Freund.

Knackfu?, der im Rucken der Herren stand, sah dies nicht. Er krampfte die Hande ineinander und wartete angstlich und neugierig auf die kommenden Dinge.

Otto Heinrich nickte leicht.

«Ich bin bereit.«

«Sie kennen eine Vera Veranewski Bulkow aus Moskau, die unter dem Namen Madame de Colombique durch Sachsen reiste?«

«Ja. Ich fuhr zufallig mit ihr in der gleichen Kutsche nach Frankenberg.«

Die drei anderen grauen Herren hatten ihre Notizbucher herausgenommen und schrieben Frage und Antwort mit. Knackfu? stand hinter dem Pult und bebte vor Erregung. Eine Frau, dachte er. Wegen einer Frau also — meine arme Trudel. Er war so erregt, da? sein Atem durch die Lippen pfiff.

«Sie wissen, da? diese Dame eine Spionin ist?«fragte von Seditz weiter.

«Ich erfuhr es erst in Dresden.«

«Ah — Sie waren in Dresden?«

«Ja — zu Weihnachten!«

«Und Sie wissen auch, da? Ihr Herr Vater in diese Spionage ver-wickelt ist?«

«Ja.«

Knackfu? schnaubte hinter seinem Pult. Der ehrsame, hochgeachtete Munzmarschall! Sieh, sieh. und der Sohn ist in seiner Apotheke Provisor! Spionage also. Landesverrat, Revolution.? Knackfu? trommelte leise mit den Knocheln auf die Platte des Stehpultes, stellte dieses Klopfen aber sofort ein, als ihn der mi?billigende Blick eines der Herren traf.

«Was wissen Sie uber das Verhaltnis Ihres Herrn Vaters zu besagter Madame de Colombique?«

Otto Heinrich zogerte. Diese Frage hatte er nicht erwartet, sie war ihm fremd. Vorsichtig blickte er von Seditz an und sah, da? dieser ein Auge schlo?.

«Ich verweigere daruber die Aussage«, antwortete er schnell und atmete erleichtert auf.

Knackfu?, der atemlos das Verhor verfolgte, hatte diese Antwort nicht erwartet. Er scho? hinter seinem Pult hervor an die Seite von Seditz'.

«Herr Kummer«, zischte er.»Sind Sie von Sinnen?! Sie haben den Herren zu antworten!«

«Sie sind nicht mein Vormund«, sagte Otto Heinrich laut.»Ich antworte dort, wo ich es verantworten kann!«

«Mischen Sie sich bitte nicht in das Verhor«, wandte sich Seditz an den Apotheker.»Ich verhore Sie spater genau!«

Dieser letzte Satz machte Knackfu? kampfunfahig. Gesenkten Hauptes ging er wieder hinter sein Stehpult, stutzte den Kopf in beide Hande und grubelte nach, da? es seit drei Generationen das erstemal war, da? sein ehrbarer Name in einer Gerichtsakte stand.

Unterdessen hatte Seditz ein Taschenbuch aus dem Mantel genommen und blatterte darin herum.

«Ihr Herr Vater stand unter einem gefahrlichen Verdacht«, sagte er dabei.»Seine Majestat haben ihm zeitweilig Seine Gnade entzogen. Die Spionage der Madame de Colombique, die Ihr Herr Vater in den Hof einfuhrte, umfa?te nicht nur die militarischen, sondern auch die staatshaushaltlichen Geheimnisse. Eine bose Affare fur Sachsen!«Er machte eine Pause und blickte dann auf.

«Sie kennen einen Willi Bendler?«

Der Name Bendler ri? den sinnenden Knackfu? empor.

«Ein Volksaufwiegler«, rief er.»Fluchtete, um.«

«Ich fragte Herrn Kummer«, unterbrach ihn hart von Seditz.

«Erlauben Euer Gnaden — aber ich kenne ihn besser. Er ist ein Revolutionar, ein gefahrliches Subjekt. Ich fand auf seinem Tisch die beruchtigten >Pfefferkorner< des Freiherrn von Maltitz!«

«Ein gro?er Irrtum«, man merkte es Seditz an, da? es ihm eine tiefe Freude war, den Apotheker zu belehren.»Die >Pfefferkorner< sind nicht beruchtigt, sondern beruhmt, und au?erdem sind sie hervorragend und durften Ihnen zeigen, da? eine neue Zeit sich abzeichnet. Aber das verstehen Sie vielleicht nicht!«Und zu Otto Heinrich gewandt, fuhr er fort:»Sie kennen Willi Bendler?«

«Ja. «Kummer nickte, sah aber fragend auf Seditz, da er mit dieser Frage nicht gerechnet hatte.»Wir wohnten hier im Hause zusammen in einer Bodenkammer. Er war ein guter Kamerad mit einem wahren Charakter, der nichts mehr ha?te als das Spie?ertum! Mit dem Prinzipal lag er standig im Streit.«

«Das kam so«, unterbrach Knackfu? mit einem wutenden Blick auf Kummer eilig.»Besagter Bendler, impertinent.«

«Ich fragte Herrn Kummer«, schnitt von Seditz ihm das Wort ab.»Ich darf Sie um Ruhe ermahnen. Es sollte mir leid tun, Sie aus Ihrem eigenen Kontor weisen zu mussen. - Erzahlen Sie weiter, Herr Kummer.«

«Diese Streitigkeiten aber waren stets nichtiger Natur. Mehr plagte ihn der Drang nach menschlicher und seelischer Freiheit, der Drang nach einem Ideal, das der Idee der Franzosischen Revolution ein Denkmal setzt: Freiheit, Gleichheit und Bruderlichkeit! Aus diesem Drang heraus floh er eines Nachts. Seitdem horte ich nichts mehr von ihm.«

«Danke, das genugt mir. «Seditz wandte sich an seine drei Begleiter.

«Haben Sie die Aussage, meine Herren?«

«Wort fur Wort.«

«Danke. «Er wandte sich wieder an Otto Heinrich und lachelte.»Ich habe Ihnen in diesem Zusammenhang eine Mitteilung zu machen. Auf der Route Potsdam — Kustrin fand man vor wenigen Tagen eine Leiche, die man offensichtlich in einer Postkutsche erstach und aus dem fahrenden Wagen warf. Der Korper zeigte einige Schleifwunden und einen exakten Stich in das Herz. An die Leiche geheftet fand man einen Zettel mit den Worten: >Tod allen Verratern und Spionen! Es lebe die freie Gerechtigkeit, es lebe die Zukunft der Wahrheit. B.< Unsere Forschungen mit den Berliner Kollegen ergaben, da? ein Willi Bendler der Fuhrer einer Art Freikorps ist, das sich als Ziel nimmt, gegen das Unrecht zu kampfen. Wir vermuteten, und das erwies sich als richtig, da? die Leiche ein Opfer dieser Freischar war. Es wird Sie aber noch mehr erstaunen, wer das Opfer war: die Madame de Colombique!«

Ein Ruf des Erstaunens flatterte aus Kummers Lippen. Aber bevor er etwas sagen konnte, fuhr Seditz fort.

«In der Innentasche, eingenaht in das Futter des Mantels, fand man einen Packen wichtiger Geheimpapiere, Spionageberichte, Auftrage, Korrespondenzen und Adressen, die es uns ermoglichten, ein breitangelegtes Spionagenetz einzuziehen und alle Auftraggeber der interessierten fremden Macht zu kennen. Bei den Papieren fand man aber auch den Beweis, da? in Dresden der Hofkammerer Baron von Kracht die Spionage mit Nachrichten versorgte. Die vollige Unschuld Ihres Herrn Vaters ist damit geklart.«

«Herr von Seditz. «Otto Heinrich stammelte. Er fuhlte, wie sich gegen seinen Willen seine Augen mit Tranen fullten.

«Und noch eines ist geklart: der unschuldige Verdacht! Baron von Kracht war ein alter Feind ihres Herrn Vaters. Es mussen da personliche Dinge aus der Jugendzeit eine Rolle spielen. Der Baron verstand es durch seine hohe Hofstellung geschickt, den Verdacht auf Ihren Herrn Vater zu lenken. «Seditz lachelte wieder.»Heute denkt er auf dem Konigstein uber sein Urteil nach — wahrend der Herr Munzmarschall vergangenen Sonntag von Seiner Majestat huldreich empfangen und wieder in alle Amter eingesetzt wurde!«

Otto Heinrich bebte. Er druckte Seditz sturmisch die Hand und begleitete ihn hinaus.

Mit einem kurzen Gru? verabschiedeten sich die grauen Herren von dem verdutzten und enttauschten Knackfu?. Mit Dienern geleitete er sie zur Tur.

Otto Heinrich ging mit Seditz bis zur Kutsche und reichte ihm noch einmal die Hand.

«Ich danke dir«, sagte er leise.»Die kleine Komodie hat dem Alten machtig die Knochen geschuttelt, und selbst ich wu?te manchmal nicht, was Spa? und Ernst ist. Nur eines bedruckt mich: Was wird man mit Bendler machen, wenn man ihn fangt?«

«Man wird ihn des Mordes anklagen! Die Preu?en sind ihm schon auf der Spur!«

«Mein Gott — wenn man da helfen konnte!«

«Zu spat. «Seditz lachte.»Seit zwei Tagen ist er in Sachsen, ging bei Lutzen uber die Grenze! Seit gestern hat ihn mein Geheimdienst in Verwahr!«

«Und du wirst ihn ausliefern?«

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