laute Zuknallen der Haustur horen.
Brian wirft einen Blick zuruck und sieht, wie Nick mit einer uber die Schulter geworfenen Tasche auf sie zulauft und ihnen zuwinkt.
Es ist kaum vorstellbar, dass Philip nicht auf die Idee gekommen ist, einen Blick unter die Motorhaube des Trucks zu werfen. Wenn er sich nur drei Minuten Zeit genommen hatte, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, hatte er den kaputten Schlauch bemerkt. Aber Philip Blake ist in diesen Tagen nicht mehr das, was man hundertprozentig einsatzbereit nennt. Im Augenblick gleicht sein Kopf eher einem Kurzwellenradio, bei dem standig die Station gewechselt wird.
Ganz gleich, ob die Eindringlinge den Schlauch absichtlich am Tag des Kampfes kaputt gemacht haben – um sicherzugehen, dass niemand fluchten kann? – oder ob es eine umherstreunende Kugel war, die sich erst durch den Kuhler bohrte, um dann den Schlauch zu durchdringen oder ob es sich um reinen Zufall handelt – es andert jedenfalls nichts an der Tatsache, dass der Truck keine acht Kilometer weiter zu qualmen beginnt.
Etwa achtzig Kilometer sudwestlich von Atlanta, in einer Gegend, von denen die meisten Menschen behaupten wurden, sie liegt in der Mitte von Nirgendwo, fangt der Pick-up zu stottern an. Philip lenkt ihn vom Highway auf den Standstreifen, wo der Wagen seinen Geist aufgibt. Samtliche Warnleuchten auf dem Armaturenbrett blinken auf, und wei?er Dampf schie?t unter der Motorhaube hervor. Jegliche Versuche, ihn erneut zu starten, schlagen fehl. Philip beschimpft das Auto in unflatigster Weise und tritt vor Wut mit seinen Stiefeln beinahe ein Loch in die Karosse. Die beiden anderen Manner starren auf den Boden und warten schweigend darauf, dass der Anfall vorubergeht. Brian wundert sich, ob sich so eine misshandelte Ehefrau fuhlt: Man hat zu viel Angst, um zu fliehen, aber auch zu viel Angst, um zu bleiben.
Nach geraumer Zeit beruhigt sich Philip wieder. Er steigt aus und offnet die Motorhaube.
Brian geht zu ihm. »Und? Wie sieht es aus?«
»Total im Eimer.«
»Keine Chance, ihn zu reparieren?«
»Hast du zufallig einen Kuhlschlauch dabei?«
Brian wirft einen Blick uber die Schulter die Boschung hinab, an deren Fu? ein Haufen alter Autoreifen und Mull liegen. Er verfolgt die Spur Unrat und sieht etwa in funfhundert Metern Entfernung eine Gruppe von Bei?ern, die sich im Mull tummeln. Sie stolpern durch die Gegend auf der Suche nach Frischfleisch und gleichen einer Herde Truffelschweine. Noch haben sie das liegen gebliebene Auto nicht bemerkt, das dampfend auf dem Notstreifen steht.
Auf der Ladeflache beginnt Penny auf einmal, heftig an ihrer Kette zu zerren. Die Nahe zu den anderen Untoten scheint sie aufzuregen.
»Und jetzt?«, will Brian von seinem Bruder wissen, der vorsichtig und so leise wie moglich die Motorhaube wieder schlie?t.
Nick steigt ebenfalls aus und gesellt sich zu ihnen. »Und? Wie soll es weitergehen?«
Brian antwortet: »Der Plan lautet: alles beschissen.«
Nick kaut auf den Fingernageln herum und schaut uber die Schulter auf die Zombiegruppe, die sich langsam und unbeholfen durch den Mull auf sie zubewegt. »Philip, wir konnen hier nicht warten. Wir brauchen ein anderes Auto.«
Philip sto?t einen Seufzer aus. »Okay, ihr wisst ja mittlerweile, wie es geht. Schnappt euch eure Sachen, und ich nehme Penny.«
Schwer beladen machen sie sich mit Penny an der Leine auf den Weg. Zuerst folgen sie den Notstreifen entlang dem Highway. Brian humpelt mit, ohne sich zu beschweren – trotz des stechenden Schmerzes in seiner Hufte. In der Nahe von Greenville mussen sie einen Umweg in Kauf nehmen, weil eine Massenkarambolage ihnen den Weg versperrt. Um die Autowracks und die ausgebrannten Karossen, die sich uber beide Fahrbahnen ausbreiten, wimmelt es nur so von Zombies. Es hat den Anschein, als ob sich dort die Erde geoffnet und eine Unmenge von Untoten ausgespuckt hatte.
Sie biegen in eine kleine zweispurige Stra?e ein – Rural Route 100 –, die sich nach Suden durch Greenville schlangelt und den Stau umrundet. Nach zwei oder drei Kilometern hebt Philip die Hand und halt an.
»Einen Augenblick«, meint er, runzelt die Stirn und neigt den Kopf zur Seite. »Was in aller Welt kann das sein?«
»Was?«
»Das Gerausch.«
Philip lauscht, und auch die anderen sperren die Ohren auf. Er dreht sich langsam im Kreis, um die Richtung besser bestimmen zu konnen, aus der das Gerausch kommt. »Ist das ein Motor oder was?«
Jetzt hort es auch Brian. »Klingt eher wie ein Panzer!«
»Oder vielleicht ein Bulldozer?«, mutma?t Nick.
»Was auch immer«, sagt Philip. »Allzu weit weg kann es jedenfalls nicht sein.«
Sie machen sich wieder auf den Weg. Nach knapp eineinhalb Kilometern stehen sie vor einem verbeulten Schild:
WOODBURY – 1 MI.
Sie gehen weiter und betrachten verwundert den verqualmten Himmel im Westen.
»Mit wem auch immer wir es hier zu tun haben – an Treibstoff fehlt es ihnen jedenfalls nicht«, sagt Nick.
Brian mustert die Staubwolke am Horizont. »Glaubst du, dass sie uns freundlich gesinnt sind?«
»Ich will da nichts dem Zufall uberlassen«, meint Philip. »Los … Suchen wir erst einmal weiter. Immer eins nach dem anderen.«
Philip fuhrt die Truppe uber den Notstreifen und die unkrautbewachsene Boschung hinab.
Sie eilen uber einen Acker – ein riesiges, brachliegendes Feld mit weicher Erde, in die sie mit jedem Schritt tief einsinken. Der kalte Wind pfeift ihnen um die Ohren, und es dauert langer als erwartet, um die Vororte von Woodbury links liegen zu lassen und das verlassene Stadtchen zu erreichen.
Ein Walmart-Schild ragt uber eine Gruppe alter Eichen, die gelben Bogen eines McDonald’s erheben sich kurz dahinter. Mull wird durch die Stra?en geblasen, vorbei an Ziegelgebauden, die noch aus der Zeit kurz nach dem amerikanischen Burgerkrieg stammen. An der nordlichen Stadtgrenze, inmitten eines Gewirrs aus Maschendrahtzaunen, verrat das Brummen von Motoren, Hammern und Stimmengewirr die Anwesenheit von Menschen.
»Sieht ganz so aus, als ob sie eine Mauer oder so etwas bauen«, mutma?t Nick, als sie hinter einer Gruppe von Baumen in Deckung gehen. In der Ferne, etwa zweihundert Meter im Norden, macht sich rund ein Dutzend Gestalten an einem Wall zu schaffen, der bereits eine Lange von fast zwei Hauserblocks aufweist.
»Sonst scheint hier alles tot zu sein«, meint Philip. »Gibt wohl nicht so viele Uberlebende.«
»Was zum Teufel ist das?«, will Brian wissen und deutet auf eine Reihe von Flutlichtern, die halbkreisformig uber ein paar Hauserblocks westlich der Barrikade herausragen. Hauser, Zaune und Mauern verwehren den Blick auf das, was sie erhellen sollen.
»Vielleicht American Football fur die Highschool?«, rat Philip und greift nach seiner Glock. Er zieht sie aus der Jeans und uberpruft, wie viele Kugeln er im Magazin hat – noch sechs Hohlspitzgeschosse.
»Philip, was denkst du?«, will Nick mit nervoser Stimme wissen.
Brian uberlegt, ob Nick Angst hat, erneut in eine Falle zu geraten. Vielleicht stellt er sich auch nur so an, weil Philip mit dabei ist.
Ehrlich gesagt ist auch Brian nicht sonderlich darauf erpicht, diese Leute aufzuscheuchen – insbesondere deshalb, weil sie einen vermodernden Zombie mit sich herumschleppen und der Vater des besagten Zombies nervlich derart angespannt ist, dass er jederzeit zu allem fahig zu sein scheint.
Aber haben sie eine Wahl? Am westlichen Horizont ballen sich schon wieder dustere Wolken zusammen, und au?erdem wird es kalter.
»Was hast du da, Junge?«, will Philip von Brian wissen und weist mit dem Kopf auf Brians Gurtel. »Ist das etwa die Achtunddrei?iger?«
»Ja.«
»Und du hast die 357er?«, fragt er Nick, der nervos nickt. »Alles klar. Hier ist der Plan …«
Sie nahern sich von Nordosten. Bei einem Waldchen treten sie ins Freie auf die Schienen. Langsam und mit erhobenen Handen gehen sie den Strang entlang und signalisieren so, dass sie nichts Boses im Schilde fuhren. Es