Das Licht flammte auf. Ich schlo? einen Augenblick die Augen. Woran hatte ich da nur gedacht? Pat wandte sich um. Ich sah, da? die Leute zu den Turen drangten. Es war gro?e Pause.

»Willst du nicht hinausgehen?« fragte ich.

Pat schuttelte den Kopf.

»Gott sei Dank! Ich hasse es, sich da drau?en gegenseitig zu beglotzen.«

Ich machte mich auf, um ihr ein Glas Orangensaft zu holen. Das Bufett war stark belagert. Musik macht viele Leute merkwurdig hungrig. Die warmen Wurstchen verschwanden, als ware der Hungertyphus ausgebrochen.

Als ich mit meinem Glas in der Loge ankam, stand jemand hinter Pats Stuhl. Sie hatte den Kopf zuruckgewendet und sprach lebhaft mit ihm. »Das ist Herr Breuer, Robert«, sagte sie. Herr Ochse, dachte ich, und sah ihn mi?vergnugt an. Robert hatte sie gesagt, nicht Robby. Ich stellte das Glas auf die Brustung und wartete darauf, da? der Mann ging. Er hatte einen fabelhaft geschnittenen Smoking an. Aber er schwatzte von der Regie und der Besetzung und blieb. Pat wandte sich mir zu. »Herr Breuer hat gefragt, ob wir nachher nicht in die Kaskade gehen wollen.«

»Wenn du gern mochtest«, sagte ich.

Herr Breuer erklarte, man konne vielleicht etwas tanzen. Er war sehr hoflich und gefiel mir eigentlich ganz gut. Er hatte nur diese unangenehme Eleganz und Leichtigkeit, von der ich glaubte, da? sie auf Pat wirken musse, und die ich selbst nicht besa?. Plotzlich – ich traute meinen Ohren nicht – horte ich, da? er Pat mit du ansprach. Obschon es hundert belanglose Grunde dafur gab, hatte ich den Mann am liebsten in den Orchesterraum geworfen.

Es klingelte. Die Musiker stimmten die Instrumente. Die Geigen huschten Flageolettlaufe. »Also abgemacht, wir treffen uns am Ausgang«, sagte Breuer und ging endlich.

»Was ist das fur ein Strolch?« fragte ich. »Das ist kein Strolch, das ist ein netter Mensch. Ein alter Bekannter.«

»Gegen alte Bekannte habe ich was«, sagte ich.

»Liebling«, erwiderte Pat,»hor lieber zu.«

Kaskade, dachte ich und uberschlug mein Geld, verfluchte Neppbude! – Ich ging in einer finsteren Neugier mit. Dieser Breuer hatte mir zu Frau Zalewskis Unkenrufen noch gefehlt. Er wartete schon auf uns am Eingang.

Ich rief ein Taxi an. »Lassen Sie doch«, sagte Breuer,»mein Wagen hat Platz genug.«

»Gut«, sagte ich. Es ware lacherlich gewesen, etwas anderes zu machen. Aber es argerte mich trotzdem.

Pat kannte Breuers Wagen. Es war ein gro?er Packard. Er stand schrag gegenuber auf dem Parkplatz. Sie ging geradewegs darauf zu.

»Er ist ja anders lackiert«, sagte sie und blieb vor ihm stehen.

»Ja, grau«, erwiderte Breuer. »Gefallt er dir so besser?«

»Viel besser.«

Breuer wandte sich an mich. »Und Ihnen? Mogen Sie die Farbe?«

»Ich wei? ja nicht, wie er fruher war«, sagte ich.

»Schwarz.«

»Schwarz sieht sehr gut aus.«

»Gewi?. Aber Abwechslung mu? auch mal sein! Na, zum Herbst gibt's einen neuen.«

Wir fuhren zur Kaskade. Das war ein sehr elegantes Tanzlokal mit einer ausgezeichneten Kapelle. »Scheint ganz besetzt zu sein«, sagte ich erfreut, als wir am Eingang standen.

»Schade«, sagte Pat.

»Ach, das machen wir schon«, erklarte Breuer und verhandelte mit dem Geschaftsfuhrer. Er schien hier gut bekannt zu sein, denn tatsachlich bekamen wir einen Tisch herangebracht, ein paar Stuhle dazu, und ein paar Minuten spater sa?en wir an der besten Stelle des ganzen Raumes, von der man die Tanzflache voll ubersehen konnte. Die Kapelle spielte einen Tango. Pat lehnte sich uber die Brustung.

»Ach, ich habe schon lange nicht getanzt.«

Breuer stand auf. »Wollen wir?«

Sie sah mich strahlend an. »Ich werde inzwischen was bestellen«, sagte ich.

»Gut.«

Der Tango dauerte lange. Pat sah beim Tanzen ab und zu heruber und lachelte mir zu. Ich nickte zuruck, fuhlte mich aber nicht besonders. Sie sah wunderbar aus und tanzte gro?artig. Leider tanzte Breuer ebenfalls gut, und beide sahen ausgezeichnet zusammen aus. Sie tanzten, als ob sie schon oft miteinander getanzt hatten. Ich bestellte mir einen gro?en Rum. Die beiden kamen zuruck. Breuer begru?te ein paar Leute, und ich war einen Augenblick mit Pat allein.

»Wie lange kennst du den Knaben schon?« fragte ich.

»Schon lange. Warum?«

»Ach, nur so. Warst du oft mit ihm hier?«

Sie sah mich an. »Ich wei? es nicht mehr, Robby.«

»Das wei? man doch«, sagte ich hartnackig, obschon ich wu?te, was sie damit meinte.

Sie schuttelte den Kopf und lachelte. Ich liebte sie sehr in diesem Augenblick. Sie wollte mir zeigen, da? alles vergessen sei, was gewesen war. Aber in mir bohrte etwas, das ich selbst lacherlich fand und das ich trotzdem nicht los wurde. Ich stellte mein Glas auf den Tisch.

»Kannst es ruhig sagen. Ist ja nichts dabei.«

Sie sah mich wieder an. »Glaubst du, da? wir sonst hier waren?« fragte sie.

»Nein«, sagte ich beschamt.

Die Kapelle begann wieder zu spielen. Breuer kam heran.

»Ein Blues«, sagte er zu mir. »Wunderbar. Wollen Sie ihn nicht tanzen?«

»Nein!« erwiderte ich. -»Schade.«

»Du solltest es einmal versuchen, Robby«, sagte Pat.

»Lieber nicht.«

»Aber warum denn nicht?« fragte Breuer.

»Ich mache mir nichts draus«, erwiderte ich unfreundlich. »Habe es auch nie gelernt. Keine Zeit dafur gehabt. Aber tanzen Sie doch ruhig, ich unterhalte mich hier schon.«

Pat zogerte. »Aber Pat -«, sagte ich,»es macht dir doch so viel Spa?.«

»Das schon – aber unterhaltst du dich auch wirklich?«

»Und wie!« Ich zeigte auf mein Glas. »Das ist auch eine Art von Tanzen.«

Sie gingen. Ich winkte dem Kellner und trank mein Glas aus. Dann sa? ich am Tisch herum und zahlte die Salzmandeln. Neben mir sa? der Schatten Frau Zalewskis.

Breuer brachte ein paar Leute mit an den Tisch. Zwei hubsche Frauen und einen jungeren Mann, der einen ganz kahlen, kleinen Kopf hatte. Nachher kam noch ein vierter dazu. Alle leicht wie Kork, geschmeidig und sicher. Pat kannte sie alle vier.

Ich fuhlte mich schwer wie ein Klotz. Bisher war ich mit Pat immer allein gewesen. Zum erstenmal sah ich jetzt Leute, die sie von fruher her kannte. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Sie bewegten sich leicht und ungezwungen, sie kamen aus einem Leben, in dem alles glattging, in dem man nichts sah, was man nicht sehen wollte, sie kamen aus einer anderen Welt. Ware ich allein dagewesen, oder mit Lenz oder Koster, ich hatte mich gar nicht darum gekummert und es ware mir egal gewesen. Aber Pat war dabei, Pat kannte sie, und dadurch wurde alles schief, es legte mich lahm und zwang mich zu vergleichen.

Breuer schlug vor, in ein anderes Lokal zu gehen. »Robby«, sagte Pat im Hinausgehen,»wollen wir nicht lieber nach Hause gehen?«

»Nein«, sagte ich,»wozu?«

»Es ist doch langweilig fur dich.«

»Nicht die Spur. Warum sollte es langweilig sein? Im Gegenteil! Und dir macht es doch Spa?.«

Sie sah mich an, sagte aber nichts.

Ich fing an zu trinken. Nicht, wie vorher, sondern richtig. Der Mann mit dem kahlen Kopf wurde aufmerksam. Er fragte, was ich denn tranke. »Rum«, sagte ich. »Grog?« fragte er. »Nein, Rum«, sagte ich. Er probierte es auch und verschluckte sich. »Donnerwetter«, sagte er anerkennend,»das mu? man gewohnt sein.« Auch die beiden

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