Blutfluss zu stoppen. Die klaffende Wunde hat die Form einer Sichel. Er presst die Hand noch starker darauf, aber das Blut hort nicht auf zu flie?en. Panisch rei?t er ein Stuck ihres T-Shirts ab und versucht, zumindest einige Locher mit dem Stoff zu stopfen. Doch inzwischen ist das Blut uberall. Brian wimmert. Er redet mit Penny, wahrend das Rot durch seine Finger rinnt und der Killer immer naher kommt. »Das wird schon wieder. Du wirst schon wieder. Wir kriegen dich schon wieder hin. Du wirst schon sehen, so gut wie neu …«

Brians Arme und Hufte werden von ihrem warmen, Lebenssaft bedeckt. Sie flustert schwach: »… Weg …«.

»Nein, Penny. Nein! Du darfst nicht weg … Lass mich nicht allein, noch nicht, nicht jetzt … Geh nicht!«

Brian hort, wie ein Ast hinter ihm unter dem Gewicht eines Stiefels bricht.

Ein Schatten legt sich auf Penny.

Eine raue Stimme ertont. »Eine verdammte Schande.« Dann spurt er, wie sich das kalte Ende eines Gewehrlaufs in seinen Nacken bohrt. »Schau sie dir noch einmal genau an.«

Brian dreht sich um und starrt den Morder an. Es ist ein gro?er Kerl mit unzahligen Tattoos, einem Bierbauch und einem Bart. Er richtet die Schrotflinte jetzt direkt in Brians Gesicht. »Schau sie dir an … Es wird das Letzte sein, was du in deinem Leben siehst.«

Brian halt die Hand noch immer auf Pennys Wunde gedruckt, wei? aber, dass es zu spat ist.

Sie wird es nicht schaffen.

Mit dieser Gewissheit ist Brian ebenfalls bereit … Jetzt kann er sterben.

Die Explosion hat etwas von einem Traum an sich – als ob Brian plotzlich aus seinem Korper gerissen wird und hoch uber die Obstplantage fliegt. Von oben kann er alles wie eine korperlose Seele verfolgen. Er ist bei dem lauten Knall nach vorne gefallen, zuckt aber beinahe im selben Augenblick zusammen. Ein Blutschleier legt sich uber seinen Arm und uber Penny. War der Einschlag der Kugel aus dieser minimalen Entfernung so katastrophal, dass er nichts mehr spurt? Ist er vielleicht bereits tot, ohne es zu wissen?

Der Schatten des Morders sinkt wie in Zeitlupe zu Boden.

Brian dreht sich gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, dass der Bartige von hinten erschossen wurde. Sein Schadel gleicht rotem Brei, sein Bart ist voller Blut und Gewebe. Die Augen sind zuruckgerollt, als er zusammenbricht. Brian starrt auf das Spektakel. Wie ein fallender Vorhang gibt der zu Boden sackende Mann die Sicht auf zwei Gestalten frei, die auf Brian und Penny zulaufen.

»GOTT! NEIN!« Philip wirft das Gewehr – es raucht noch, so hei? ist es – zu Boden, um sich den Weg schneller bahnen zu konnen. Nick folgt dicht hinter ihm. Philip sto?t Brian beiseite. »NEIN! NEIN!«

Philip fallt neben seinem sterbenden Kind auf die Knie. Penny droht jetzt am eigenen Blut zu ersticken. Er hebt sie hoch und beruhrt zartlich die klaffende Wunde, als ob es nur ein Kratzer ware – nichts Schlimmes, nur eine Schurfwunde. Er zieht das Madchen an sich und umarmt es, wahrend das Blut weiter aus seinem Korper stromt.

Philip wiegt sein blutbesudeltes Kind in den Armen hin und her.

Wahrend er die Kleine halt, sto?t sie ein paar rochelnde Seufzer aus. Ihr Gesicht ist so wei? und klar wie Porzellan. Philip schuttelt sie. »Schatz … Bleib bei uns … Bleib bei uns … Mach schon … Du musst bei uns bleiben … Bitte … Schatz? Schatz? Schatz?«

Eine grauenvolle Stille erfullt die bedruckende Szene.

»O Gott«, murmelt Nick und senkt den Blick.

Philip halt sein Kind weiter in den Armen. Es scheint eine halbe Ewigkeit zu vergehen. Nick starrt die ganze Zeit auf den Boden und betet leise vor sich hin. Brian liegt der Lange nach keine zwei Meter entfernt auf dem Waldgrund. Er weint und stammelt unentwegt mehr zu sich selbst als zu den anderen. »Ich habe es versucht … Alles ist so schnell gegangen … Ich konnte nicht … Es war … Ich kann nicht … Ich kann nicht … Penny war …«

Plotzlich packt ihn eine harte Pranke am Nacken.

»Was habe ich gesagt?«, knurrt Philip und rei?t seinen Bruder auf die Fu?e, ehe er ihn gegen den nachsten Baumstamm schleudert. Brian sackt in sich zusammen.

»Philly! Nein!« Nick will sich zwischen die beiden Bruder werfen, aber Philip schubst ihn so hart beiseite, dass der kleinere Mann zu Boden taumelt. Philip legt die rechte Hand um Brians Hals.

»Was habe ich dir gesagt?« Er knallt ihn erneut mit aller Wucht gegen den Baumstamm. Brians Schadel prallt auf die Rinde, und Wogen aus Schmerz und grellem Licht verschleiern ihm den Blick. Er unternimmt keinen Versuch, sich zu wehren oder zu fluchten. Brian will nur noch sterben. Er will durch die Hande seines Bruders erlost werden.

»WAS HABE ICH GESAGT?« Philip rei?t Brian hoch, ehe er ihn wieder zu Boden schleudert. Eine Schulter wird mit ungeheurer Wucht in Brians Gesicht gerammt, ehe er sich einem Hagel von Tritten ausgesetzt sieht. Er rollt beiseite, und ein Tritt erwischt ihn im Gesicht. Der Tritt ist hart genug, um seinen Unterkiefer zu brechen. Ein weiterer zerfetzt drei Rippen, sodass ein scharfer Schmerz durch seine Seite schie?t. Der nachste landet im Kreuz, und schimmernder, greller Schmerz schie?t ihm durch das Stei?bein. Nach einer Weile spurt Brian die Qualen kaum noch. Ihm bleibt sowieso nichts anderes ubrig, als es uber sich ergehen zu lassen. Er blickt von oben auf seinen demolierten Korper herab und gibt sich ganz seiner Strafe hin.

Neunzehn

Am nachsten Tag verbringt Philip eine Stunde im Gerateschuppen hinter der Villa. Er geht die Sammlung von Waffen durch, welche die Eindringlinge hinterlassen haben, und untersucht samtliche auch nur andeutungsweise scharfen Werkzeuge und sonstige Geratschaften, die vielleicht als Waffe genutzt werden konnten. Er wei?, was zu tun ist, aber sich fur die Art der Exekution zu entscheiden, ist ihm beinahe unmoglich. Zuerst wahlt er die Neun- Millimeter-Semiautomatik. Das geht am schnellsten und ist am saubersten. Dann kommen ihm Zweifel. Soll er wirklich eine Schusswaffe nehmen? Das scheint irgendwie unfair zu sein. Zu kalt, zu unpersonlich. Aber eine Axt oder eine Machete zu benutzen, das bringt er auch nicht ubers Herz. Zu schmutzig, zu ungewiss. Was, wenn er nur einen Zentimeter daneben schlagt?

Endlich entscheidet er sich fur die Neun-Millimeter-Glock. Er schiebt ein neues Magazin in den Griff und sichert es.

Dann holt er tief Luft und geht zur Tur. Dort halt er inne und bereitet sich innerlich auf das Bevorstehende vor. Ab und zu hort er ein Kratzen, welches das Innere des Schuppens zu fullen scheint. Die Villa und das Grundstuck sind voller Bei?er. Das Gemetzel von gestern hat sie in Scharen angezogen. Philip tritt gegen die Tur.

Eine Frau mittleren Alters in einer schmutzigen Schurze kriegt sie mitten ins Gesicht geknallt. Die Wucht des Schlags lasst sie zurucktaumeln und mit den Armen fuchteln. Aus ihrer verwesten Kehle dringt ein gespenstisches Stohnen. Philip geht an ihr vorbei. Beilaufig hebt er die Waffe und befordert die Frau ohne innezuhalten mit einem einzigen Schuss in den Schadel ins Jenseits.

Das Echo hallt durch das Anwesen, als die Leiche durch die Kugel zur Seite geschleudert wird, ehe sie zu Boden sackt.

Philip marschiert um die Villa herum und verpasst zwei weiteren Bei?ern den letzten Segen – einem alten Mann in vergilbter Unterwasche, vielleicht ein Ausrei?er aus einem Altenheim, und hochstwahrscheinlich einem ehemaligen Obstbauern, dessen aufgedunsener, schwarzlicher Korper noch immer in einer verklebten Latzhose steckt. Ohne Aufhebens verpasst er ihnen jeweils eine Kugel und nimmt sich vor, ihre Uberreste spater mithilfe des Schneeschieberaufsatzes fur den Maher beiseitezuschaffen.

Seit Penny in seinen Armen gestorben ist, sind beinahe vierundzwanzig Stunden vergangen, und die Morgendammerung enthullt einen klaren, blauen Herbsthimmel uber den Baumen der Obstplantage. Philip hat beinahe einen ganzen Tag gebraucht, um sich im Klaren zu sein, dass es keinen Ausweg gibt. Jetzt nimmt er die Waffe in die feuchte Hand und betritt den Hain.

Im Magazin stecken noch funf Kugeln.

Im Schatten der Plantage windet sich eine Gestalt an einem alten Baum. Sie stohnt und achzt. Trotz der Tatsache, dass sie mit Stricken und Klebeband festgebunden ist, versucht das gefangene Wesen immer wieder verzweifelt zu fliehen. Philip hebt die Waffe. Er zielt mit dem Lauf genau zwischen die Augen, und fur einen winzigen Augenblick wunscht sich Philip nichts mehr, als dass alles ganz schnell vorbei ist. Wunde aufstechen, Tumor

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