auf seinem Oberkorper. Wieder halt er ihr die Ohren zu, als erneut das BADONG einer Axt auf der anderen Seite der Tur zu ihnen dringt.

Es hort sich an wie ein nasser Softball, der auf einen Baseballschlager trifft, gefolgt von einem schauderhaften, feuchten Aufschlag. Merkwurdigerweise findet Brian das am schlimmsten: dieses dumpfe, klatschende Gerausch eines Korpers, der auf die teuren Keramikfliesen trifft. Die Fliesen sind extra fur dieses Haus angefertigt worden und haben kunstvolle Einlegearbeiten und aztekische Muster. Das Haus ist wunderschon … oder ist es zumindest mal gewesen.

Dann enden die Gerausche.

Es folgt wieder die schreckliche Stille. Brian unterdruckt einen Hustenanfall. Er schlie?t ihn wie einen Feuerwerkskorper ein, der kurz vor dem Explodieren steht, damit er dem sich verandernden Atmen vor der Tur und den glitschigen Fu?stapfen lauschen kann, wie sie durch das gerinnende Blut waten. Aber es herrscht Totenstille.

Brian spurt, wie das Kind neben ihm erstarrt. Die Kleine wappnet sich gegen eine weitere Attacke von Axthieben, aber die Stille halt an.

Nur wenige Zentimeter entfernt horen sie auf einmal einen Schlussel in einem Schloss. Brian lauft es eiskalt den Rucken herunter. Kurz darauf wird die Tur geoffnet.

»Alles in Ordnung.« Der Bariton – von vielem Whiskeytrinken und Heiserkeit – gehort einem Mann, der jetzt in die dunkle Abstellkammer spaht. Seine Augen blinzeln in der Dunkelheit, das Gesicht ist feucht vor Schwei? und gerotet von der Anstrengung der Zombie-Entsorgung. Philip Blake halt eine blutverschmierte Axt in seinen rauen Handen.

»Sicher?«, bringt Brian muhsam hervor.

Ohne seinen Bruder eines Blickes zu wurdigen, konzentriert sich Philip ganz auf seine Tochter. »Alles ist in Ordnung, mein Schatz. Daddy geht es gut.«

»Bist du dir sicher?«, wiederholt Brian und fangt erneut zu husten an.

Philip schaut seinen Bruder an. »Ware es zu viel verlangt, wenn du dir die Hand vor den Mund haltst?«

Keuchend versucht Brian es noch einmal: »Bist du dir sicher, dass du Entwarnung geben kannst?«

»Schatz?« Philip Blake klingt zartlich und liebevoll, wenn er mit seiner Tochter spricht. Sein schwacher Sudstaatenakzent kaschiert die wild lodernden Flammen der Gewalt, die noch in seinen Augen flackern. »Ihr musst mir helfen und noch eine Minute hierbleiben. Alles klar? Du ruhrst dich nicht vom Fleck, bis Daddy sagt, dass du rauskommen kannst. Hast du das verstanden, mein Schatz?«

Das blasse Kind nickt kraftlos und signalisiert seinem Vater, dass es verstanden hat.

»Los, Junge«, sagt Philip und zieht seinen alteren Bruder aus der Kammer. »Ich brauche deine Hilfe beim Aufraumen.«

Brian rappelt sich auf und schlangelt sich an den Manteln vorbei in den Gang hinaus.

Als er sich aus der Abstellkammer gekampft hat, blinzelt er im hellen Licht des Flurs. Er starrt, hustet und starrt erneut auf den Anblick, der sich ihm bietet. Fur einen Augenblick scheint es ihm, als ob der uppige Eingang des zweigeschossigen Hauses im Kolonialstil, der von extravaganten Kronleuchtern aus Kupfer erhellt ist, mitten in Renovierungsarbeiten stecken wurde – und zwar durch Handwerker, die allesamt gelahmt sind. Unmengen von braunlich violetten Flecken zieren die aquamarinfarbenen Wande. Tintenklecksformige schwarze und karmesinrote Muster schmucken Fu?leisten und Stuckarbeiten. Erst jetzt bemerkt er die leblosen Gestalten auf dem Boden.

Sechs Leichen liegen da in merkwurdig verkrampften Haltungen. Das vorangegangene Gemetzel, die fahle, blutverschmierte Haut und die zerschlagenen Schadel lassen keine Schlusse mehr auf Alter oder Geschlecht zu. Der gro?te der Toten liegt in einer Lache von Blut und Erbrochenem am Fu? des gro?en Treppenaufgangs. Eine weitere Leiche – vielleicht die Hausherrin, vielleicht eine freundliche Gastgeberin, die Su?speisen und Gastfreundschaft gro?zugig verteilte – befindet sich in einem undefinierbaren Haufen auf dem schonen wei? gestrichenen Parkett. Eine lange Spur aus wurmig grauer Masse schlangelt sich aus ihrem gespaltenen Schadel.

Brian Blake spurt, wie es ihn wurgt und sich seine Kehle zusammenschnurt.

»Okay, Gentlemen. Es gibt zu tun«, sagt Philip und meint damit seine beiden Freunde Nick und Bobby ebenso wie Brian. Aber das panische Pochen von Brians Herz ubertont die Aufforderung seines Bruders.

Angstlich beaugt er die anderen Uberreste, die im Flur und an den dunkel gefleckten Fu?leisten vor dem Wohnzimmer liegen – wahrend der vergangenen zwei Tage hat es sich Philip angewohnt, die Opfer der Monster als »zweimal gekochtes Schweinefleisch« zu bezeichnen. Vielleicht sind es die Teenager, die hier einmal gewohnt haben, vielleicht aber auch Besucher, die sich mit der Ungastlichkeit eines infizierten Bisses konfrontiert sahen. Samtliche Leichen sind von einem strahlenformigen Muster aus dickflussigem Blut umgeben. Eine von ihnen, deren zerquetschter Schadel mit dem Gesicht wie ein verschutteter Suppentopf auf dem Boden liegt, pumpt weiterhin scharlachrote Flussigkeit wie ein kaputter Hydrant in die Gegend. Kleine Beile stecken noch bis zum Anschlag in den Schadeln der anderen – wie Fahnen, die Entdecker triumphierend in neu bezwungene Gipfel gesteckt haben.

Brian halt sich die Hand vor den Mund, um dem, was sich da seine Speiserohre emporarbeitet, Einhalt zu gebieten. Er spurt ein sanftes Klopfen an seiner Schadeldecke, als ob eine Motte dagegensto?en wurde. Brian blickt nach oben.

Blut tropft vom Kronleuchter uber ihm herab. Ein Tropfen fallt auf seine Nase.

»Nick, warum schnappst du dir nicht eine von den Planen, uber die wir vorher gestolpert sind, in …«

Brian fallt auf die Knie, krummt sich nach vorn und ubergibt sich. Ein regelrechter Sturzbach aus braunlich gruner Gallenflussigkeit lauft uber das Parkett und vereint sich mit den Korperflussigkeiten der Leichen.

Tranen brennen in seinen Augen, als vier Tage der Todesangst aus ihm herausbrechen.

Philip Blake stohnt angespannt auf. Adrenalin schie?t noch immer durch seine Adern. Fur einen Moment bleibt er stehen, anstatt seinem Bruder zu Hilfe zu eilen. Er legt seine blutige Axt beiseite und rollt die Augen. Es ist fast ein Wunder, dass sich in seinen Augenhohlen noch keine Furchen gebildet haben, so oft musste er uber die Jahre wegen seines Bruders die Augen rollen. Was kann er sonst tun? Der arme Hund gehort zur Familie, und Familie ist nun mal Familie … Insbesondere in so freakigen Zeiten wie diesen.

Naturlich besteht eine gewisse Ahnlichkeit zwischen den Brudern, dagegen kann auch Philip nichts machen. Gro? gewachsen, schlaksig und mit den geschmeidigen Muskeln eines Handwerkers, hat Philip Blake die gleichen markanten Zuge wie sein Bruder, die gleichen dunklen mandelformigen Augen und das gleiche pechschwarze Haar, das sie von ihrer mexikanischstammigen Mutter geerbt haben. Mama Roses Madchenname lautete Garcia. Ihre Zuge spiegeln sich deutlicher in den Gesichtern der Brudern wider als die des Vaters, eines gro?en, raubeinigen Alkoholikers irisch-schottischer Herkunft namens Ed Blake. Philip, der drei Jahre junger als Brian ist, hat zumindest dessen Muskeln geerbt.

In seinen ausgewaschenen Jeans, den Arbeitsstiefeln, dem Flanellhemd, seinem Fu-Manchu-Schnauzbart und den Tatowierungen im Stil eines Bikers bewegt er seinen eins achtzig gro?en Korper endlich auf seinen Bruder zu. Er ist drauf und dran, ihn mal wieder anzufahren, als er plotzlich innehalt. Denn er hort etwas, was ihm ganz und gar nicht gefallt – und zwar aus Richtung der Abstellkammer.

Bobby Marsh, ein fruherer Schulkamerad Philips, steht am Fu? der Treppe neben der Kammer und wischt die Axt an seiner Jeans in der Gro?e XXL ab. Er ist ein beleibter Zweiunddrei?igjahriger, der sein Studium hingeworfen hat. Mit seinen fettigen zuruckgebundenen Haaren wirkt er zwar nicht richtig dick, aber er ist auf jeden Fall ubergewichtig – genau der Typ, den seine ehemaligen Burke-County-Kommilitonen gerne einen Butterball nannten. Jetzt lacht er nervos und gereizt, als er Brian beim Ubergeben zusieht. Dem Lachen fehlt jedoch die echte Freude, es klingt hohl und schrill. Das Kichern ist zu einer dummen Angewohnheit geworden, die Bobby nicht mehr abschutteln kann.

Dieser nervose Tick fing vor drei Tagen an, als einer der ersten Untoten aus einer Tankstelle in der Nahe des Augusta-Flughafens stolperte. Der Mechaniker trug eine blutbesudelte Latzhose und schlurfte aus seinem Versteck. Er zog eine Rolle Toilettenpapier hinter sich her und hatte sich im Handumdrehen Bobbys dicken Stiernacken vorgenommen, ehe Philip sich eingemischt und das Wesen mit einer Brechstange mehr oder weniger zu Brei geschlagen hatte.

Die spatere Entdeckung jenes Tages – dass ein gezielter Schlag auf den Kopf vollauf reicht, die Ungeheuer au?er Gefecht zu setzen – veranlasste Bobby zu einem heftigen Kicheranfall, was eine nervose Abwehrreaktion vermuten lie?. Zwischen dem Gelachter stammelte er immer wieder: »Muss was im Wasser sein, Mann … Wie bei der Pest.« Aber Philip war schon damals nicht sonderlich an den Grunden fur diese Katastrophe interessiert – inzwischen noch viel weniger.

»He!«, ruft Philip seinem Freund zu. »Findest du das etwa lustig?«

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