stellt, ihr den Weg versperrt, sie angrapscht, sie auf den Boden wirft, um sich dann uber sie herzumachen. Immer mehr Untote ringen um sie. Der erste Biss rei?t ihren Angora-Imitat-Pullover uber der Brust entzwei, vergrabt sich in ihrem Fleisch und rei?t einen Teil heraus. Sarah sto?t einen ohrenbetaubenden Schrei aus. Eiternde Zahne vergraben sich in ihrem Hals, und dunkles Blut spritzt uber die Angreifer hinweg in die Luft.

Lilly kampft wahrenddessen weiter beim Auto gegen annahernd zwei Dutzend klappernde, schnappende Horden von Maulern und totem Fleisch an. Ihre schwarzen Zahne bei?en immer wieder hei?hungrig zu, wahrend die drei kleinen Madchen hinter den blutbesudelten Fenstern das Spektakel mit weit aufgerissenen Augen mit ansehen.

Lilly holt mit der Schaufel aus, lasst sie auf die standig naher kommenden Untoten niedersausen, aber ihre Bemuhungen scheinen aussichtslos – und als sie Sarahs Schreie und grasslichen Untergang mit ansehen muss, erstarrt sie mitten im Kampf. Das grausame Gellen der Teenagerin verwandelt sich langsam in undefinierbares Gurgeln, das nichts Menschliches mehr an sich hat. Mindestens ein halbes Dutzend Untoter macht sich jetzt uber sie her. Sie vergraben ihre Bei?er in ihr, kauen und rei?en an ihr. Der rote Lebenssaft spritzt aus ihr heraus wie aus einem Springbrunnen.

Lillys Magengegend verwandelt sich in einen Eisblock, als sie die Schaufel erneut in einem Schadel vergrabt. In ihrem Kopf knistert es formlich vor Terror, ehe sich ihre Nervenbahnen auf einen einzigen Gedanken konzentrieren: Weg vom Chrysler.

Diese Notwendigkeit, die in Lilly beinahe zum Gebot wird – weg von den Kindern – ruttelt sie wach und erfullt Lilly mit einem neuen Energieschub. Sie dreht sich um und holt erneut mit der Schaufel aus, trifft auf den vorderen Kotflugel des Autos.

Es scheppert so laut, dass die Kinder im Chrylser zusammenzucken. Die bleifarbenen blaulichen Gesichter der Untoten wenden sich dem Ursprung des Gerauschs zu.

»LOS! KOMMT SCHON!!« Lilly sturzt sich auf das nachste Auto in der Reihe der willkurlich geparkten Wagen. Es ist ein Ford Taurus. Ein Fenster ist durch Pappe ersetzt worden. Sie holt erneut aus und schlagt, so hart sie kann, auf das Dach. Der harsche, metallene Klang zieht die Aufmerksamkeit weiterer Zombies auf sich.

Lilly rennt zum nachsten fahrbaren Untersatz und schlagt mit aller Wucht auf den linken vorderen Kotflugel. Wieder schneidet das metallene Gerausch durch den Larm auf dem Zeltplatz.

»KOMMT SCHON! NUN KOMMT DOCH ENDLICH!!«

Lillys Stimme ubertont den Larm wie das Bellen eines kranken Hundes. Ihre Stimme ist heiser vor Schock, tonlos, und es klingt ein Hauch von Wahnsinn mit. Sie schlagt mit der Schaufel auf ein Auto nach dem anderen. Sie selbst hat keine Ahnung mehr, was sie tut, hat jegliche Kontrolle uber sich verloren. Mehr und mehr Untote folgen ihr jetzt und taumeln und stolpern in ihre Richtung.

Es dauert nur wenige Sekunden, bis Lilly das Ende der Autoreihe erreicht hat. Sie holt erneut aus und trifft die Motorhaube eines rostigen Chevy S-10 Pick-up-Truck. Mittlerweile folgen die meisten Zombies ihrem Lockruf und taumeln, stolpern und wanken tollpatschig auf sie zu.

Die einzigen Untoten, die sie ignorieren, sind die sechs, die sich noch immer vor dem riesigen Zirkuszelt an der auf dem Boden liegenden Sarah Bingham laben.

»KOMMT SCHON!! KOMMT SCHON!! KOMMT SCHON!! IMMER HER MIT EUCH!! NUN MACHT SCHON!!!!!« Lilly rennt uber den Schotterweg und lauft in Richtung Wald.

Ihr Puls rast, die Sicht verschwommen, die Lungen ringen nach Luft. Lilly lasst die Schaufel fallen und versucht, mit ihren Wanderstiefeln Halt in dem weichen Hang aus Morast zu finden. Endlich erreicht sie die Baumgrenze, sturzt sich in den Wald. Sie haut mit der Schulter gegen den Stamm einer alten Birke. Der Schmerz fahrt ihr direkt in den Schadel, und sie sieht Sterne. Lilly wird langsamer. Hinter ihr erklimmt die Horde Zombies unbeholfen den Hang, folgt ihr in den Wald.

Sie lauft kreuz und quer zwischen den Baumen hindurch, hat bereits jegliche Orientierung verloren. Hinter ihr ist die Schar Untoter langsamer geworden. Sie konnen ihr nicht mehr folgen.

Zeit verliert an Bedeutung. Wie in einem Traum spurt Lilly, dass alles um sie herum beinahe stillsteht. Ihre Schreie bleiben ihr im Hals stecken, ihre Beine verlieren sich im unsichtbaren Treibsand von Albtraumen. Die Dunkelheit umzingelt sie, je tiefer sie in den Wald stolpert.

Lilly denkt an Sarah, die arme Sarah in ihrem niedlichen Angora-Pullover. Jetzt liegt sie da, inmitten ihres eigenen Bluts, und die Tragodie rei?t Lilly mit sich in den Abgrund, wirft sie zu Boden, auf die weichen Kiefernadeln und verfallende Natur, hinab in den endlosen Zyklus von Tod und Wiederauferstehung. Sie erleidet einen Anfall, der Schmerz durchfahrt sie von oben bis unten, als sie atemlos aufschluchzt. Die Tranen kullern ihr die Wangen hinab, befeuchten den Waldboden.

Ihr Schluchzen will gar kein Ende nehmen.

Das Suchkommando findet Lilly am spaten Nachmittag. Angefuhrt von Chad Bingham, bemerken die schwer bewaffneten funf Manner und drei Frauen Lillys hellblaue Daunenjacke. Sie lugt hinter einem umgesturzten Baum circa einen Kilometer nordlich von der Zeltstadt inmitten der eisigen Dunkelheit des tiefen Waldes unter einer kleinen Lichtung hervor. Sie scheint das Bewusstsein verloren zu haben, liegt leblos in einer Dornenhecke. »Vorsicht!«, ruft Chad Bingham zu seinem Stellvertreter, einem dunnen Mechaniker aus Augusta namens Dick Fenster. »Wenn sie sich bewegt, ist sie vielleicht eine von ihnen geworden!«

Der Dampf nervosen Atmens erfullt die kalte Luft. Vorsichtig nahert Fenster sich der Lichtung. In der Hand halt er seine entsicherte .38er. Sein Finger am Abzug zittert bedenklich. Er kniet sich vor Lilly hin, schaut sie sich genau an und dreht sich dann zum restlichen Suchkommando um. »Ihr geht es gut! Sie lebt … Nicht gebissen und nichts … Sie ist sogar bei Bewusstsein!«

»Nicht mehr lange!«, murmelt Chad Bingham leise, als er zur Lichtung geht. »Schei?-Feigling-Schei?-Hure hat mein Baby auf dem Gewissen …«

»Hey! Nichts da!« Megan Lafferty stellt sich zwischen Chad und dem umgefallenen Baum. »Nun mal ganz mit der Ruhe. Immer schon ruhig.«

»Aus dem Weg, Megan!«

»Hol erst mal tief Luft.«

»Ich will mich nur mit ihr unterhalten.«

Eine peinliche Stille legt sich uber die Runde der Anwesenden. Der Rest des Suchkommandos halt sich zuruck, steht zwischen den Baumen, blickt zu Boden, und der Ausdruck auf ihren Gesichtern spiegelt die grasslichen Aufraumarbeiten wider, die sie gerade hinter sich gebracht haben. Einige der Manner haben rot umrandete Augen – das sagt alles.

Als sie von ihrer Holzsammelaktion wieder zuruckgekommen sind, den Larm der Motoren und der Axte noch immer in den Ohren, konnte sie es kaum fassen, als das Zeltlager vollig zerstort vor ihnen auftauchte. Uberreste von Menschen und Untoten lagen inmitten von Blutlachen auf dem Boden zerstreut. Sechzehn Bewohner waren abgeschlachtet, einige von ihnen aufgefressen – neun davon Kinder. Josh Lee Hamilton hat die restlichen Untoten beiseite geschafft und die undankbare Aufgabe zugeteilt bekommen, diejenigen Uberlebenden »abzufertigen«, die noch nicht zu Zombies mutiert waren. Niemand sonst besa? die seelische Starke oder die Kraft, seine Freunde oder Nahestehende in den Kopf zu schie?en – auch wenn es hie?, dass sie nur so Erlosung finden wurden. Die Inkubationszeit wird komischerweise immer unberechenbarer. Einige Opfer beginnen nach nur wenigen Minuten wieder sich zu bewegen, um dann voller Eifer loszubei?en, wahrend andere Stunden, sogar Tage brauchen, um zur anderen Seite uberzutreten. Zu diesem Zeitpunkt befindet Josh sich noch im Camp, beaufsichtigt die Aufraumarbeiten und bereitet die Opfer fur ein Massenbegrabnis vor. Es wird noch weitere vierundzwanzig Stunden dauern, um das Zirkuszelt wieder aufzurichten.

»Alter, jetzt hor mal zu. Ernsthaft«, redet Megan Lafferty auf Chad ein, ihre Stimme leise, aber eindringlich. »Ich wei?, dass du Einiges mitmachen musst, aber sie hat doch drei von deinen Madchen gerettet … Ich habe dir doch gesagt, dass ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Sie hat die Zombies weggelockt, ihr Leben aufs Spiel gesetzt.«

»Ich will …« Chad sieht so aus, als ob er jeden Augenblick entweder zu weinen oder zu brullen anfangen wurde. »Ich will nur … Nur mit ihr reden.«

»Im Lager wartet deine Frau auf dich. Sie wird vor Trauer noch ganz wahnsinnig … Sie braucht dich!«

»Ich will nur …«

Wieder eine Pause, wieder Schweigen. Einer der Vater beginnt, leise im Schatten der Baume zu schluchzen. Er lasst seine Pistole fallen. Es ist kurz vor funf Uhr nachmittags, und die Temperaturen fallen. Lilly setzt sich jetzt langsam auf, wischt sich den Mund und versucht, sich zu orientieren. Sie sieht aus wie ein Schlafwandler. Fenster

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