wei?en Kissen ab. Das Gesicht erschien sehr bleich unter dem Duster des Haares. Eine Schulter war hochgeschoben, sie glanzte von irgendeinem Licht wie matte Bronze, und ein schmaler Streifen Licht fiel auch auf ihren Arm. »Sieh nur«, sagte sie und hob auch die Hande hinein.
»Ich glaube, es kommt von der Laterne drau?en«, sagte ich.
Sie richtete sich auf. Jetzt war auch ihr Gesicht im Licht, das lief uber die Schultern und die Brust, gelb, wie der Schein von Wachskerzen, es veranderte sich, flo? zusammen, wurde zu Orange, blaue Kreise flirrten hindurch, und dann stand plotzlich ein warmes Rot hinter ihr wie eine Gloriole, glitt hoher und wanderte langsam uber die Decke des Zimmers.
»Es ist die Zigarettenreklame von druben.«
»Siehst du, wie schon dein Zimmer ist.«
»Es ist schon, weil du da bist. Es wird jetzt auch nie mehr das Zimmer von fruher sein – weil du hiergewesen bist.«
Sie kniete im Bett, ganz von fahlem Blau umweht. »Aber…« sagte sie,»ich werde doch noch oft hier sein – oft.«
Ich lag still da und sah sie an. Ich sah alles wie durch einen weichen, klaren Schlaf, entspannt, gelost, ruhig und sehr glucklich. »Wie schon du so bist, Pat! Viel schoner als in allen Kleidern.«
Sie lachelte und beugte sich zu mir herunter. »Du mu?t mich sehr lieben, Robby. Ich wei? nicht, was ich machen soll ohne Liebe!«
Ihre Augen hielten mich fest. Ihr Gesicht war dicht uber mir. Es war bewegt, ganz aufgeschlossen, voll leidenschaftlicher Kraft. »Du mu?t mich festhalten«, flusterte sie,»ich brauche jemand, der mich festhalt. Ich falle sonst. Ich habe Angst.«
»Du siehst nicht so aus, als ob du Angst hattest«, erwiderte ich.
»Doch. Ich tue nur so. Ich habe oft Angst.«
»Ich werde dich schon festhalten«, sagte ich, immer noch in diesem unwirklichen Traumwachen, diesem verschwebenden hellen Schlaf.
»Ich werde dich schon richtig festhalten, Pat. Du wirst dich wundern.« Sie nahm mein Gesicht in ihre Hande. »Wirklich?«
Ich nickte. Ihre Schultern leuchteten grun wie in tiefem Wasser. Ich ergriff ihre Hande und zog sie zu mir herab – eine Welle, eine leuchtende, atmende, weiche Woge, die anstieg und alles verloschte.
Sie schlief in meinem Arm. Ich erwachte oft und sah sie an. Ich dachte, die Nacht konne nie zu Ende gehen. Wir trieben irgendwo, jenseits der Zeit. Es war alles so schnell gekommen, ich begriff es noch gar nicht. Ich begriff noch gar nicht, da? mich ein Mensch lieben konnte. Ich verstand wohl, da? ich fur einen Mann ein ganz guter Kamerad sein konnte; aber ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb eine Frau mich lieben sollte. Ich dachte, da? es wohl nur diese Nacht sein wurde, und glaubte, beim Erwachen wurde es vorbei sein.
Die Dunkelheit wurde grau. Ich lag ganz still. Mein Arm unter Pats Kopf war eingeschlafen, ich konnte nichts mehr fuhlen. Aber ich ruhrte mich nicht. Erst als sie sich im Schlaf umdrehte und sich gegen das Kissen druckte, konnte ich ihn wegnehmen. Ich stand ganz leise auf und putzte mir gerauschlos die Zahne und rasierte mich. Ich nahm auch etwas Kolnisch Wasser und rieb es mir auf das Haar und in den Nacken. Es war sonderbar, so lautlos in dem grauen Zimmer, mit den Gedanken, und drau?en den dunklen Umrissen der Baume. Als ich mich umdrehte, sah ich, da? Pat die Augen offen hatte und mich betrachtete. Ich hielt inne. »Komm«, sagte sie.
Ich ging zu ihr und setzte mich auf das Bett. »Ist alles noch wahr?« sagte ich.
»Weshalb fragst du?«
»Ich wei? nicht. Weil es Morgen ist, vielleicht?«
Es wurde heller. »Du mu?t mir jetzt meine Sachen geben«, sagte sie. Ich nahm die dunne Seidenwasche vom Boden auf. Sie war leicht und so wenig. Ich hielt sie in der Hand. Schon das war ganz anders, dachte ich. Wer so etwas trug, mu?te schon ganz anders sein. Nie wurde ich ihn begreifen, nie.
Ich gab ihr die Sachen. Sie legte mir den Arm um den Nacken und ku?te mich. Dann brachte ich sie nach Hause. Wir sprachen nicht mehr viel. Wir gingen nebeneinander her in der silbrigen Fruhe. Die Milchwagen ratterten uber das Pflaster, und die Zeitungen wurden ausgetragen. Ein alter Mann sa? vor einem Hause und schlief. Sein Kinn zitterte, als sei es nicht mehr fest. Radfahrer mit Brotchenkorben fuhren voruber. Das warme frische Brot roch uber die Stra?e. Hoch uber uns zog ein Flieger durch den blauen Himmel.
»Heute?« fragte ich Pat vor der Haustur.
Sie lachelte. »Um sieben?« fragte ich.
Sie sah gar nicht mude aus. Sie war frisch, als hatte sie lange geschlafen. Sie ku?te mich zum Abschied. Ich blieb vor dem Hause stehen, bis ich sah, da? in ihrem Zimmer das Licht anging.
Dann ging ich zuruck. Unterwegs fiel mir vieles ein, was ich ihr hatte sagen sollen, viele schone Worte. Ich wanderte durch die Stra?en und dachte daran, was ich alles hatte sagen und tun konnen, wenn ich nicht so gewesen ware, wie ich war. Dann ging ich zu den Markthallen. Die Wagen mit Gemuse, Fleisch und Blumen waren schon da. Ich wu?te, da? man hier fur den gleichen Preis dreimal soviel Blumen bekam wie in den Laden. Ich kaufte fur alles Geld, das ich noch bei mir hatte, Tulpen. Sie sahen herrlich aus, ganz frisch, mit Wassertropfen in den Kelchen. Ich bekam einen gro?en Arm voll. Die Verkauferin versprach mir, sie um elf Uhr zu Pat zu schicken. Sie lachte mich an, als sie es versprach, und legte noch einen dicken Busch Veilchen dazu.
»Mindestens vierzehn Tage wird die Dame ihre Freude daran haben«, sagte sie. »Nur ab und zu eine Pyramiden ins Wasser tun.«
Ich nickte und gab ihr das Geld. Dann ging ich langsam nach Hause.
X
Der Ford stand fertig in der Werkstatt. Neue Arbeit war nicht hereingekommen. Wir mu?ten etwas unternehmen. Koster und ich gingen auf eine Auktion. Wir wollten ein Taxi kaufen, das dort versteigert wurde. Taxis waren immer ziemlich gut weiterzuverkaufen.
Das Versteigerungslokal war in einem Hinterhaus im Norden der Stadt. Au?er dem Taxi wurde noch ein Haufen anderer Dinge verauktioniert. Ein Teil der Sachen stand auf dem Hof. Betten, wackelige Tische, ein vergoldeter Kafig mit einem Papagei, der »Gru? Gott, Liebling!« rief, eine Standuhr, Bucher, Schranke, ein alter Frack, Kuchenstuhle, Geschirr – das ganze Elend zerbrockelnden, untergehenden Daseins.
Es war noch zu fruh, als wir ankamen; der Auktionator war noch nicht da.
Ich kramte zwischen den ausgestellten Sachen umher und sah mir ein paar von den Buchern an – zerlesene billige Exemplare griechischer und lateinischer Klassiker mit vielen handschriftlichen Notizen am Rande. Auf den verschossenen, zerblatterten Seiten standen nicht mehr die Verse von Horaz und die Lieder Anakreons – auf ihnen stand nur noch der Schrei der Not und der Hilflosigkeit eines verlorenen Lebens. Wer diese Bucher besessen hatte, dem waren sie Zuflucht gewesen, und er hatte sie behalten bis zuletzt, und wer sie hergegeben hatte, hierher, der war am Ende.
Koster blickte mir uber die Schulter. »Traurig, so was, wie?« Ich nickte und zeigte auf die anderen Sachen. »Das auch, Otto. Zum Spa? werden Kuchenstuhle und Kleiderschranke nicht hierhergebracht.«
Wir gingen zu dem Wagen, der in der Ecke des Hofes stand. Die Lackierung war abgewetzt und verbraucht, aber der Wagen war sauber, auch unter den Kotflugeln. Ein untersetzter Mann mit herabhangenden, breiten Handen stand in der Nahe und schaute uns stumpf an.
»Hast du die Maschine untersucht?« fragte ich Koster.
»Gestern«, sagte er. »Ziemlich ausgeleiert, aber tadellos gepflegt.«
Ich nickte. »Sieht auch so aus. Der Wagen ist heute morgen noch gewaschen worden, Otto. Das hat der Auktionsfritze sicher nicht getan.«
Koster schuttelte den Kopf und sah zu dem untersetzten Mann hinuber. »Es wird der Besitzer sein. Er stand gestern auch hier und putzte den Wagen.«
»Verdammt«, sagte ich,»der Mann sieht aus wie ein uberfahrener Hund.«
Ein junger Mann kam quer uber den Hof auf den Wagen zu. Er trug einen Mantel mit einem Gurtel und war unangenehm forsch. »Das ist ja wohl der Schlitten«, sagte er halb zu uns, halb zu dem Mann, und klopfte mit seinem Spazierstock auf die Kuhlerhaube. Ich sah, wie es in den Augen des Mannes zuckte. »Macht nichts, macht