anfangs schwer, seinen Kreislauf wieder in Schwung zu bringen. Aber er fuhlt sich gereinigt und so klar im Kopf wie selten zuvor. Er humpelt in die Kuche, sucht nach etwas zu essen, findet aber nichts au?er einigen Dosen mit Pfirsichen. Er offnet eine und verschlingt den Inhalt mit wildem Hei?hunger. Der Saft tropft ihm vom Kinn. Pfirsiche haben ihm noch nie so gut geschmeckt. Es scheint ihm beinahe, als ob er noch nie zuvor Pfirsiche probiert hatte. Dann geht er ins Schlafzimmer und streift sich die verdreckten Kleider vom Leib, um sich eine neue Jeans und sein einziges anderes Hemd uberzuziehen – ein AC/DC-T-Shirt. Er schnappt sich ein Paar Doc-Martens-Stiefel, schlupft hinein und schnurt sie zu.

An der Tur hangt ein gro?er, gesprungener Spiegel.

Ein drahtiges, zerzaustes, leicht gedrungenes Frettchen von Mann starrt ihn an. Der Sprung im Spiegel spaltet sein schmales Gesicht und die Mahne seines langen, dunklen, unbandigen Haars. Seine Miene wird von einem strahnigen Backenbart eingerahmt, und die eingesunkenen Augen stecken tief in ihren Hohlen, umgeben von dunklen Umrandungen. Er erkennt sich kaum selbst wieder.

»Wie auch immer«, sagt er zum Spiegel und verlasst das Schlafzimmer.

Im Wohnzimmer holt er seine Achtunddrei?iger, schnappt sich das letzte Magazin – die letzten sechs Kugeln, die er hat – und schiebt die Waffe hinten in den Gurtel. Das Magazin steckt er in eine Hosentasche.

Dann stattet er seiner Zombie-Nichte einen Besuch ab.

»Hallo, Kleines«, begru?t er sie mit sanfter Stimme, als er die Waschkuche betritt. Die kleine, mit Linoleum ausgelegte Kammer stinkt nach Tod. Brian bemerkt den ublen Geruch jedoch kaum, sondern geht sofort auf die Penny-Kreatur zu, die ihn anknurrt und an ihren Ketten rei?t. Ihre Hautfarbe erinnert an Zement, und ihre Augen sind so glatt und ausdruckslos wie matt geschliffene Steine.

Brian kniet sich vor sie hin und wagt einen Blick in den Eimer. Er ist leer.

Dann schaut er sie an. »Du wei?t, wie sehr ich dich liebe, oder?«

Das Penny-Ding faucht ihn an.

Brian streichelt ihre dunne, kleine Ferse. »Ich gehe jetzt fort, um etwas Proviant zu holen, Schatz, und bin gleich wieder da. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

Die kleine Untote legt den Kopf zur Seite und sto?t ein Grunzen aus, das klingt, als ob Luft durch verrostete Rohre gepresst werden wurde. Brian klopft ihr aufs Bein – stets darauf bedacht, au?er Reichweite ihrer Zahne zu bleiben – und steht dann auf.

»Bis bald, Su?e.«

In dem Augenblick, als Brian unbemerkt aus der Seitentur der Wohnung schleicht und sich mit gesenktem Kopf und den Handen in den Taschen durch die windgepeitschten Felder aufmacht, wei? er, dass etwas nicht stimmt. Die Pferderennbahn, die zum Autodrom umfunktioniert wurde, liegt still in der Ferne da. Einige der Ansassigen eilen an ihm vorbei, die Augen vor Panik weit aufgerissen. Die Luft tragt ihm den Gestank der Toten und Verwesenden zu. Links hinter der Barrikade aus Bussen und alleinstehenden Hausern wandern unzahlige Untote an der Grenze entlang und suchen nach einem Loch, nach einem Weg nach drinnen. Vor sich sieht er schwarzen Rauch aus dem Schornstein des Krematoriums aufsteigen. Brian legt einen Zahn zu.

Als er sich dem Marktplatz nahert, erkennt er in der Ferne, dass mit Gewehren und Fernglasern ausgerustete Manner auf dem holzernen Wall am nordlichen Ende der Sicherheitszone stehen, wo der Zaun noch gebaut wird. Sie machen keinen glucklichen Eindruck. Brian eilt weiter. Sein Schmerz, die steifen Glieder, seine angebrochenen Rippen – all das verschwindet bei den Unmengen von Adrenalin, die jetzt durch seinen Korper pumpen.

Die Lebensmittel von Woodbury werden in einem Lagerhaus aus Ziegeln dem Gerichtsgebaude gegenuber gehortet. Brian halt vor der Lagerhalle inne, als er die drei alten obdachlosen Manner vor dem Gebaude stehen sieht. Mehrere Leute warten auf den Stufen und ziehen nervos an ihren Zigaretten, wahrend andere den Eingang versperren. Brian geht uber die Stra?e und gesellt sich zu der Menge.

»Was ist hier los?«, fragt er den alten Mann im Heilsarmeemantel.

»Probleme in Gotham City, Kleiner«, erwidert der Alte und deutet mit einem verschrumpelten Daumen auf das Gerichtsgebaude. »Die halbe Stadt hat sich da drinnen versammelt und berat sich.«

»Wieso? Ist etwas passiert?«

»Gestern wurden drei weitere Anwohner gefunden. Im Wald. Fein sauberlich abgenagt bis auf die Knochen … Hier wimmelt es nur so von Bei?ern. Der Larm des Rennens hat sie wahrscheinlich angelockt. Verdammte Verruckte! Warum haben sie nur so viel Krach gemacht?«

Einen Moment lang uberlegt Brian, wie es jetzt weitergehen soll. Er konnte sich einfach aus der Affare ziehen, indem er seine Siebensachen nimmt und abhaut. Er konnte sich einfach ein Auto schnappen, alles aufladen, Penny in den Kofferraum stecken und losfahren.

Hier schuldet er niemandem etwas. Am besten ist es, sich zu verdunnisieren und dem Kaff so schnell wie moglich den Rucken zuzudrehen. Das ware eindeutig die beste Vorgehensweise. Aber etwas in Brian lasst ihn noch einmal daruber nachdenken. Was wurde Philip tun?

Brian starrt auf die aufgebrachte Menge, die sich vor dem Eingang zum Regierungsgebaude drangt.

Dreiundzwanzig

Wei? denn uberhaupt jemand, wie sie hie?en?« Eine Frau Ende sechzig mit lockigen grauen Haaren steht im hintersten Teil des Versammlungsraums im Parterre des Gebaudes. Die Venen in ihrem Hals pulsieren vor Anspannung.

Etwa drei?ig Einwohner von Woodbury haben sich hier zusammengefunden – Stadtrate, Familienoberhaupter, ehemalige Kaufleute und Passanten, die hier zufallig gestrandet sind. Sie sitzen unruhig in zerfetzten Klamotten und schmutzigen Schuhen da und blicken nach vorn. Das Ganze strahlt Weltuntergangsstimmung aus. Putz fallt von den Wanden und Decken, Kaffeemaschinen liegen auf dem Boden, die Stecker sind abgerissen, und Drahte ragen aus den Wanden. Auf dem Parkett liegen Mull und Schutt.

»Das ist doch vollig gleich!«, brullt Major Gene Gavin vom Rednerpult. Hinter ihm stehen seine Speichellecker mit M4-Sturmgewehren an den Huften. Dem Major scheint es zu gefallen, am Rednerpult der kleinen Gemeinde zwischen der Flagge der USA und der von Georgia zu stehen und den gro?en Mann zu spielen. Ahnlich wie MacArthur, der Japan befreite, oder Stonewall Jackson bei der ersten Schlacht am Bull Run genie?t es der Major, nun endlich einmal Kopf einer Truppe zu sein – auch wenn es sich nur um einen Haufen Feiglinge und sonstiger Ausschussware handelt. Knallhart steht er in seiner olivgrunen Jacke und dem Burstenschnitt da. Er hat schon seit langem auf diesen Augenblick gewartet.

Gavin ist der geborene Tyrann, der alle Schwacheren das Furchten lehrt, und er wei?, dass man Respekt braucht, um Menschen anzufuhren. Respekt, den er sich durch Furcht erkauft. Genauso machte er es damals mit seinen Wochenendsoldaten im Camp Ellenwood. Damals war er noch Ausbilder fur Uberlebenstraining beim 221. Military Intelligence Battalion. Er packte diese Schwachlinge an den Eiern und schikanierte sie, wo es nur ging. Bei den Ausflugen und den Nachtlager in Scull Shoals urinierte er in ihre Taschen und tyrannisierte sie bei der geringsten Regelubertretung bis zum Umfallen. Aber das war schon so lange her, dass es kaum noch Bedeutung hatte. Diese Situation aber ist so verruckt, dass sich Gavin jeden Vorteil zunutze machen muss, um die Kontrolle zu bewahren.

»Das waren doch nur ein paar von diesen neuen Typen«, fugt Gavin hinzu, als ob die Sache damit erledigt ware. »Und irgendeine Gore aus Atlanta.«

Ein alterer Herr in den ersten Reihen steht auf. Seine knochigen Knie schlottern. »Bei allem Respekt … Das war die Tochter von Jim Bridges, und sie war nicht irgendeine Gore, sondern ein anstandiges Madchen. Ich glaube, dass ich jedem hier aus der Seele spreche, wenn ich sage, dass wir Schutz brauchen, vielleicht sogar eine Ausgangssperre … Damit niemand mehr nach Anbruch der Dunkelheit auf die Stra?e geht. Vielleicht konnten wir ja daruber abstimmen.«

»Setz dich, alter Mann … Ehe du dir wehtust«, schnaubt Gavin und starrt ihn finster an. »Wir haben gro?ere Probleme, um die wir uns kummern mussen. Da drau?en ist eine ganze Kompanie von Bei?ern, die nichts anderes im Kopf hat, als uns zu fressen.«

Der Herr nimmt Platz und brummt vor sich hin. »Der ganze Larm der verdammten Rennen … Das ist der wahre Grund, warum uns die Bei?er jetzt umzingeln.«

Gavin klappt sein Halfter auf, sodass der Griff seiner Funfundvierziger fur alle zu sehen ist, und macht einen

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