«Trinken wir jetzt zur Begru?ung unser Glas Champagner! Nachher kommen wir nicht mehr dazu. Soviel Zeit haben wir noch.«

Er entkorkte die Flasche, lie? den Korken mit einem leisen Knall an die Decke sausen, go? aus der vom Eiswasser triefenden Flasche die Glaser voll und stellte sie zuruck in den Sektkuhler.

«Auf unser Bernsteinzimmer!«rief er und hob sein Glas hoch in die Luft.»Auf da? es immer in der Heimat bleibe!«

Auch Wellenschlag und Dr. Findling hoben die Glaser und prosteten zu Gauleiter Koch hin.

«Ich danke Ihnen, Gauleiter«, sagte Dr. Findling mit ehrlicher Ergriffenheit.»Die Nachwelt wird es Ihnen nicht vergessen. Konigsberg ist um einen Schatz reicher geworden.«

Stumm tranken sie in einem Zug die Glaser leer und taten es dann Erich Koch nach, der schwungvoll nach altem slawischen Brauch sein leeres Glas in eine Ecke des Zimmers warf, wo es an der wertvollen Tapete zerschellte.

«Und jetzt zu unserem Wunderwerk!«Gauleiter Koch rannte zur Tur und ri? sie auf.»Die verlorene Tochter ist heimgekehrt.«

«Wieso Tochter?«fragte Dr. Findling verblufft den neben ihm laufenden Wellenschlag.

«Bei Koch ist alles Schone und Liebenswerte grundsatzlich weiblich«, lachte der Gauamtsleiter und klopfte Dr. Findling auf den Rucken.»Das mussen Sie doch wissen.«

Im Schlo?hof waren die 18 Lkws in einem offenen Karree aufgefahren, vorn stand der Kubelwagen: eine Aufstellung wie zur Abnahme einer Parade. Wollters, Dr. Runnefeldt und Wachter waren ausgestiegen und warteten, bis der letzte Wagen mit Paschke und Doll als Abschlu? hielt. Die Sto?stangen und Kuhler waren auf den Zentimeter ausgerichtet. Plotzlich waren auch einige Manner in den gelbbraunen Uniformen der politischen Leiter der Gauleitung auf dem Hof, eine Ordonnanz rannte zum Gauleiterflugel und prallte dort auf Koch, der gerade die Tur aufri?.

«Herr Gauleiter«, rief der Mann.

«Ich sehe es ja!«Koch winkte ab, blieb unter der Tur stehen und uberflog mit einem Blick die ganze Kolonne. Niemand sah ihm an, wie ergriffen er war.»Setzen Sie an Herrn Generalfeldmarschall Ritter von Leeb und den Kommandeur der 18. Armee, Herrn Generaloberst von Kuchler, die Meldung ab: Der Transport aus Puschkin ist in Konigsberg eingetroffen. Im Namen des Fuhrers danke ich fur diese historische Tat. Koch.«»Sofort, Herr Gauleiter. «Der politische Leiter rannte davon. Koch straffte sich, wolbte die Brust vor, nahm eine Herrscherpose ein und sah den drei Mannern entgegen, die vom Kubelwagen auf ihn zukamen. Trotz seines niedrigen militarischen Ranges ging jetzt Dr. Runnefeldt voraus, blieb drei Schritte vor Koch stehen und hob gru?end die Hand an die Mutze.

«Herr Gauleiter«, meldete er und registrierte in Kochs Augen ein helles Glitzern,»ich melde: Das Bernsteinzimmer ist auf Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht und des Reichsau?enministeriums eingetroffen. Keine besonderen Vorkommnisse.«»Danke, Dr. Runnefeldt. «Koch gab ihm die Hand, sah dann auf Dr. Wollters und nickte ihm zu.»Sie sind Dr. Wollters, nicht wahr?«

«Jawohl, Herr Gauleiter. «Wollters knallte die Hacken zusammen.

«Und Sie?«Koch warf einen Blick auf den einzigen Zivilisten in dieser Runde.

Runnefeldt hatte diese Frage erwartet.»Darf ich Herrn Gauleiter den Herrn Michael Wachter vorstellen? Herr Wachter hat bis heute das Bernsteinzimmer in Puschkin betreut. Eine Familientradition seit 225 Jahren.«

«Und da haben Sie ihn gleich mitgenommen. Interessant. «Koch nickte auch Wachter zu und verzog seine Lippen zu einem leichten Lacheln.»Wir werden noch daruber miteinander sprechen, Herr — «

«Wachter, Herr Gauleiter.«

Mit gro?tem Interesse sah Wachter den mittelgro?en Mann in der gelbbraunen Uniform an. Das also ist Erich Koch, dachte er. Der Tyrann von Ostpreu?en und den besetzten Gebieten. Der Reichskommissar. Der Gefurchtete, dessen Unterschrift uber Leben und Tod entscheiden konnte. Der neue Herr uber das Bernsteinzimmer. Auch mein Schicksal wird er sein.

Er trat zur Seite, als Koch sich vorwarts bewegte und folgte ihm dann mit Wollters und Dr. Runnefeldt. Langsam schritt Koch, wirklich wie beim Abschreiten einer Ehrenkompanie, die Lastwagen ab, hob vor jedem der verdreckten, mit Lehmklumpen verschmutzten Kuhler kurz die Hand an die Mutze und gru?te sie. Dann blieb er vor dem letzten Lkw stehen, neben dem Doll und Paschke wie zwei Denkmaler standen.

«Sie sind der Kolonnenfuhrer?«fragte Koch im Kommandoton.

«Jawohl, Herr Gauleiter, Unteroffizier Paschke.«

«Das haben Sie gut gemacht. «Er blickte auf Paschkes Brust und sah, da? sie leer war.»Noch kein Eisernes Kreuz?«

«Nee, Herr Gauleiter. Ick war imma uff'n Auto, von Anfang an. Ooch bei de >Transportstaffel Koch<.«

«Ich werde Sie zum EKII vorschlagen, Unteroffizier.«

Koch gru?te und wandte sich ab. Paschkes Gesicht war rot geworden, durch seinen ganzen Korper krabbelte es wie Ameisen. Det EK… wird da de Hanna stolz sein.

«Zwei Flasch Schaubau…«horte er neben sich Doll flustern.»Jratuliere.«

Koch war zum Kubelwagen zuruckgegangen und wies auf Dr. Findling und seinen Vertrauten Wellenschlag.

«Das ist Dr. Findling. Direktor der Konigsberger Museen.«

«Wir kennen uns«, sagte Dr. Runnefeldt. Er gab Findling mit einem kraftigen Druck die Hand.»Ihr Buch uber Bernstein ist Pflichtlekture aller Kunstwissenschaftler.«

«Ich bitte Sie«, antwortete Findling verschamt.

«Gauamtsleiter Wellenschlag.«

Die Herren nickten sich zu, ohne sich die Hand zu geben. Wellenschlag hatte das auch nicht erwartet… ein Hofnarr wird zwar erwahnt und gebraucht, aber er ist ein Gegenstand, kein Gleichgestellter.

«Lassen Sie die Fahrer wegtreten«, sagte Koch voller Freundlichkeit.»Der Wachhabende wird sich um sie kummern. Sie, meine Herren, bitte ich, meine Gaste zu sein.«

Sie gingen ins Schlo?, im Hof ubernahm die Wache die Kolonne, ein Feldwebel warf einen Blick uber die 36 Fahrer, die als geballter Haufen vor ihm standen.

«Ihr stinkt wie ne ganze Herde Ziegenbocke!«sagte er.»Ihr bekommt jetzt euer Quartier zugewiesen, und dann badet ihr erst mal!«

«Und wann gibt's was zu Fressen?«rief einer aus der Menge.»Morgen fruh um sieben. Das kennt ihr doch: Kaffeeholer raus!«

«O du Schei?e!«

«Ihr seid jetzt wieder unter zivilisierten Menschen. Gewohnt euch daran.«

«Wat hee?t hier Zivil? Ick bin in Uniform! Ubahaupt… wer biste denn?«

Paschke und der Feldwebel musterten sich. Gewitter lag in der Luft, das spurte jeder. Gib's ihm, Julius! Diese fette Etappensau…

«Ich spiele hier den UvD!«(Unteroffizier vom Dienst) Die Stimme des Feldwebels hatte sich erhoben.»Und wenn ich sage…«

«Und wenn ick saje — «unterbrach ihn Paschke —»det wir jetzt alle 'n Kaffee oder ne Pulle Bier kriegen, dann kriegen wir se! Oder ick jeh zum Gauleiter und saje: Parteijenosse, da drau?en is'n Bettpisser, der mir scheuchen will… Wat jloobste, wat dann passiert, Kamerad?«

Der Feldwebel schien ein kluger Mensch zu sein. Er verzichtete auf eine Auseinandersetzung mit Paschke, sagte nur:»Erst badet ihr!«und ging dann dem Trupp voraus, um ihnen das Quartier zuzuweisen.

In Kochs Wohnung prosteten sich die Herren mit franzosischem Kognak zu. Der Gauleiter war bester Stimmung, und Wellenschlag konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so gelost und frohlich gesehen zu haben, selbst dann nicht, wenn er ihm eine besonders schone Frau ins Schlo? gebracht hatte.»Gleich morgen packen wir aus«, sagte Dr. Findling.»Ich kann's kaum erwarten.«

«Wie bei einer Frau, die man auszieht, was!«Koch lachte schallend.»Halten Sie durch, Dr. Findling.«

Da ist er wieder, der Erich Koch, dachte Dr. Findling. Nur Weiber im Kopf… Dr. Runnefeldt enthob ihn einer Antwort.

«Wei? man schon, wie es mit dem Bernsteinzimmer weitergeht?«

«Weitergeht?«Koch trank sein Glas leer. Sein Gesicht gluhte.»Es bleibt hier! Ich werde den Fuhrer bitten, es in die Hande der Verwaltung der Staatlichen Schlosser und Garten zu geben. Da ist es sicher. Und Dr. Findling

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