Alle Lichter sind aus. Die einzige Lichtquelle kommt von hinter der Gardinenstange. Das silbrige Licht des Wintermondes erhellt die Staubmause, wird von der nackten Wand hinter dem abgewetzten Liegesessel reflektiert.

Der Mann hat sich auf den Sessel gelegt. Sein nackter, schlaksiger Korper krummt und windet sich unter Megan. Sein Kopf schnellt zuruck, die Venen in seinem Hals pulsieren, aber er macht kaum Gerausche, macht nicht den Eindruck, als ob es ihm gro?artigen Spa? machen wurde. Megan kann lediglich das stete Rasseln seines Atems horen, wahrend er immer wieder wutend in sie fahrt.

Der Liegesessel steht so im Raum, dass Megans Aufmerksamkeit auf die Wand dahinter gezogen wird. Es ist ihr egal, dass der Governor sich zum Orgasmus hocharbeitet. Im Zimmer hangen keinerlei Bilder, steht kein Kaffeetisch, sind keine Lampen mit Schirmen – sie kann nur das blasse Schimmern irgendwelcher rechteckiger Kasten an der Wand ausmachen. Zuerst ist Megan sich nicht ganz sicher, um was es sich handelt. Vielleicht Fernseher? Es sieht aus wie so eine Fernsehwand, die fruher in den gro?en Laden aufgestellt wurden. Aber was will der Typ mit zwei Dutzend Fernsehern anfangen? Schon bald hort sie ein leises Gurgeln oder Rauschen, das aus ihnen stammt.

»Was zum Teufel ist denn los?«, grunzt der Governor unter ihr.

Megan hat sich umgedreht. Ihre Augen gewohnen sich an das Schimmern des Mondes. Sie sieht, wie sich etwas in den rechteckigen Kasten bewegt. Sie zuckt zusammen, kneift den Governor beinahe. »Nichts … Nichts … ’tschuldigung … Ich hab nur … «

»Verdammt, Frau!« Er lehnt sich zur Seite und schaltet eine batteriebetriebene Campinglampe auf einer Kiste neben dem Stuhl ein.

Im Licht sieht Megan endlich, um was fur Kasten es sich handelt: Reihen von Aquarien stehen an der Wand, in denen abgehackte, menschliche Kopfe herumschwimmen.

Megan keucht, steht von ihm auf und stolpert zu Boden. Sie versucht, Luft zu holen, liegt mit dem Bauch auf dem Boden, Gansehaut bedeckt ihren gesamten Korper. Sie starrt noch immer auf die Aquarien, die sauber gegen die Wand gestapelt sind. Zombiehafte Gesichter auf unterschiedlich langen Halsstumpen zucken in der Flussigkeit. Munder schnappen auf und zu wie Fische auf Land, ihre milchig-wei?en Augen rollen in ihren wassrigen Hohlen hin und her.

»Ich bin noch nicht fertig!« Der Governor wirft sich auf sie, rei?t ihre Beine auseinander. Er ist noch immer hart und sto?t mit Wucht in sie. Die schmerzvolle Reibung fahrt ihr ins Ruckenmark. »Jetzt halt endlich still, verdammt noch mal!«

Dann erkennt Megan eines der Gesichter im letzten Aquarium links in der zweiten Reihe von oben, und die Erkenntnis lasst sie erstarren. Sie liegt mit dem Rucken auf dem Boden, wie vom Blitz getroffen. Sie dreht den Kopf zur Seite und starrt entsetzt auf das, was da in dieser merkwurdigen Flussigkeit in einem Aquarium schwimmt, wahrend der Governor ohne Rucksicht auf Verluste weiter in sie hineinknallt. Sie erkennt das mit Wasserstoff gebleichte Haar, das wie eine Krone aus Seetang uber seinen jungenhaften Gesichtszugen schwebt, seinen schlaffen Mund, die langen Wimpern und die spitze, kleine Nase.

Als sie endlich Gesicht und Namen zusammenfugt und merkt, dass sie Scott Moon anstarrt, kriegt der Governor endlich seinen Orgasmus.

Irgendetwas tief in Megan Lafferty geht fur immer und unwiederbringlich kaputt – wie ein Sandschloss, das der Kraft einer Welle nachgibt.

Einen Augenblick spater meint der Governor: »Du kannst jetzt aufstehen, dich sauber machen.«

Er sagt die Worte ohne Groll oder Hass in einer Stimme, wie ein Lehrer, der am Ende der Klassenarbeit verkundet, dass es Zeit ist, die Stifte abzulegen.

Dann erst merkt er, dass sie auf das Aquarium mit Scott Moons Kopf starrt, und er wei?, dass der Augenblick der Wahrheit gekommen ist: Es ist entweder eine Moglichkeit oder aber ein kritischer Augenblick. Als entscheidungsfahiger Mann wei? Philip Blake, wann er einer Moglichkeit begegnet. Er wei?, wie man einen Vorteil aus einer besseren Situation zieht. Er zogert nie, zieht sich nicht in eine Hohle zuruck, ist sich nicht zu gut, die Drecksarbeit selbst zu machen.

Der Governor greift nach unten, findet den Gummi seiner Unterhose, die ihm noch immer um die Fesseln hangt, und zieht sie hoch. Er stellt sich aufrecht hin und schaut auf die Frau, die jetzt mit den Armen die angewinkelten Beine umklammert. »Los, Kleine … Jetzt machen wir dich erst mal schon sauber und dann unterhalten wie zwei uns ein wenig.«

Megan fleht und wimmert nur: »Bitte, bitte, bitte, tu mir nichts an.«

Der Governor beugt sich zu ihr hinab und kneift sie ins Genick, nicht gemein oder so, dass es wehtut, sondern nur, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, und meint: »Ich werde dich nicht noch mal bitten … Jetzt beweg’ deinen Arsch ins Badezimmer.«

Sie rappelt sich auf die Beine, halt sich den Bauch, als ob er jeden Augenblick platzen konnte.

»Hier entlang, Schatzchen.« Er schnappt sie sich unsanft am Arm und fuhrt sie durch das Zimmer, durch die Tur zum angrenzenden Badezimmer.

Als er so im Turrahmen steht und ihr zuschaut, verspurt der Governor auf einmal Reue. Er hatte sie nicht so grob behandeln sollen. Gleichzeitig wei? er aber, dass Philip Blake jetzt nicht nachlassen wurde. Philip hat immer das gemacht, was getan werden musste. Er war stark und entschlossen; und der Teil des Governors, der fruher einmal »Brian« gehei?en hat, muss es jetzt zu Ende bringen.

Megan ist uber das Waschbecken gebeugt und nimmt sich den Waschlappen mit zitternden Handen. Sie lasst das Wasser laufen, benetzt ihn und wischt sich dann zaghaft ab, noch immer bebend. »Ich schwore bei Gott, ich werde niemandem etwas sagen«, murmelt sie inmitten von Tranen. »Ich will nur noch nach Hause … Ich will alleine sein.«

»Genau daruber mochte ich mit dir reden«, meint der Governor von unter dem Turrahmen.

»Ich werde niemandem …«

»Sieh mich an, Su?e.«

»Ich werde niemandem …«

»Jetzt beruhige dich doch. Hol mal tief Luft und schau mir in die Augen. Megan, ich habe gesagt, du sollst mir in die Augen schauen!«

Sie gehorcht. Ihr Kinn bebt, die Tranen kullern ihr die Wangen hinab.

Er fixiert sie mit seinem Blick. »Du bist ab jetzt mit Bob zusammen.«

»Wie bitte? Was?« Sie wischt sich die Augen. »Was soll ich sein?«

»Du bist ab jetzt mit Bob zusammen. Bist du schwerhorig?«, wiederholt der Governor. »Erinnerst du dich an Bob Stookey, den Typ, mit dem du hier aufgekreuzt bist?«

Sie nickt.

»Du bist jetzt mit ihm zusammen. Verstehst du? Von jetzt ab seid ihr ein Paar.«

Sie nickt langsam.

»Ach, und noch etwas«, fugt der Governor sanft hinzu, beinahe als Nachsatz. »Wenn du irgendjemandem auch nur ein Sterbenswortchen hiervon erzahlst, kommt dein Kopf in das Aquarium neben dem Junkie.«

Kurz nachdem Megan Lafferty abgehauen ist, in die Schatten des Ganges getaucht, sich zitternd und hyperventilierend den Mantel ubergezogen hat, verschwindet der Governor im Nebenzimmer. Er lasst sich mit einem Plumps auf den Liegesessel fallen und starrt auf die Aquarien.

Er sitzt eine ganze Weile da, starrt auf die Fischtanks, verspurt eine gro?e Leere. Gedampftes Grunzen hallt durch die Zimmer hinter ihm. Die Kreatur, die einmal seine Tochter gewesen ist, hat wieder Hunger. Dem Governor kommt die Gallenflussigkeit hoch. Sein Magen verkrampft sich, und seine Augen beginnen zu tranen. Er fangt zu zittern an. Alles, was er getan hat, steigt in ihm auf, und er erleidet einen Schock, einen Schock des Entsetzens, der seine Sehnen zu Eis werden lasst.

Einen Augenblick spater sturzt er nach vorne, fallt vom Stuhl auf die Knie und beginnt zu kotzen. Abendessensuberreste fliegen uber den dreckigen Teppich. Er stutzt sich jetzt mit den Handen ab, entleert den Rest seines Mageninhalts und lehnt sich dann mit dem Rucken gegen den Liegesessel und keucht nach Luft.

Ein Teil von ihm – der tief begrabene Teil namens Brian – verspurt die Welle des Ekels, die ihn ertrankt. Er kann nicht mehr atmen, kann nicht mehr denken. Und trotzdem zwingt er sich dazu, die aufgedunsenen Gesichter anzuschauen, die sich langsam in den Aquarien heben und senken und Blasen werfen.

Er will sich abwenden, will aus dem Zimmer fluchten, weg von diesen zuckenden, gurgelnden, abgetrennten

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