Bruce aber hat bereits das Messer in der Hand, wahrend sie und Martinez eine Salve nach der anderen auf die Horde abfeuern. Die Geschosse schlagen in Augenhohlen und Unterkiefer ein und treffen schleimige Glatzkopfe, so dass schwarzes Gewebe, Blut und sonstige Korperflussigkeiten durch die Gegend spritzen.

Bruce schlitzt die Fesseln vom Governor auf, der sich in Sekundenschnelle eine Waffe schnappt.

Der Laderaum leuchtet im Mundungsfeuer auf, und schon bald kauern die funf Uberlebenden gegen die Wand zur Fahrerkabine und schie?en auf die heransturmenden Zombies, was das Zeug halt. Der Larm ist enorm, geradezu ohrenbetaubend; und er wird von dem engen Raum noch mehr verstarkt. Die Kugeln, die ihr Ziel verfehlen, prallen an den Wanden und Turen in einer wahren Funkenpracht ab.

Zerfetzte Zombies fallen zu Boden wie Dominosteine. Einige rutschen bereits auf dem schleimigen Glibber unter ihren Fu?en aus, wahrend andere es nicht mehr uber den Berg ihrer zerstorten Artgenossen schaffen. Das Trommelfeuer halt noch weitere zehn Sekunden an, und an den funf kleben uberall Gewebe, schwarzes Blut, Organe und sonstige Korperfetzen. Ein Splitter trifft Lilly in den Oberschenkel und grabt sich in ihr Fleisch. Eine Welle von Schmerz ergreift sie, bringt sie wieder zuruck in die Realitat.

Wahrend einer einzigen Minute, schier endlosen sechzig Sekunden, die Lilly wie ein ganzes Leben vorkommen, haben sie jede einzelne Kugel verschossen, in totem Fleisch vergraben, und alle Zombies, die vor den Turen des Lieferwagens gestanden haben, sacken in einem Feuerwerk aus Blut und Korperflussigkeiten zu Boden, um glitschige, schleimige Spuren zu hinterlassen.

Die letzten paar Zombies verkeilen sich in der Offnung, und in der unheimlichen Stille, die folgt, laden Gabe, Martinez und der Governor nach. Bruce aber sturzt sich auf die Offnung und tritt auf die im Weg liegenden Zombies ein, bis auch der letzte von ihnen auf den Asphalt gleitet. Lilly wirft das leere Magazin aus ihrer Ruger. Es poltert zu Boden, aber ihre geschundenen Ohren nehmen den Aufprall gar nicht mehr wahr. Ihr Gesicht, ihre Arme sind voller Blut und Fleischfetzen. Sie ladt nach. Das Einzige, was sie noch hort, ist ihr pochender Puls.

In der Zwischenzeit zerrt Bruce wie wild an den beiden Hinterturen. Die verbogenen Scharniere achzen und stohnen und geben schlie?lich nach. Aber selbst dieser Larm dringt nicht bis zu Lillys geschundenen Ohren vor.

Endlich hat Bruce es geschafft, und die funf sind wieder in der mit Blut besudelten Todeskammer eingeschlossen. Wahrend die Turen offen standen, haben alle gesehen, dass das Schlimmste noch auf sie wartet. In der Ferne, in den Waldern, welche die Stra?e umsaumen, sowie entlang der Serpentinen, die sich zu dem Plateau hinaufschlangeln, tummeln sich unzahlige Schatten.

Was sie in dem kurzen Augenblick erspaht haben, ist kaum zu begreifen. Jeder Einzelne von ihnen hat genugend Erfahrungen mit Zombies gesammelt, Scharen erlebt, selbst gro?e Scharen, aber das hier spottet jeder Beschreibung. Es handelt sich um eine Horde, wie es sie seit Ausbruch der Plage noch nicht gegeben hat. Es mussen an die tausend untote Leichen sein, die in allen nur erdenklichen Zustanden der Verwesung auf sie zutaumeln. Wohin das Auge auch blickt, uberall sind Bei?er. Reihen uber Reihen von ihnen, so dicht aneinandergedrangt, dass man ohne Probleme auf ihren Schultern spazieren gehen konnte. Sie saumen beide Seiten des Highway 85. Langsam und lethargisch, aber in einer unerschopflichen Anzahl, die nichts anderes als Massenvernichtung verhei?t, erinnert der Anblick an einen schwarzen Gletscher, der sich wahllos durch die Walder walzt, uber Stra?en und Felder stromt. An einigen hangt kaum noch ein Fetzen Fleisch, ihre Totengewander sind zerfleddert und baumeln herab wie Moos in der Finsternis. Andere klappern mit den Zahnen, schnappen hungrig in der Luft wie zuckende Schlangen, die aus ihrem Nest verscheucht wurden. Ihre schiere Anzahl, jedes einzelne Gesicht so blass wie Perlmutt, vermittelt den Eindruck einer Flut von schwarendem Eiter.

Im Lieferwagen geht es jedem Einzelnen der funf Uberlebenden so, als ob sie lebendig begraben seien – eine Urangst packt sie. Gabe hebt seine Waffe und richtet sie auf Martinez. »Du verdammter Hurensohn! Siehst du, was du angerichtet hast? Siehst du, in welche Lage du uns gebracht hast?«

Ehe irgendjemand reagieren kann, richtet Lilly ihre Waffe auf Gabe. Mit dem Drohnen in ihren Ohren hort sie nicht, was er antwortet, aber sie wei?, dass er es ernst meint. »Ich verpasse dir eine Kugel in den Kopf, wenn du nicht sofort Ruhe gibst, Arschloch!«

Bruce sturzt sich auf Lilly und halt ihr das Messer an die Kehle. »Schlampe! Du hast genau drei Sekunden, um die Knarre fallen zu lassen, sonst …«

»BRUCE!«, fahrt der Governor dazwischen und zielt auf Bruce. »Lass sie in Ruhe!«

Bruce ruhrt sich nicht vom Fleck, halt die Klinge weiterhin gegen Lillys Hals gedruckt, wahrend sie mit der Pistole Gabe im Visier hat. Martinez richtet seine Waffe auf den Governor. »Philip, hor zu«, sagt Martinez leise. »Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dich mit in den Tod nehmen werde, falls hier jemand die Nerven verliert.«

»Jetzt kommt alle mal runter! Beruhigt euch!« Die Fingerknochel des Governors sind ganz wei?, so fest umklammert er seine Waffe. »Es gibt nur eine Moglichkeit, wie wir aus dieser Zwickmuhle mit Haut und Haaren davonkommen – wir mussen zusammenarbeiten!«

Der Lieferwagen beginnt erneut zu ruckeln, als mehr und mehr Zombies auf sie zukommen.

»Woran denkst du?«, will Lilly wissen.

»Zuerst runter mit den Waffen.«

Martinez starrt Bruce an. »Bruce, nimm das Messer runter und geh zwei Schritte zuruck.«

»Tu, was er dir sagt, Bruce.« Der Governor zielt weiterhin auf Bruce, und eine einzelne Schwei?perle rollt ihm den Nasenrucken herab. »NIMM ENDLICH DAS MESSER RUNTER, ODER ICH WERDE DEINEN SCHADEL WEGPUSTEN!«

Widerwillig, die Wut lasst seine dunklen, mandelformigen Augen noch immer funkeln, senkt Bruce das Messer.

Die Zombies lassen nicht vom Wagen ab, schutteln ihn erneut, wahrend einer nach dem anderen langsam die Waffe senkt.

Martinez lasst den Lauf seines Maschinengewehrs zuletzt zu Boden sinken. »Wenn wir es in die Fahrerkabine schaffen, konnten wir uns durchpflugen.«

»Negativ!« Der Governor blickt ihn finster an. »Wir wurden diesen verfickten Ansturm direkt zuruck nach Woodbury locken!«

»Und was schlagst du vor?«, verlangt Lilly vom Governor. Es kommt ihr vor, als ob kalte Saure durch ihre Venen schie?t. Allein der Gedanke, dass sie diesem Verruckten die Zugel wieder in die Hand geben soll, lasst ihre Seele in das kleine schwarze Loch tief in ihrem Inneren verschwinden. »Wir konnen nicht einfach hier warten und Daumchen drehen.«

»Wie weit sind wir von der Stadt entfernt? Ein oder zwei Kilometer?«, erkundigt sich der Governor eher rhetorisch in die Runde und schaut sich in dem mit Blut verschmierten Inneren des Lieferwagens um, lasst die Augen von Karton zu Karton wandern. Sie fallen auf Magazine, Patronenhulsen und Munition. »Ich hatte da eine Frage«, beginnt er und wendet sich an Martinez. »Du scheinst diesen kleinen Putschversuch gut durchdacht zu haben wie ein richtiger Soldat. Haben wir zufallig auch Panzerfauste dabei? Oder irgendetwas mit einem bisschen mehr Bumms als eine stinknormale Granate?«

Es dauert keine funf Minuten, ehe sie die Geschutze ausfindig gemacht, die Panzerfaust geladen, eine Strategie ausgeheckt und sich in Stellung gebracht haben. Wahrend der ganzen Zeit ist es der Governor, der die meisten Anweisungen gibt und alles am Laufen halt, wahrend die Horde Bei?er den Lieferwagen wie ein Bienenschwarm umzingelt. Als die Uberlebenden alles so weit vorbereitet haben, um den Gegenschlag einzuleiten, sind sie bereits von unzahligen Zombies umzingelt. Das Ruckeln wird immer starker, und der Wagen droht umzukippen.

Drinnen erklingt die gedampfte Stimme des Governors: »Drei, zwei, eins.« Der Sinn dieser Worte ist den Kreaturen drau?en vollig unverstandlich, da ihre toten Gehirne zwischen ihren fauligen Ohren nicht fahig sind, ihn zu entschlusseln.

Die erste Explosion sprengt die Hinterturen in die Luft, als ob sie auf Sprengkorpern montiert gewesen waren.

Sie rei?en ein halbes Dutzend Zombies mit sich. Die von Raketen angetriebenen Granaten sausen durch die Menge wie gluhend hei?e Schurhaken durch Butter. Nach zehn Metern gehen sie in die Luft.

Die Explosion zerfetzt mindestens hundert, wenn nicht mehr Untote in der Nahe des Lieferwagens. Der Knall ahnelt dem eines Dusenjagers, der gerade die Schallmauer durchbricht. Der Boden bebt, die Schallwelle erhebt sich in den Himmel und hallt uber den Baumwipfeln wider.

Die anschlie?ende Rauchgasexplosion breitet sich aus und schnellt in den Himmel empor. Eine Flamme so gro? wie ein Basketballfeld verwandelt die Nacht in Tag. Zombies, die das Pech haben, in ihrem Pfad zu stehen,

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