die Nase, sondern den ganzen Korper bis zum Arsch vergoldet.«

«Wohin?«fragte der alte Williams knapp.

«Was wohin?«

«Wohin sollen die zehn Millionen Dollar uberwiesen werden, du Saukerl?!«

«Das gebe ich dir noch bekannt. Danke, Dad.«

«Und wann?«

«Damit du siehst, da? ich deine Gro?zugigkeit geerbt habe, erst nach deinem Tod. Eine Anweisung im Testament.«»Und wenn ich das vergesse? Wenn nichts drinsteht nach meinem Tod?«

«Es ware das erste Mal, da? der gro?e Williams nicht sein Wort halt. Aber nehmen wir an, dieses mal halt er es nicht. Was dann, Dad? Dann bricht in Whitesands Feuer aus, explodieren die Heizoltanks, und deine Krebsstiftung wird monatlich einmal auf irgendeine Weise heimgesucht, bis sie die zehn Millionen Dollar in ein Kofferchen stecken, um endlich Ruhe zu haben.«

«Du bist ein Schwein!«sagte der Alte. Seiner Stimme horte man den Ekel an.

«Ich bin dein Sohn, Dad!«Joe lachte wieder ins Telefon.»Eigentlich solltest du auf mich stolz sein.«

Er legte auf, ehe der alte Williams ihm noch mehr Grobes an den Kopf werfen konnte.

Kurz vor Weihnachten sa? Joe wieder in einer Maschine, die nach Frankfurt flog. In der 1. Klasse wurde Champagner serviert, Williams streckte die Beine von sich, prostete der blonden Stewarde? augenzwinkernd zu, nahm einen Schluck und faltete dann die New York Times auseinander, die mit dem Champagner gebracht worden war. Sie war dick wie immer, eine Lekture fur Stunden, wenn nicht fur einen ganzen Tag, wenn man jede Seite genau lesen wollte, und Joe machte sich daran, erst die Politik und dann den Sport zu lesen. Beim Umblattern der Anzeigenseiten fiel ihm eine umrandete Anzeige auf, die er aber nicht las, sondern nur fluchtig wahrnahm, bis er plotzlich stutzte und die Augenbrauen zusammenzog.

Hatte da nicht der Name Silverman gestanden? Verruckt — aber sein Hirn hatte es registriert. Er blatterte schnell zuruck, fand die umrandete Anzeige sofort und las sie mit zusammengepre?ten Lippen.

Captain Fred Silverman — das war er. Den gab es nur einmal. Und jemand suchte ihn… in Frankfurt, ausgerechnet in Frankfurt, und so wichtig mu?te es sein, da? eine auffallige Anzeige in der New York Times erschien.

Joe ri? das Blatt aus der Zeitung, faltete es zusammen, steckte es in seine Brusttasche und dachte dann nach. Einen Fred Silverman sucht man nicht ohne Grund. Vor allem sucht man ihn nicht, um ihm blo? die Hand zu drucken, ihn zu umarmen, auf die Schulter zu klopfen und zu sagen:»Gut, da? du noch da bist. Jetzt gehen wir mal gut essen!«Wer so nach einem Silverman sucht, hat einen gewichtigen Grund. Und wofur kann Silverman wichtig sein? Fur die Suche nach dem verschwundenen Bernsteinzimmer.

Eine gro?e Unruhe erfa?te Joe Williams. Der Flug bis nach Frankfurt kam ihm jetzt doppelt so lang vor wie der Hinflug nach Mexiko. Vom Flughafen lie? er sich sofort zu seinem Puff in der Moselstra?e fahren und stand plotzlich vor dem vollig verwirrten jugoslawischen Geschaftsfuhrer.

«Hallo, Boy!«sagte Williams freundlich.»Das sind Joes kleine Uberraschungen. La? die Koffer aus dem Taxi holen, und dann legst du mir die Buchfuhrung vor.«

«Ist Mr. Brooks auch da?«fragte der Jugoslawe.

«Nein, der gute Larry bleibt druben in den Staaten. Er hat ein Madchen kennengelernt, ist seitdem geistig verwirrt und will sich auszahlen lassen.«

Er ging die Treppe hinauf in seine Privatraume, von denen aus er mit versteckten Kameras und Mikrofonen in allen Zimmern kontrollieren konnte, was dort geschah und gesprochen wurde, holte einen Stadtplan aus der Schublade und suchte die Stra?e, die in der Anzeige aufgegeben worden war. Sie lag in der Nahe des Zoos, eine stille Stra?e mit Hausern um die Jahrhundertwende, eine gute Gegend, um angenehm zu wohnen.

Schon am nachsten Tag fuhr Joe mit einem Volkswagen unauffallig durch die Stra?e, hielt gegenuber dem angegebenen Haus an, beobachtete es und hatte gleich das Gluck, Wassilissa Iwanowna zu sehen. Sie kam aus der Tur, hielt einen Brief in der Hand und ging zu einem Briefkasten, der drei Stra?en weiter an einer Hauswand hing. Joe fuhr an, uberholte sie, war vor ihr an dem Briefkasten, stieg aus und tat so, als werfe auch er einen Brief ein. Dann, als er die Frau hinter sich spurte, drehte er sich ungeschickt um, rempelte sie an, machte ein schuldbewu?tes Gesicht und verbeugte sich.

«Verzeihung!«sagte er.»Ich habe Sie nicht gesehen! Wie ungeschickt von mir. Wirklich, es ist mir peinlich. Habe ich Ihnen weh getan?«

«Nix passiert…«Wassilissas Deutsch war hart und bestand nur aus wenigen Worten.»Nix weh…«Sie lachelte verzeihend.»Schonnn gutt…«

Joe blieb am Briefkasten stehen, nachdem Wassilissa den Brief eingeworfen und weggegangen war. Eine Russin, dachte er. Ja, das ist eine Russin. Und bestimmt ist sie nicht allein! Was wollen die Russen von einem Captain Silverman? Da braucht man nicht dreimal zu fragen, die Antwort liegt auf der Hand. Die Russen suchen das Bernsteinzimmer. Die Russen wissen, da? Silverman es zuletzt gesehen hat. Die Russen haben eine Spur, und jetzt werden sie wie Wolfe sein, die ihre Beute jagen. Die Russen sind hinter mir her… Joe, wehre dich. Sollen elf Jahre Warten umsonst gewesen sein?! Joe, du kennst sie jetzt, aber sie haben keine Ahnung von dir. Du hast die bessere Position… mach sie klein!

Noch zwei Tage lang beobachtete Joe das Haus in der stillen Stra?e. Er sah auch Michael Wachter und Nikolaj… allein, zu zweit, zu dritt mit der Frau. Nur drei sind es, dachte Joe zufrieden. Drei gegen mich, den Unbekannten! Das ist nun kein Problem mehr… aus einer guten Deckung heraus braucht man nur dreimal abzudrucken.

Am zweiten Weihnachtstag war er wieder in der stillen Stra?e am Zoo und lauerte auf eine Gelegenheit. Wieder benutzte er die alte deutsche 08-Pistole, mit der Larry den Kunsthandler getotet hatte… fand man die Kugeln in den Leichen der drei Russen, aus denselben Lauf abgeschossen wie bei dem Handler, wurde die Polizei zu kuhnen Schlussen kommen: Es gab noch eine Nazi-Organisation, die aus irgendwelchen Grunden alle liquidierte, die mit ehemals geraubten Kunstschatzen zu tun hatten. Der gro?e Unbekannte… ein Alptraum fur jeden Kriminalbeamten!

Joe hatte Gluck… die drei kamen zusammen aus dem Haus. Er hockte auf der anderen Stra?enseite im Gebusch eines Vorgartens, zielte sorgfaltig und wu?te, da? er treffen wurde.

Und dann geschah es, da? der Anvisierte rutschte, genau in dem Augenblick, als Joe den Finger krummte. Die Kugel schlug in die Mauer, im gleichen Moment lagen die drei auf der Stra?e, noch bevor der zweite Schu? sie treffen konnte, und Joe Williams blieb nichts anderes ubrig, als sich geduckt durch den Vorgarten zu entfernen. Im Haus hinter ihm gingen die Lichter uber der Haustur an.

Das sind Profis, dachte Joe, als er wieder in seinem Wagen sa?. Verdammt gut ausgebildet. Sssst… und weg waren sie. Das ist beste Schule. Das sind drei, die sich nicht einschuchtern lassen. Fur die ist eine 08 zu langsam… zu denen mu? man mit einer Gun kommen, mit einer Maschinenpistole und Rrrrrr ein Sieb aus ihnen machen. Joe, du mu?t dir zwischen Weihnachten und Neujahr eine Gun besorgen, sonst bist du gewaltig im Nachteil.

Er fuhr an, zockelte — es war ja Glatteis — die stille Stra?e hinunter und sah gerade noch, wie die drei rasch in ihr Haus zuruckschlupften.

Ob Silverman die Anzeige gelesen hat und sich meldet, dachte er auf der Fahrt ins Bahnhofsviertel. Ob er wirklich nach Frankfurt kommt und sich mit den Russen trifft? Joe Williams, das ware das Beste, was dir passieren konnte. Dann brauchst du dich nur um einen zu kummern und kannst die Russen ziehen lassen. Dann gibt es nur einen, der dir gefahrlich werden kann: Fred Silverman.

Und mit ihm, Joe, das ist dir doch klar, wirst du fertig.

In der Wohnung zogen sie die dicken Mantel aus und setzten sich in das Wohnzimmer. Auf einem runden Tischchen glanzte der Samowar aus Messing. Er war das erste Einrichtungsstuck, das Wassilissa Iwanowna gekauft hatte, und die sowjetische Botschaft, die alles bezahlte und deshalb auch alle Rechnungen verlangte, reklamierte nicht, das sei eine unnotige Ausgabe. Ein Samowar und ein Schachbrett gehoren zur Grundausstattung eines echten Russen.

«Nun haben sie uns«, sagte Wachter, streckte beide Hande aus, nahm die hei?e Teetasse und schlurfte vorsichtig einen

Schluck.»Meine Lieben, ich hab es geahnt, nein, gewu?t habe ich es, da? wir auf der richtigen Spur sind. Sie wollen uns toten, weil wir ihnen zu nahe sind.«

«Und wo ist das Ende der Spur?«Die Jablonskaja tauchte einen Loffel in ein Honigglas und su?te damit ihren

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