werde ich unter ihren Freiern aufraumen!

Ihm war trotzdem gottserbarmlich zumute, bis der Eilbrief aus

Paris kam. Peter ri? ihn mit zitternden Fingern auf.

Paris, am Abend nach Eintreffen Deines Briefes.

Liebes Peterlein!

Die Nachricht von Deinem Kommen hat in Paris eitel Freude und Jubel ausgelost. Die Betten der Midinetten werden neu bezogen. In den Ateliers waschen die Modelle sich ihre entzuckenden Fu?e. Lou, Joujou, Li-sette, Jeanette, Tinni, La petite Coucou, Toine, alle, alle warten auf Dich. Im Moulin rouge wird gefegt, und Dein Platz wird mit Mannertreu umkranzt — im Quartier Latin nehmen die Bader in Eselsmilch kein Ende mehr. Soviel Esel sind hier noch nie gemolken worden! — Paris, dieMut-ter der Freude, erwartet Dich.

Bringe viel Geld mit!

Immer Dein Heinz.

Peter Sacher las den Brief bedachtig durch. Dann hielt er sein Feuerzeug unter das Papier, lie? es verbrennen, zerrieb die Asche zwischen den Handen und warf sie in den offenen Kamin.

Zur gleichen Zeit hielt Sabine beim Friseur die Nachricht der Pension Seeadler< aus Borkum in den Handen. Sie hatte das Schreiben postlagernd senden lassen und es auf dem Weg zum Friseur abgeholt. Der >Seeadler< schrieb, da? man ein Zimmer wegen Krankheitsfall, wie telefonisch schon gesagt, frei habe, aber das sei ein Doppelzimmer. Gegen einen Aufschlag fur ein normales Bett (Saisonpreis und funfzehn Prozent Service) ware man bereit, dieses Doppelzimmer fur Frau Sacher freizuhalten. Man erwarte die telegrafische Nachricht. Die Zimmersuchenden standen Schlange.

Sabine lie? uber das Friseurtelefon sofort ein >Einverstanden< kabeln. Ein Doppelzimmer, dachte sie mit einem Schu? Schadenfreude. Wenn Peter jemals erfahren sollte, da? ich in den Ferien allein ein Doppelzimmer bewohnte. Es war nicht auszudenken, wie sehr er die sichere Haltung verlieren wurde. Man sollte es ihm direkt sagen, oder durch andere vertraulich mitteilen lassen. Wei?t du schon, deine Frau, in Borkum, ein Doppelzimmer hat sie! Jawohl, man hat so hintenherum gehort, da? jeden Morgen beide Betten gemacht werden mussen! Nicht auszudenken!

Wahrend Sabine in diesen verworrenen Gedanken schwelgte, ordnete Peter nuchtern wie immer seine Sachen. Der Pa? war gultig. Devisen brauchte er nicht. Er besa? in Paris ein Bankkonto fur die Betrage, die er fur Villenbauten an der Kanalkuste bekommen hatte. Er hangte die Anzuge aus dem Schrank, die er mitnehmen wollte. Auch den wei?en Smoking und den Frack. Wenn Sabine sie sehen wurde, fragte sie bestimmt, ob er zum Amusieren nach Paris fuhr. Dann wollte er genu?lich schweigen und mit einem gepfiffenen Liedchen aus dem Zimmer gehen. Und wenn sie explodierte: Mit einem Mann springt man so nicht um! Sechs Wochen Eheferien!

Beide wurden enttauscht. Peter schien dem Zettel, den Sabine absichtlich im Zimmer verlor und auf den sie geschrieben hatte >Dop-pelzimmer bestellt<, keine Bedeutung beizumessen. Sabine verlor kein Wort uber wei?en Smoking und Frack. Nur Dr. Portz wurde zweimal von sehr erregten Leuten angerufen.

«Bienchen hat ein Doppelzimmer!«schrie ihm Peter zu.

«Wer ist Bienchen?«fragte Dr. Portz im ersten Augenblick verblufft.

«Sabine, naturlich! Irgendwo ein Doppelzimmer! Was will sie mit einem Doppelzimmer?«

«Frag sie doch! Sag: Bienchen, warum?«

Peter hangte ein und ging in den Garten, hinunter zum Rhein, und lie? sich den Wind um das Gehirn wehen. Meine Frau, grubelte er. Das zuruckhaltende, gute, scheue, liebe, schuchterne Sa-binchen! Kann man sich so irren?

Peters Weggang zum Rhein benutzte Sabine, um ebenfalls ans Telefon zu sturzen.

«Er nimmt wei?en Smoking und Frack mit!«keuchte sie. Dr. Portz fragte nicht mehr, wer >er< sei.

«Paris ist eine galante Stadt, Gnadigste. Fur galante Manner wie Peter.«

Klick machte es, und das Gesprach war zu Ende. Sabine entfloh in ihr Schlafzimmer, setzte sich auf ihr Bett und hieb mit der Faust in die Kopfkissen.»Schuft! Schuft! Schuft!«schrie sie dabei.»Ich werde das Doppelzimmer ausnutzen! Ich werde, werde, oh, wie hasse ich dich!«

Bis zum nachsten Tag blieb alles, wie es war. Peter und Sabine verbissen ihre Entdeckungen und stopften mit verlogener Freundlichkeit den schwelenden Krater ihrer Vulkane zu. Sie waren nett wie nie zueinander, bedienten sich beim Abendessen gegenseitig und tranken sogar eine Flasche Wein.

Wie du dich auf das Alleinsein freust, dachte Sabine giftig, wahrend sie Peter lachelnd zuprostete. Kaum erwarten kannst du's!

Wie du heucheln kannst, dachte Peter und schenkte mit ruhiger Hand das Glas Sabines noch einmal voll. Im Doppelzimmer wartet er ja schon auf dich! Irgend so ein Lackaffe. Man sollte mit der Flasche um sich schlagen!

Am Morgen sa? Peter im Liegestuhl unter dem Sonnendach der Terrasse und zeichnete einen Rohentwurf fur ein Einfamilienhaus. Er hatte eine fast schlaflose Nacht hinter sich. Wenn er tatsachlich fur wenige Minuten eingeschlafen war, traumte er von Doppelzimmern, in denen Frauen in durchsichtigen Nachtgewandern mit einem Manne Walzer tanzten. Und alle Frauen hatten das Gesicht von Sabine. Da fuhr er jedesmal empor und sah, da? er im Traum beide Fauste geballt hatte.

Sabine trat hinaus auf die Terrasse. Sie war reisefertig. Die Koffer standen drau?en in der Diele. Ihr orangefarbenes Reisekostum war bezaubernd. Peter kniff die Lippen zusammen.

«Fahren wir?«fragte sie lassig.»Oder soll ich mir eine Taxe bestellen, die mich zum Bahnhof bringt?«

Peter sprang auf und legte den Skizzenblock zur Seite.

«Naturlich bringe ich dich zum Bahnhof. Ich lasse es mir doch nicht nehmen, dich in die Freiheit zu fahren!«

«Es macht dir unbandige Freude, was?!«

«Alles Neue belebt mich!«

Sabine bi? sich auf die Unterlippe. Ihr Gesicht war wie verstei-nert. Das ist ein Abschied, dachte sie. Jetzt ware es die letzte Gelegenheit gewesen. Ich habe ihm die Hand gereicht, und er sto?t sie zuruck mit billigen Bonmots.

«Was wurdest du sagen, wenn ich uberhaupt nicht wiederkame?«zischte sie.

Aha, dachte Peter. Sie la?t die Katze aus dem Sack. Tausche Villa am Rhein gegen Doppelzimmer! Er atmete scharf durch die Nase und gab sich betont gleichgultig.

«Nichts«, antwortete er. Er nahm den Skizzenblock vom Tischchen und betrachtete ihn, als sei der Hausentwurf wichtiger. Er zwang sich sogar, dabei zu denken: Wird ungefahr 70.000 Mark kosten. Laut sagte er:»Damit mu? gerechnet werden. «Es konnte sich auch um die Hauskosten handeln.

«Auch von deiner Seite?«knirschte Sabine.

«Unfehlbar sind allein die Gotter. Aber selbst Zeus hatte laut Homer uber hundert au?ereheliche Kinder.«

«Du wirst geschmacklos!«Sie wandte sich ab, zur Tur der Diele. Welch ein Ekel ist er doch, durchzitterte es sie. Wenn man sich doch rachen konnte! So richtig rachen, da? die Tunche seiner Mannlichkeit abfallt wie von einem schwammigen Gemauer. Aber Dr. Portz wird mir ja alles melden. Auf ihn kann ich mich verlassen.

Sie ging aus dem Zimmer und lie? die Tur zur Diele auf. Peter schielte von seinem Skizzenblock ihr nach. Seine Hand, die einen Balkon zeichnete, zitterte.

Ernst wird mir ja alles mitteilen, dachte er. Und wehe, wenn sie mich betrugt! Wehe!

«Kommst du endlich?«rief Sabine von der Diele her schnippisch.»Wenn mir der Zug wegfahrt — «

Peter warf den Skizzenblock auf die Erde. Sie kann's nicht erwarten, wurgte es in seinem Hals. Sie zittert schon vor Erwartung. Uber die Terrasse verlie? er das Haus, fuhr den Wagen aus der Garage und lehnte sich dann gegen die geoffnete Tur, wahrend Sabine das Haus verschlo?.

Grell schien die Morgensonne. Der Rhein glei?te im Sonnenlicht, die Blumen im Vorgarten glitzerten. Der Morgentau hing noch unverdunstet in den Blutenkelchen. Welch ein schoner Tag, dachte Peter Sacher. Und wie fangt er fur uns an?!

Sabine kam uber den Kiesweg des Vorgartens. Ihre Koffer standen oben an der Tur. Sie setzte sich in den Wagen.»Wir konnten endlich fahren.«

Das >wenn< blieb unausgesprochen. Peter wu?te, was Sabine sagen wollte. Zahneknirschend ging er zum Haus zuruck, nahm die Koffer auf und schleppte sie zum Auto. Er warf sie auf die Hintersitze. Sabine zog die

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