Ich begriff im Augenblick, was los war. Die schwarze Person, mit der er zusammen lebte, hatte ihn murbe gemacht. »Ja, der Cadillac«, sagte ich schwarmerisch,»da hatten Sie damals zufassen sollen! Das war ein Prachtstuck! Fur siebentausend Mark ist er weggegangen. Halb verschenkt!«
»Na, verschenkt…«
»Verschenkt!« wiederholte ich nachdrucklich und uberlegte, was zu machen ware. »Ich kann mal nachfragen«, sagte ich dann,»vielleicht braucht der Mann, der ihn damals gekauft hat, Geld. So was geht ja schnell heutzutage. Einen Moment.«
Ich ging in die Werkstatt und erzahlte rasch, was geschehen war. Gottfried sprang auf. »Kinder, wo kriegen wir nur im Galopp einen alten Cadillac her?«
»La? das meine Sorge sein«, sagte ich,»pa? du lieber auf, da? der Backer inzwischen nicht weglauft.«
»Gemacht!« Gottfried verschwand.
Ich rief Blumenthal an. Viel Hoffnung hatte ich nicht, aber man konnte es ja mal versuchen. Er war im Buro. »Wollen Sie Ihren Cadillac verkaufen?« fragte ich geradezu.
Blumenthal lachte.
»Ich habe jemand dafur«, fuhr ich fort,»mit Barzahlung auf den Tisch.«
»Barzahlung -«, erwiderte Blumenthal nach einer Weile Nachdenken,»das ist in diesen Zeiten ein Wort von reinster Poesie…«
»Das meine ich auch«, sagte ich und wurde plotzlich munter. »Also wie ist es, konnen wir mal daruber reden?«
»Reden kann man immer«, meinte Blumenthal.
»Schon. Wann kann ich Sie treffen?«
»Heute mittag nach dem Essen habe ich Zeit. Sagen wir um zwei hier im Buro.«
»Gut.«
Ich hangte auf. »Otto«, sagte ich ziemlich aufgeregt zu Koster,»ich hatte es nie erwartet, aber ich glaube, unser Cadillac kehrt zuruck!«
Koster lie? seine Papiere liegen. »Tatsachlich? Will er verkaufen?« Ich nickte und blickte durchs Fenster, wo Lenz lebhaft auf den Backer einsprach. »Er macht das falsch«, sagte ich beunruhigt,»er redet zuviel. Der Backer ist ein Turm von Mi?trauen; man mu? ihn durch Schweigen uberreden. Ich will Gottfried mal rasch wieder ablosen.«
Koster lachte. »Hals- und Beinbruch, Robby.«
Ich blinzelte ihm zu und ging hinaus. Aber ich traute meinen Ohren nicht – Gottfried dachte nicht daran, vorzeitige Hymnen auf den Cadillac zu singen -, er erklarte dem Backer lediglich mit gro?em Eifer, wie die Indianer in Sudamerika ihr Maisbrot backen. Ich warf ihm einen anerkennenden Blick zu und wandte mich dann an den Backer. »Leider will der Mann nicht verkaufen…«
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Lenz prompt, als hatten wir es verabredet.
Ich zuckte die Achseln. »Schade – aber ich kann es verstehen…« Der Backer stand unschlussig da. Ich sah Lenz an.
»Kannst du es nicht doch noch mal versuchen?« fragte er sofort.
»Das auf jeden Fall«, erwiderte ich. »Ich habe ohnehin wenigstens abmachen konnen, da? wir uns heute mittag treffen. Wo kann ich Sie nachher erreichen?« fragte ich den Backer.
»Ich bin um vier in der Gegend hier. Da komme ich dann noch mal vorbei…«
»Gut – dann wei? ich auch bestimmt Bescheid. Ich hoffe, da? die Sache doch noch klappt.«
Der Backer nickte. Dann bestieg er seinen Ford und dampfte ab.
»Du bist wohl ganz von Gott verlassen«, brach Lenz los, als er um die Ecke war. »Erst soll ich den Knaben mit Gewalt festhalten, und dann la?t du ihn ohne weiteres laufen!«
»Logik und Psychologie, mein guter Gottfried!« erwiderte ich und klopfte ihm auf die Schulter. »Das verstehst du noch nicht so…«
Er schuttelte meine Hand ab. »Psychologie«, erklarte er wegwerfend. »Die beste Psychologie ist ein guter Zufall! Und der war da! Der Mann kommt niemals wieder…«
»Um vier Uhr kommt er wieder…«
Gottfried sah mich mitleidig an. »Wetten?« fragte er.
»Gern«, erwiderte ich,»aber du fallst 'rein. Den Mann kenne ich besser als du! Der mu? mehrmals aufs Feuer. Au?erdem kann ich ihm doch nicht etwas verkaufen, was wir selbst noch nicht haben…«
»Ach, du lieber Gott, wenn's das nur ist«, sagte Gottfried kopfschuttelnd,»dann wird aus dir im Leben nichts, Baby! Das sind doch gerade erst die wahren Geschafte! Komm, ich will dir einen Gratiskurs uber modernes Wirtschaftsleben geben…«
Mittags ging ich zu Blumenthal. Unterwegs hatte ich das Gefuhl eines jungeren Ziegenbocks, der einen alten Wolf besuchen mu?. Die Sonne brannte auf den Asphalt, und ich spurte bei jedem Schritt weniger Lust, von Blumenthal auf dem Rost gebraten zu werden. Es war am besten, kurzen Proze? zu machen. »Herr Blumenthal«, sagte ich deshalb rasch, als ich eintrat, ehe er beginnen konnte,»einen anstandigen Vorschlag unter der Tur! Funftausendfunfhundert Mark haben Sie fur den Cadillac bezahlt – ich biete Ihnen sechs wieder -, unter der Bedingung, da? ich ihn wirklich loswerde. Das entscheidet sich heute abend…«
Blumenthal thronte hinter seinem Schreibtisch und a? gerade einen Apfel. Er horte auf zu essen und sah mich einen Augenblick an.
»Gut«, schnaubte er dann und a? weiter.
Ich wartete, bis er das Kerngehause in den Papierkorb warf.
»Sie sind also einverstanden?« fragte ich dann.
»Moment!« Er holte einen neuen Apfel aus der Schreibtischschublade.
»Wollen Sie auch einen?«
»Danke, nicht gerade jetzt…«
Er bi? krachend hinein. »Viel Apfel essen, Herr Lohkamp! Apfel verlangern das Leben! Jeden Tag ein paar Apfel – und Sie brauchen nie einen Arzt!«
»Auch nicht, wenn ich mir den Arm breche?«
Er grinste, warf das zweite Kerngehause weg und stand auf. »Sie brechen sich dann eben keinen Arm!«
»Das ist praktisch«, sagte ich und wartete ab, was jetzt kommen wurde. Dieses Apfelgesprach war mir zu verdachtig.
Blumenthal holte eine Zigarrenkiste aus einem kleinen Schrank und bot sie mir an. Es waren die Coronas, die ich schon kannte. »Verlangern die auch das Leben?« fragte ich.
»Nein, die verkurzen es. Das gleicht sich dann aus mit den Apfeln.«
Er blies eine Wolke Rauch aus und sah mich mit schiefem Kopf wie ein nachdenklicher Vogel von unten herauf an. »Ausgleichen, Herr Lohkamp, immer ausgleichen – das ist das ganze Geheimnis im Leben…«
»Wenn man's kann…«
Er blinzelte. »Ja, konnen, das ist das Geheimnis. Wir wissen zuviel und konnen zuwenig. Weil wir zuviel wissen.«
Er lachte. »Entschuldigen Sie – nach Tisch werde ich immer etwas philosophisch…«
»Das ist auch die beste Zeit«, sagte ich. »Also mit dem Cadillac sind wir dann auch ausgeglichen, nicht wahr?«
Er hob die Hand. »Sekunde…«
Ich senkte ergeben den Kopf. Blumenthal sah es und lachte. »Nicht, wie Sie meinen! Ich wollte Ihnen nur ein Kompliment machen. Uberrumpelung von der Tur aus, mit offenen Karten!
Das war gut berechnet auf den alten Blumenthal. Wissen Sie, was ich erwartet habe?«-»Da? ich mit viertausendfunfhundert anfangen wurde zu bieten…«
»Genau das! Aber es ware Ihnen schlecht bekommen. Sie wollen doch mit sieben verkaufen, nicht wahr?«
Ich zuckte vorsichtigerweise die Achseln. »Warum gerade sieben?«
»Weil das damals Ihre erste Forderung bei mir war…«
»Sie haben ein glanzendes Gedachtnis«, sagte ich.
»Fur Zahlen. Nur fur Zahlen. Leider. Also um zum Schlu? zu kommen: Sie konnen den Wagen fur den Preis