das Werk des Bosen, des Teufels, des Satans ist.«

»Nick …«

»Nein, ich will, dass du mir zuhorst. Ich habe viel daruber nachgedacht.«

»Na gut, ich hore.«

»Was hasst Satan am meisten? Die Macht der Liebe? Vielleicht. Wenn jemand wiedergeboren wird? Ja, auch moglich. Aber ich glaube, wenn jemand stirbt und seine Seele aufsteigt – das ist es, was ihn am meisten wurmt.«

»Verstehe ich nicht.«

Nick erwidert Brians verstandnislosen Blick. »Das passiert gerade, Brian. Der Teufel hat einen Weg gefunden, wie er die Seelen auf der Erde behalten kann.«

Brian denkt eine Weile nach. Nick erwartet nicht, dass er ihm glaubt, aber vielleicht fangt er zumindest an zu verstehen, worum es gehen konnte.

Der Nordwind pfeift um die Fensterladen. Das Wetter schlagt um. Die Villa achzt und stohnt. Nick stellt den Kragen seines Wollhemds auf – vor einigen Tagen haben sie warme Klamotten auf dem Dachboden gefunden. Er beginnt zu frieren. Es ist kalt im ersten Stock. »Was dein Bruder macht, ist falsch, Brian. Es ist gegen Gottes Willen«, erklart er. Noch lange hallen seine Worte in der eisigen Luft wider.

Zur gleichen Zeit prasselt drau?en in der Dunkelheit der Obstplantage ein kleines Lagerfeuer und wirft seine unheimlichen Schatten in die Umgebung. Philip sitzt auf der kalten Erde vor den Flammen, das Gewehr neben ihm. Auf seinem Scho? liegt ein modriges, kleines Buch, das er in einem Kinderzimmer der Villa gefunden hat. »Lass mich rein, lass mich rein, kleines Schwein«, liest Philip in gequaltem Singsang vor. »Ich werde strampeln und trampeln, ich werde husten und prusten und dir dein Haus zusammenpusten.«

Einen Meter entfernt, an einen Baumstamm gebunden, faucht und geifert Penny Blake bei jedem Wort. Ihre kleinen Zahne bei?en erfolglos in die Luft.

»Bin ganz allein, bin ganz allein, ich lass dich nicht ins Haus herein«, fahrt Philip fort und blattert die hauchdunne Seite um. Er halt inne und wirft einen Blick auf das Wesen, das einmal seine Tochter war.

Pennys Gesicht verzerrt sich im flackernden Licht der Flammen vor unstillbarem Hunger. Ihre Fratze ist faltig und aufgedunsen, um die Huften mit Draht an den Baum gebunden, bebt und windet sich. Sie streckt ihre Finger aus und fasst immer wieder ins Leere.

»Und der Wolf strampelt und trampelt, er hustet und prustet und pustet das ganze Haus zusammen.« Eine qualvolle Pause folgt. Dann liest er mit niedergeschlagener Stimme weiter, in der sowohl Trauer als auch Wahnsinn mitschwingen. »Und er fra? das Schweinchen.«

Philip Blake findet im Laufe der Woche nur wenig Schlaf. Er versucht, zumindest ein paar Stunden pro Nacht zu erhaschen, aber er ist so nervos, dass er sich von einer Seite auf die andere walzt, bis er aufsteht, um etwas – irgendetwas – zu tun. Die meisten Nachte geht er zur Scheune, um seine unbandige Wut an Sonny und Cher auszuleben. Sie sind die Ausloser, warum sich Penny verwandelt hat, und es ist Philips Aufgabe sicherzustellen, dass sie so sehr leiden, wie noch nie ein Mann oder eine Frau vor ihnen gelitten hat. Die Aufgabe, sie nicht sterben zu lassen, macht ihm zu schaffen. Ab und zu muss Philip ihnen Wasser geben, damit sie am Leben bleiben. Er muss auch aufpassen, dass sie sich nicht selbst umbringen, um ihren Qualen zu entkommen. Wie jeder gute Kerkermeister halt er sie gefesselt und au?er Reichweite jeglicher scharfer Gegenstande.

In dieser Nacht aber – Philip glaubt, dass Freitag ist – wartet er, bis Brian und Nick eingeschlafen sind, ehe er aus seinem Schlafzimmer schlupft, seine Jeansjacke uberwirft und die Stiefel anzieht, um sich aus der Hintertur uber den mondbeschienenen Hinterhof zu der verwitterten Scheune zu schleichen. Wie immer kundigt er sich laut an.

»Daddy ist wieder da«, flustert er gespielt freundlich. Sein Atem ist in der kalten Nachtluft zu sehen, als er das Vorhangeschloss abnimmt und die Tore offnet.

Er schaltet die batteriebetriebene Lampe an.

Sonny und Cher sitzen zusammengesackt in der Ecke, in die er sie gepfercht hat – zwei mitgenommene Geschopfe, gefesselt wie zwei Schweine, Seite an Seite. Sie sitzen in einer Lache aus Blut und Fakalien. Sonny ist kaum bei Bewusstsein. Sein Kopf hangt herab, seine Junkie-Augenlider rot umrandet, auch Cher ist wie bewusstlos. Sie liegt neben ihm, ihre Lederhose hangt ihr um die Fesseln.

Sie horen die Gerausche von Philips Folterwerkzeugen – eine Nadelzange, Stacheldraht, Kantholzer mit rostigen Nageln und diverse ungehobelte Holzer und stumpfe Metallgegenstande, die Philip zusammengesammelt hat.

»Aufwachen, meine Liebe!« Philip dreht die Frau auf den Rucken. Die Fesseln schnuren sich in ihre Handgelenke, aber der Strick um ihren Nacken lasst nicht zu, dass sie allzu sehr protestiert. Er verpasst ihr einen Schlag, und ihre Augen offnen sich fur einen Moment. Er verpasst ihr eine weitere Ohrfeige. Jetzt kommt sie zu sich. Ihre Schreie werden durch das Klebeband uber ihren Mund horbar gedampft.

Irgendwann schafft sie es, ihren blutigen Schlupfer wieder hochzuziehen, um sich zu bedecken.

»Ich mochte euch noch einmal auf etwas hinweisen«, sagt Philip und rei?t ihr den Schlupfer wieder bis zu den Knien herunter. Er steht uber ihr und druckt ihre Beine mit seinen Stiefeln auseinander, um den Weg frei zu machen. Sie windet sich unter ihm, als ob sie aus ihrer eigenen Haut fliehen will. »Ihr seid diejenigen, die mir meine Tochter genommen haben. Also gehen wir auch zusammen in die Holle.«

Philip offnet den Gurtel, lasst die Hose fallen und will sich gerade in eindeutiger Weise um Cher kummern, als er drau?en Schritte hort, die auf dem Kies knirschen. Schritte, die sich der Stelle nahern, wo Penny ist!

Philip verlasst die Scheune und sieht, wie die Gestalt im Schatten der Baume verschwindet. Sie hat eine gedrungene Statur und wirkt wie ein Mann um die drei?ig. Er tragt Jeans und einen Pullover und schultert eine gro?e rostige Schaufel.

»Nick!«

Philips Ruf wird nicht erwidert. Nick ist zwischen den Baumen verschwunden.

Philip zieht die Neun-Millimeter aus dem Gurtel und rennt zur Obstplantage. Auf dem Weg dorthin schiebt er ein neues Magazin hinein, ehe ihn die Dunkelheit erfasst und er die Taschenlampe anmachen muss.

In zehn Metern Entfernung sieht er, dass Nick Parsons seine Taschenlampe auf das bleigraue Gesicht der Penny-Kreatur richtet.

»NICK!«

Nick dreht sich um, die Schaufel bereits erhoben. Er lasst die Taschenlampe fallen. »Das ist schon zu weit gegangen, Philly. Viel zu weit.«

»Runter mit der Schaufel«, befiehlt Philip und tritt mit erhobener Pistole zu ihm. Der Schein der Taschenlampe erhellt die Blatter und taucht die Szene in ein unheimliches Licht – fast wie in einem grobkornigen Schwarzwei?film.

»Du kannst deiner Tochter so etwas nicht antun. Du wei?t nicht, was du da verbrichst.«

»Runter mit der Schaufel!«

»Du haltst ihre Seele davon ab, ins Paradies zu kommen, Philly.«

»Halt’s Maul!«

Funf Meter entfernt rei?t das Penny-Geschopf an seinen Fesseln. Der Strahl der Taschenlampe, die auf dem Boden liegt, erhellt ihre monstrosen Gesichtszuge. In ihren Augen spiegelt sich das silbrige Licht wider.

»Philly, hor mir zu.« Nick senkt die Schaufel. In seiner Stimme schwingt tiefes Mitleid mit. »Du musst sie sterben lassen … Sie ist eines von Gottes Kindern. Bitte … Ich flehe dich an, als Christ … Bitte erlose sie.«

Philip zielt mit dem Lauf der Pistole direkt auf Nicks Stirn. »Wenn sie stirbt … Dann bist du der Nachste.«

Einen Augenblick lang scheint es, als ob Nick Parsons verloren hatte.

Er lasst die Schaufel fallen, den Kopf hangen und macht sich dann wieder wortlos auf den Weg zur Villa.

Wahrend dieser schrecklichen Auseinandersetzung halt das Penny-Wesen seinen gierig ausdruckslosen Blick auf den Mann gerichtet, der einmal sein Vater war.

Brian geht es immer besser. Sechs Tage nach den Schlagen fuhlt er sich fit genug, um aufzustehen und durch das Haus zu hinken. Seine Hufte tut bei jedem Schritt weh, und er leidet unter Schwindelanfallen, wenn er die Treppe hinauf- oder hinuntermuss. Aber im Gro?en und Ganzen kann er zufrieden sein. Seine Prellungen und Blutergusse sind mehr oder weniger abgeklungen, und er verspurt die ersten Anzeichen von Appetit. Au?erdem hat er sich mit Philip unterhalten.

»Ich vermisse sie so sehr«, beichtet Brian seinem Bruder eines Nachts in der Kuche. Beide Manner leiden

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