmal vorkommen sollte, werde ich wissen, dass er nicht ganz bei der Sache ist.«

»Gut beobachtet, junger Freund«, bemerkte Poirot anerkennend.

»Aber wir wollen zur Sache kommen«, mahnte der Polizeichef. »Ich habe nicht die Absicht, Ihnen meine eigenen Theorien auseinanderzusetzen. Ich mochte vielmehr horen, was die Herren, die den Fall bearbeiten, dazu zu sagen haben. Ich will nur eine Angelegenheit klaren, die mir von gewisser Seite nahe gelegt worden ist.« Er sah Poirot an. »Nehmen wir an, dass ein junges Madchen – eine Schulerin – zu Ihnen kam und behauptete, im ausgehohlten Griff eines Tennisschlagers etwas gefunden zu haben. Sagen wir, eine Sammlung imitierter Edelsteine, vielleicht waren es sogar Halbedelsteine, die oft genauso schon sind wie echte Steine. Selbstverstandlich ware jedes Kind uber einen solchen Fund ungeheuer erregt, und wahrscheinlich wurde es den Wert einer solchen Sammlung weit uberschatzen…« Er sah Poirot scharf an. »Halten Sie das nicht auch fur moglich?«

»Ich halte es fur durchaus moglich«, erwiderte Poirot.

»Gut«, sagte der Polizeichef. »Da die Person, die diese… diese bunten Steine ins Land brachte, nichts davon wusste und also ganz unschuldig war, ziehen wir die Moglichkeit eines Schmuggels in Betracht.

Ferner erhebt sich die Frage nach au?enpolitischen Verwicklungen, die wir unbedingt vermeiden wollen… Aber einen Mord kann man nicht geheim halten, und selbstverstandlich haben die Zeitungen daruber berichtet, ohne jedoch die Juwelen zu erwahnen. Ich ware dafur, es im Augenblick dabei zu lassen.«

»Das ist auch meine Meinung«, erklarte Poirot. »Man darf gewisse internationale Komplikationen nicht unnotig heraufbeschworen.«

»Sehr richtig. Der verstorbene Herrscher von Ramat galt als Freund dieses Landes. Ich glaube bestimmt, dass die zustandigen Stellen seinen Wunschen entsprechend vorgehen mochten, falls sich ein Teil seines Eigentums in England befinden sollte. Uber Art und Ausma? dieses Eigentums wei? naturlich niemand Bescheid, und das ist gut so, denn dadurch sind wir nicht in der Lage, etwaige diesbezugliche Fragen der neuen Regierung von Ramat zu beantworten.«

»Tres bien. Man kann mit gutem Gewissen behaupten, dass man nichts Genaues uber den Privatbesitz des verstorbenen Herrschers wei?, aber die Angelegenheit im Auge behalten wird«, sagte Poirot.

Der Polizeichef stie? einen Seufzer der Erleichterung aus.

»Ich danke Ihnen, Monsieur Poirot. Wir verstehen uns.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Wie ich wei?, haben Sie in Regierungskreisen Freunde, die volles Vertrauen zu Ihnen haben, Monsieur Poirot. Sie wurden Wert darauf legen, einen gewissen Gegenstand vorlaufig in Ihrer Obhut zu lassen – falls Sie nichts dagegen einzuwenden haben?«

»Ich habe nichts dagegen«, erwiderte Poirot. »Lassen wir es dabei bewenden. Wir haben wichtigere Dinge zu besprechen, nicht wahr? Denn was sind drei viertel Millionen Pfund – oder mehr – im Vergleich zu einem Menschenleben?«

»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, erklarte der Polizeichef.

»Ich auch«, bekraftigte Kelsey. »Wir sind auf der Suche nach einem Morder. Vorlaufig tappen wir noch im Dunkeln, und wir brennen darauf, Ihre Meinung zu horen, Monsieur Poirot. Das Ganze ist wie ein wirres Knauel von bunten Wollfaden.«

»Eine ausgezeichnete Beschreibung«, lobte Poirot. »Es ist unsere Aufgabe, diese Faden zu entwirren und die richtige Farbe zu isolieren – die Farbe des Morders… Ich ware Ihnen dankbar, wenn Sie noch einmal in allen Einzelheiten wiederholen wurden, was sich bisher abgespielt hat.«

Poirot lehnte sich zuruck, um zuzuhoren.

Zuerst sprach Kommissar Kelsey, dann Adam Goodman. Schlie?lich fasste der Polizeichef die Berichte noch einmal kurz zusammen.

Poirot lauschte mit geschlossenen Augen. Dann nickte er.

»Zwei Morde«, sagte er. »Am gleichen Ort, unter den gleichen Bedingungen. Eine Entfuhrung. Das entfuhrte Madchen konnte unter Umstanden im Mittelpunkt des verbrecherischen Plans stehen. Versuchen wir festzustellen, warum sie entfuhrt worden ist.«

Kelsey gab die Unterhaltung wieder, die er mit Shanda gehabt hatte. »Ich hielt das Ganze fur Wichtigtuerei«, gestand er.

»Aber die Tatsache, dass sie entfuhrt worden ist, lasst sich nicht leugnen. Warum?«

»Man hat Losegeld verlangt…«, sagte Kelsey langsam.

»Aber nicht ernsthaft darauf bestanden, nicht wahr?«, fragte Poirot. »Man hat es nur verlangt, um die Theorie einer Entfuhrung zu unterstreichen, habe ich Recht?«

»Ja. Die Verabredungen wurden nicht eingehalten.«

»Shanda muss also aus einem anderen Grund entfuhrt worden sein. Aus welchem Grund?«

»Vielleicht wollte man von ihr erfahren, wo die Wertgegenstande verborgen sind?«, meinte Adam unsicher.

Poirot schuttelte den Kopf.

»Davon wusste sie nichts, das steht fest. Nein, es muss einen anderen Grund gehabt haben…«

Er schwieg einen Augenblick mit gerunzelter Stirn. Plotzlich stellte er eine Frage:

»Ihre Knie! Haben Sie jemals ihre Knie bemerkt?«

Adam sah ihn erstaunt an.

»Nein. Warum sollte ich?«

»Es gibt viele Grunde, warum ein Mann die Knie eines Madchens bemerkt. Leider haben Sie es nicht getan«, erwiderte Poirot.

»Hatte sie vielleicht eine Narbe am Knie? Oder etwas Ahnliches?«, fragte Adam. »Ich habe jedenfalls nichts gesehen, da die Rocke der jungen Madchen vorschriftsma?ig die Knie bedecken.«

»Haben Sie sie niemals im Schwimmbad gesehen?«, fragte Poirot hoffnungsvoll.

»Bestimmt nicht. Sie ist nie ins Wasser gegangen; war ihr zu kalt, nehme ich an. Sie war an ein warmeres Klima gewohnt. Denken Sie an eine Narbe?«

»Nein, nein. Durchaus nicht… jammerschade.«

Poirot wandte sich zum Polizeichef.

»Wenn Sie gestatten, werde ich mich mit meinem alten Freund, dem Polizeiprasidenten von Genf, in Verbindung setzen. Er wird uns vielleicht helfen konnen.«

»Handelt es sich um etwas, das sich wahrend ihrer dortigen Schulzeit ereignet hat?«

»Schon moglich. Sie haben nichts dagegen? Gut. Es ist nur so eine meiner Ideen…« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Die Presse hat die Entfuhrung doch bisher nicht erwahnt?«

»Nein, auf ausdrucklichen Wunsch des Emirs Ibrahim.«

»Aber ich habe in einem Feuilleton etwas uber eine junge Auslanderin gelesen, die plotzlich aus ihrem Internat verschwand. Der Journalist deutete an, dass es sich um eine Liebesgeschichte handeln wurde, nicht wahr?«

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