nichts«, wehrte der Gurtelmann gro?zugig ab,»der Lack ist sowieso keine funf Groschen mehr wert. Ehrwurdige Klamotte. Mu?te eigentlich ins Museum, was?« Er lachte machtig uber seinen Witz und sah uns beifallsfreudig an. Wir lachten nicht mit. Er wandte sich an den Besitzer.
»Was wollen Sie denn fur den Gro?vater haben?«
Der Mann schluckte und schwieg. »Alteisenwert, was?« meckerte der Jungling in strahlender Laune und drehte sich wieder zu uns heruber. »Die Herren haben auch Interesse?«
Mit gesenkter Stimme:»Konnten Kippe vereinbaren. Wagen fur Appel und Ei einsteigern und Profit teilen. Wozu den Leuten da unnotig Geld in den Hals schmei?en! Ubrigens Guido Thie? von der Augeka.«
Er wirbelte seinen Bambusstock und zwinkerte uns vertraulich uberlegen zu. Fur diesen funfundzwanzigjahrigen Wurm gibt's keine Geheimnisse, dachte ich argerlich, weil mir der schweigsame Mann neben dem Wagen leid tat, und sagte:»Sie mu?ten anders als Thie? hei?en.«
»Nanu«, meinte er geschmeichelt. Er war scheinbar Komplimente fur seine Tuchtigkeit gewohnt.
»Jawohl«, fuhr ich fort,»Rotznase mu?ten Sie hei?en. Guido Rotznase!«
Er prallte zuruck. »Nu ja«, meinte er schlie?lich,»zwei gegen einen…«
»Wenn's das ist«, sagte ich,»ich geh' mit Ihnen auch allein, wohin Sie wollen.«
»Danke«, erwiderte Guido frostig,»danke wirklich!« und zog sich zuruck.
Der untersetzte Mann mit dem verstorten Gesicht stand da, als ginge ihn alles nichts an, und starrte auf den Wagen.
»Wir sollten ihn nicht kaufen, Otto«, sagte ich.
»Dann kauft ihn dein Gurteltier Guido«, erwiderte Koster. »Wir konnen dem Mann nicht helfen.«
»Stimmt«, sagte ich. »Aber trotzdem – es hangt was dran.«
»Wo hangt heute nichts dran, Robby? Glaube mir: fur den Mann druben ist es sogar besser, da? wir hier sind. Er kriegt so vielleicht ein bi?chen mehr fur den Wagen. Aber ich verspreche dir: wenn das Gurteltier nicht bietet, tu ich's auch nicht.«
Der Auktionator kam. Er war eilig, er hatte anscheinend viel zu tun. Jeden Tag gab es ja Dutzende von Auktionen. Mit runden Gesten begann er den armseligen Kram zu versteigern. Er hatte den gu?eisernen Humor und die Sachlichkeit eines Mannes, der taglich mit dem Elend zu tun hat, ohne selbst davon beruhrt zu werden.
Die Sachen gingen fur Pfennige weg. Ein paar Handler kauften das meiste. Sie hoben nur nachlassig einen Finger, wenn der Auktionator einen Blick zu ihnen hinuberwarf, oder schuttelten den Kopf. Aber dem Blick des Auktionators folgten manchmal ein Paar andere Augen – aus einem verharmten Frauengesicht, Augen, die zu den Fingern der Handler aufsahen wie zu einem Gebot Gottes -, voll Hoffnung und Angst. Auf das Taxi boten drei Leute – als erster Guido – dreihundert Mark. Ein Schandgebot. Der untersetzte Mann war herangekommen. Er bewegte lautlos die Lippen. Es sah aus, als wolle er mitbieten. Aber die Hand sank herab. Er trat zuruck.
Das nachste Gebot war vierhundert Mark. Guido ging auf vierhundertfunfzig. Es entstand eine Pause. Der Auktionator bot herum -»keiner mehr – zum ersten – zum zweiten…«
Der Mann am Taxi stand mit aufgerissenen Augen und gesenktem Kopf da, als erwarte er einen Schlag ins Genick.
»Tausend«, sagte Koster. Ich sah ihn an. »Ist ja drei wert«, murmelte er. »Kann nicht sehen, wie der da abgeschlachtet wird.«
Guido machte uns verzweifelte Zeichen. Er hatte die Rotznase vergessen, als es ums Geschaft ging. »Elfhundert«, meckerte er und klapperte uns mit beiden Augenlidern zu.
Hatte er am Hintern noch eins gehabt, er hatte auch mit dem geklappert.
»Funfzehnhundert«, sagte Koster.
Der Auktionator geriet in Schwung. Er tanzte mit seinem Hammer umher wie ein Kapellmeister. Das waren andere Zahlen als zwei Mark, zwei Mark funfzig vorhin.
»Funfzehnhundertzehn«, erklarte Guido schwitzend.
»Achtzehnhundert«, sagte Koster.
Guido deutete an seine Stirn und gab es auf. Der Auktionator hopste. Ich dachte plotzlich an Pat. »Achtzehnhundertfunfzig«, sagte ich, ohne es recht zu wollen.
Koster drehte erstaunt den Kopf. »Die funfzig tu ich dazu«, sagte ich rasch. »Es ist fur irgendwas – zur Vorsicht.«
Er nickte.
Der Auktionator schlug uns den Wagen zu. Koster bezahlte sofort.
»So was!« sagte Guido, der es sich doch nicht verkneifen konnte und herangekommen war, als ware nichts gewesen. »Fur tausend Mark hatten wir die Kiste haben konnen. Den Dritten hatten wir sofort 'rausgeblufft.«
»Gru? Gott, Liebling«, schrie eine blecherne Stimme hinter ihm.
Es war der Papagei, der in seinem goldenen Kafig jetzt drankam.
»Rotznase«, fugte ich hinzu. Guido verschwand achselzuckend.
Ich ging zu dem Mann, dem der Wagen gehorte. Eine blasse Frau stand jetzt bei ihm. »Ja…« sagte ich. »Wei? schon…«, erwiderte er.
»Hatten es lieber nicht gemacht«, sagte ich. »Aber Sie hatten nur weniger gekriegt.«
Er nickte und arbeitete an seinen Handen herum. »Der Wagen ist gut«, sagte er plotzlich rasch, sich ubersturzend,»der Wagen ist gut, er ist das Geld wert, ganz bestimmt, Sie haben ihn nicht uberzahlt, es lag nicht an dem Wagen, ganz gewi? nicht, es ist – es war…«
»Wei? schon«, sagte ich.
»Von dem Geld kriegen wir nichts«, sagte die Frau. »Geht alles wieder weg.«-»Wird schon wieder werden, Mutter«, sagte der Mann. »Wird schon wieder werden.«
Die Frau erwiderte nichts. »Beim Schalten kratzt er vom ersten auf den zweiten Gang«, sagte der Mann,»aber das ist kein Defekt. Er hat's schon gemacht, als er neu war.« Er stand da, als rede er von einem Kinde. »Drei Jahre haben wir ihn schon, und nie war was dran. Es ist nur – erst war ich krank und dann hat mich einer 'reingelegt – ein Freund…«
»Ein Lump«, sagte die Frau mit hartem Gesicht. »La? man, Mutter«, sagte der Mann und sah sie an,»ich komme schon wieder hoch. Nicht, Mutter?«
Die Frau antwortete nicht. Der Mann war na? vor Schwei?. »Geben Sie mir Ihre Adresse«, sagte Koster,»vielleicht brauchen wir mal jemand zum Fahren.«
Der Mann schrieb eifrig mit seinen schweren, ehrlichen Handen. Ich sah Koster an; wir wu?ten beide, da? es ein Wunder sein mu?te, wenn es was wurde. Und Wunder gab's nicht mehr. Hochstens nach unten.
Der Mann redete und redete, wie im Fieber. Die Auktion war aus. Wir standen allein auf dem Hof. Er gab uns Ratschlage fur den Winter mit dem Anlasser. Er fa?te den Wagen immer wieder an. Dann wurde er still. »Nun komm, Albert«, sagte die Frau.
Wir gaben ihm die Hand, Sie gingen. Wir warteten, bis sie weg waren. Dann lie?en wir den Wagen an.
Unter der Durchfahrt sahen wir eine kleine alte Frau. Sie trug den Papageienkafig in den Armen und wehrte sich gegen ein paar Kinder. Koster hielt an. »Wo wollen Sie hin?« fragte er sie.
»Du liebe Zeit, ich habe kein Geld fur Droschkefahren«, erwiderte sie.
»Brauchen Sie auch nicht«, sagte Otto. »Ich habe Geburtstag und fahre heute umsonst.«
Mi?trauisch hielt sie den Kafig fest. »Nachher kostet's doch was.«
Wir beruhigten sie, und sie stieg ein.
»Wozu haben Sie denn den Papagei gekauft, Mutter?« fragte ich, als sie ausstieg.
»Fur abends«, sagte sie. »Glauben Sie, da? das Futter teuer ist?«
»Nein«, sagte ich,»aber wieso fur abends?«
»Er kann doch sprechen«, erwiderte sie und sah mich mit ihren hellen alten Augen an. »Dann ist doch einer da, der redet.«
»Ach so…«, sagte ich.
Nachmittags kam der Backermeister, um seinen Ford abzuholen. Er sah grau und verbittert aus. Ich war allein auf dem Hof. »Gefallt Ihnen die Farbe?« fragte ich.
»Ja, schon«, sagte er und sah den Wagen unschlussig an.
»Das Verdeck ist sehr schon geworden.«