noch immer unter Schlaflosigkeit. »Ich wurde sofort mit ihr tauschen, wenn sie nur wieder zu uns zuruckkehren konnte.«

Philip blickt zu Boden. Er hat eine Reihe von kaum merklichen Eigenarten entwickelt, die nur zutage treten, wenn er unter Druck steht. Er schnuffelt, schurzt die Lippen und rauspert sich. »Ich wei?, Junge. Es war nicht dein Fehler … Das, was sich da drau?en abgespielt hat. Ich hatte dir das nie antun durfen.«

Brian steigen die Tranen in die Augen. »Ich hatte mich wohl nicht anders verhalten.«

»Vergessen wir es am besten.«

»Klar.« Brian wischt sich die Augen und schaut seinen Bruder an. »Und was ist mit den Leuten in der Scheune?«

Philip erwidert Brians Blick. »Was soll mit ihnen sein?«

»Die ganze Situation macht Nick nervos … Und dann diese Gerausche … Nachts, meine ich. Nick glaubt, dass du … ah … Ihnen die Fingernagel ausrei?t.«

Ein kaltes Lacheln spielt um Philips Lippen. »Das ist doch krank.«

Brian verzieht keine Miene. »Philip. Ganz gleich, was du in der Scheune anstellst – es bringt Penny nicht zuruck.«

Philip senkt den Kopf. »Das wei? ich … Glaubst du denn, dass ich mir dessen nicht bewusst bin?«

»Dann flehe ich dich an: Hor auf damit. Ganz gleich, was du dort anstellst – hor auf!« Brian starrt ihn an. »Das hat doch keinen Zweck.«

Philip hebt den Kopf und starrt seinen Bruder an. Seine Augen gluhen vor Besessenheit. »Der Abschaum da drau?en hat mir alles genommen, was mir jemals etwas bedeutet hat … Der Glatzkopf und seine Bande … Die beiden Junkies … Sie haben das Leben eines wunderschonen, unschuldigen, kleinen Madchens zerstort. Aus Wahnsinn und Habgier. Es gibt nichts, das ich ihnen antun konnte, was auch nur annahernd eine gerechte Strafe ware.«

Brian seufzt. Weitere Proteste wurden auf taube Ohren sto?en, das wei? er. Also nimmt er seinen Kaffeebecher.

»Und du liegst falsch mit der Behauptung, dass es keinen Zweck hat«, fahrt Philip nach einer Weile fort. »Es dient dem Zweck, dass es mir besser geht.«

Am nachsten Abend, nachdem sie die Lichter ausgemacht haben und die Feuer in den Kaminen vergluhen, beginnt der Wind mit den Dachfenstern und den losen Schindeln zu spielen. Brian liegt in seinem Bett im Nahzimmer und versucht, sich einem unruhigen Schlaf hinzugeben, als er eine Tur hort und Nick Parsons’ Silhouette auf seiner Schwelle erscheint. Brian setzt sich auf. »Was ist los, Nick?«

»Still«, flustert Nick, tritt zu ihm ans Bett und kniet sich hin. Er tragt einen Mantel und Handschuhe. Eine Ausbuchtung an der Hufte lasst darauf schlie?en, dass er eine Pistole eingesteckt hat. »Nicht so laut.«

»Was ist los?«

»Dein Bruder schlaft … Endlich.«

»Und?«

»Na, wir mussen also … Wie hei?t es? Wir mussen … eingreifen.«

»Was? Meinst du Penny? Hast du etwa noch einmal vor, Penny ins Jenseits zu befordern?«

»Nein! Die Scheune, Mann! Die Scheune!«

Brian reibt sich die Augen und streckt seine schmerzenden Gliedma?en. »Ich wei? nicht, ob ich mir das schon wieder antun will.«

Sie schleichen aus der Hintertur, jeder von ihnen mit einer Knarre bewaffnet. Nick hat die Waffe des Glatzkopfs eingesteckt, und Brian den Achtunddrei?iger mit dem kurzen Lauf. Leise laufen sie durch den Hinterhof zur Scheune. Dort richtet Brian den Strahl seiner Taschenlampe auf das Vorhangeschloss. Sie nehmen ein Stuck Holz von einem Stapel und brechen damit, so leise wie es geht, die maroden Tore auf.

Brians Herz schlagt ihm bis zum Hals, als sie sich in die dunkle Scheune wagen.

Der Gestank nach Schimmel und Fakalien schlagt ihnen entgegen. Er wird immer penetranter, je tiefer sie sich in die dusteren Schatten der Scheune begeben. Endlich erkennen sie zwei dunkle Gestalten, die in einer Blutlache liegen, das so schwarz wie Ol ist. Sie scheinen kaum mehr etwas Menschliches an sich zu haben. Als Brian den Schein der Lampe auf ein blasses Gesicht richtet, verschlagt es ihm den Atem.

»Grundgutiger!«

Der Mann und die Frau sind noch am Leben – gerade noch. Ihre Gesichter sind entstellt und stark angeschwollen, auf ihren entblo?ten Korpern sind uberall offene Wunden, aus denen Eiter quillt. Beide stehen kurz vor der Bewusstlosigkeit. Ihre halb geschlossenen Augen starren zu den Dachsparren. Die Frau wurde brutalst misshandelt und vergewaltigt. Sie gleicht einer gebrochenen Gliederpuppe. Ihre Beine sind auseinandergerissen, und ihre wei?e, tatowierte Haut ist voll getrocknetem Blut.

Brian fangt zu stammeln an. »Mein Gott … Was ist … Grundgutiger …«

Nick kniet sich neben die Frau. »Brian, hol Wasser.«

»Und was ist mit …«

»Aus dem Brunnen, und zwar schnell!«

Brian uberlasst Nick die Taschenlampe, dreht sich um und eilt aus der Scheune.

Nick richtet den Strahl auf die Wunden und Entzundungen – manche von ihnen sind bereits alt und halb verfault. Die Brust des Mannes hebt und senkt sich in raschen Abstanden. Die Frau bemuht sich, ihre wassrigen Augen auf Nick zu fokussieren. Sie blinzelt wie eine Wahnsinnige.

Ihre Lippen bewegen sich unter dem Klebeband. Nick zieht es vorsichtig von ihrem Gesicht.

»B-b-biiittt-t-t-ttt …« Sie versucht, ihm etwas mitzuteilen, etwas Dringendes, aber Nick versteht kein Wort.

»Es ist alles gut. Wir sind hier, um euch zu helfen. Alles wird gut.«

»T-t-ttto …«

»Was? Ich verstehe nicht …«

Die Frau versucht noch einmal zu schlucken. »T-tote unssss … B-bitte …«

Nick starrt sie an. Sein Magen verkrampft sich. Er spurt, wie ihn etwas an der Hufte beruhrt. Es ist die schorfbedeckte Hand der Frau, die nach dem Pistolengriff fasst, der aus Nicks Gurtel ragt. Nick gibt innerlich nach, und sein Herz rutscht ihm bis in die Hose.

Er zieht seine Waffe heraus, steht auf und starrt lange auf die beiden ubel zugerichteten Geschopfe vor ihm.

Dann spricht er ein Gebet. Den dreiundzwanzigsten Psalm.

Brian ist auf dem Ruckweg zur Scheune. Er tragt einen Plastikeimer voll Brunnenwasser. Plotzlich hort er zwei gedampfte Schusse. Sie klingen wie Feuerwerkskorper, die in Dosen explodieren. Die Schusse sind kurz und hart. Brian halt mitten im Schritt inne, sodass er etwas Wasser verschuttet. Uberrascht sto?t er einen leisen Schrei aus.

Da bemerkt er im Augenwinkel, wie ein kleines Licht hinter einem der Fenster im oberen Geschoss der Villa angeht. Philips Zimmer. Der Strahl einer Taschenlampe erscheint und verschwindet wieder, gefolgt von einer Reihe von Schritten die Treppe hinunter und durch das Haus – schnell und zielstrebig. Brian schuttelt sich.

Er lasst den Kubel stehen und rennt uber den Hinterhof in die dunkle Scheune. Er sieht einen kleinen silbernen Lichtstrahl und rast auf Nick zu, der sich gerade uber die zwei Gefangenen beugt.

Kordid steigt aus dem Lauf der Waffe in Nicks rechter Hand. Sie hangt jetzt locker an seiner Seite herab. Beide Manner starren auf die leblosen Korper vor ihnen.

Brian will gerade etwas sagen, als er den Blick auf die klaffenden Kopfwunden richtet, Blut und Gewebe bilden ein bizarres Gebilde auf der Stalltur, an der die beiden lehnten. Jetzt schimmern die menschlichen Uberreste im Schein der Taschenlampe.

Mann und Frau sind tot. Beide liegen in ihrem Blut. Ihre Gesichter wirken fast friedlich, endlich befreit von den Qualen der Folter und der Pein. Brian versucht erneut, etwas zu sagen.

Aber es fehlen ihm die Worte.

Einen Moment spater werden die Flugeltore aufgerissen, und ein zorniger Philip sturmt herein. Die Hande sind zu Fausten geballt, das Gesicht vor Rage verzerrt, die Augen funkeln wahnsinnig. Er rennt durch die Dunkelheit auf das Licht zu. Es sieht so aus, als ob er die beiden verschlingen will. In seinem Gurtel stecken eine Pistole und eine Machete.

Dann wird er langsamer.

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