blutuberstromte Gesicht einer Frau. Neben ihr war ein Mann, zwischen Steuerrad und Sitz gequetscht. Wir hoben zuerst die Frau heraus und legten sie auf die Stra?e. Ihr Gesicht war voller Schnitte, ein paar Splitter steckten noch darin, aber das Blut lief regelma?ig. Schlimmer war der rechte Arm. Der Armel der wei?en Kostumjacke war hellrot und tropfte stark. Lenz schnitt ihn auf. Ein Schwall Blut flo? heraus, dann pulste es weiter. Die Ader war zerschnitten. Lenz drehte sein Taschentuch zu einem Knebel. »Macht den Mann frei, ich werde hier schon fertig«, sagte er. »Wir mussen rasch ins nachste Krankenhaus.«
Um den Mann loszubekommen, mu?ten wir die Sitzlehne abschrauben. Zum Gluck hatten wir Werkzeug genug bei uns, und es ging ziemlich schnell. Der Mann blutete ebenfalls und hatte anscheinend ein paar Rippen gebrochen. Als wir ihm heraushalfen, fiel er mit einem Schrei um. Es war auch was mit dem Knie los. Aber wir konnten im Augenblick nichts daran tun.
Koster fuhr Karl ruckwarts bis dicht an die Unglucksstelle heran. Die Frau bekam einen Schreikrampf vor Angst, als sie ihn so naher kommen sah, obschon er im Schritt fuhr. Wir legten die Lehne eines der Vordersitze zuruck und konnten so den Mann hinlegen. Die Frau setzten wir auf den Hintersitz. Ich stellte mich neben sie auf das Trittbrett, Lenz hielt ebenso von der andern Seite den Mann fest. »Bleib hier und pa? auf den Wagen auf, Jupp«, sagte Lenz.
»Wo ist eigentlich der Motorradfahrer geblieben?« fragte ich.
»Abgehauen, als wir am Arbeiten waren«, erklarte Jupp.
Wir fuhren langsam los. In der Nahe des nachsten Dorfes war ein kleines Sanatorium. Wir hatten es oft im Voruberfahren gesehen. Es lag wei? und niedrig auf einem Hugel. Soviel wir wu?ten, war es eine Art Privatirrenanstalt fur leichtkranke, reiche Patienten – aber sicher war ein Arzt da und ein Verbandsraum.
Wir fuhren den Hugel hinauf und klingelten. Eine sehr hubsche Schwester kam heraus. Sie wurde bla?, als sie das Blut sah, und lief zuruck. Gleich darauf kam eine zweite, bedeutend altere. »Bedaure«, sagte sie sofort,»wir sind nicht auf Unfalle eingerichtet. Sie mussen zum Virchow-Krankenhaus fahren. Es ist nicht weit.«
»Es ist fast eine Stunde von hier«, erwiderte Koster.
Die Schwester sah ihn abweisend an. »Wir sind gar nicht auf so etwas eingerichtet. Es ist auch kein Arzt da…«
»Dann versto?en Sie gegen das Gesetz«, erklarte Lenz. »Privatanstalten Ihrer Art mussen einen standigen Arzt haben. Wurden Sie mir erlauben, einmal Ihr Telefon zu benutzen? Ich mochte mit der Polizeidirektion und der Redaktion des Tageblattes telefonieren.«
Die Schwester wurde unschlussig. »Ich glaube, Sie konnen beruhigt sein«, sagte Koster kalt. »Ihre Arbeit wird Ihnen sicher gut bezahlt werden. Wir brauchen zunachst eine Tragbahre. Den Arzt werden Sie ja wohl erreichen konnen.« Sie zogerte immer noch. »Eine Tragbahre«, erlauterte Lenz,»gehort ebenfalls laut Gesetz, ebenso wie ausreichendes Verbandsmaterial…«
»Jaja«, erwiderte sie hastig, scheinbar niedergeschmettert durch so viel Kenntnisse,»sofort, ich schicke jemand…«
Sie verschwand. »Allerhand«, sagte ich.
»Kann dir auch im Stadtischen Krankenhaus passieren«, antwortete Gottfried gleichmutig. »Erst kommt das Geld, dann die Burokratie, dann die Hilfe.«
Wir gingen zum Wagen zuruck und halfen der Frau heraus. Sie sagte nichts; sie blickte nur auf ihre Hande. Wir brachten sie in einen kleinen Ordinationsraum im Parterre. Dann kam die Tragbahre fur den Mann. Wir hoben ihn hinauf. Er stohnte. »Einen Augenblick…«
Wir sahen ihn an. Er schlo? die Augen. »Ich mochte, da? niemand etwas erfahrt«, sagte er muhsam.
»Sie waren vollig ohne Schuld«, erwiderte Koster. »Wir haben den Unfall genau gesehen und sind gern Zeugen fur Sie.«
»Das ist es nicht«, sagte der Mann. »Ich mochte aus anderen Grunden, da? nichts bekannt wird. Sie verstehen…« Er blickte nach der Tur, durch die die Frau gegangen war.
»Dann sind Sie hier am richtigen Platz«, erklarte Lenz. »Es ist ein Privathaus. Das einzige ware nur noch, da? Ihr Wagen verschwindet, ehe die Polizei ihn sieht.«
Der Mann stutzte sich auf. »Wurden Sie das fur mich noch machen? Eine Reparaturanstalt anrufen? Und geben Sie mir bitte Ihre Adresse! Ich mochte – ich bin Ihnen zu Dank…«
Koster wehrte mit einer Handbewegung ab. »Doch«, sagte der Mann,»ich wu?te gern…«
»Ganz einfach«, erwiderte Lenz. »Wir haben selbst eine Reparaturwerkstatt und sind Spezialisten fur Wagen wie den Ihren. Wir werden ihn gleich mitnehmen, wenn Sie einverstanden sind, und ihn wieder in Ordnung bringen. Damit ist Ihnen geholfen und uns gewisserma?en auch.«
»Gern«, sagte der Mann. »Wollen Sie meine Adresse – ich komme dann selbst, den Wagen holen. Oder schicke jemand.«
Koster steckte die Visitenkarte in die Tasche, und wir trugen ihn hinein. Der Arzt, ein junger Mann, war inzwischen gekommen. Er hatte das Blut vom Gesicht der Frau abgewaschen, und man sah jetzt die tiefen Schnitte. Die Frau hob sich auf den gesunden Arm und starrte in das blinkende Nickel einer Schale auf dem Verbandstisch. »Oh«, sagte sie leise und lie? sich zuruckfallen, mit entsetzten Augen.
Wir fuhren zum Dorf und fragten nach einer Werkstatt. Dort liehen wir uns bei einem Schmied eine Abschleppvorrichtung und ein Seil und versprachen dem Mann zwanzig Mark dafur. Doch der war mi?trauisch und wollte den Wagen sehen. Wir nahmen ihn mit und fuhren zuruck.
Jupp stand mitten auf der Stra?e und winkte. Aber wir sahen ohne ihn schon, was los war. Ein alter, hochbordiger Mercedes stand am Stra?enrand, und vier Leute waren dabei, den Stutz abzuschleppen.
»Da kommen wir ja gerade noch zurecht«, sagte Koster.
»Das sind die Bruder Vogt«, erwiderte der Schmied. »Gefahrliche Bande. Wohnen druben. Was die in den Fingern haben, geben sie nicht wieder her.«
»Mal sehen«, sagte Koster.
»Ich habe denen da schon alles erklart, Herr Koster«, flusterte Jupp. »Schmutzkonkurrenz. Wollen den Wagen fur ihre eigene Werkstatt haben.«
»Schon, Jupp. Bleibt mal vorlaufig hier.«
Koster ging auf den gro?ten der vier zu und sprach ihn an. Er erklarte ihm, da? der Wagen uns gehore. »Hast du irgend etwas Hartes bei dir?« fragte ich Lenz.
»Nur einen Schlusselbund, und den brauche ich selber.
Nimm einen kleinen Englander.«
»Lieber nicht«, sagte ich,»das konnte zu schwerer Korperverletzung fuhren. Schade, da? ich so leichte Schuhe anhabe. Sonst ware Treten immer noch das beste.«
»Machen Sie mit?« fragte Lenz den Schmied. »Dann sind wir vier gegen vier.«
»Ich werde mich huten! Damit die mir morgen die Bude einschlagen. Ich bleibe streng neutral.«
»Auch richtig«, sagte Gottfried.
»Ich mache mit«, erklarte Jupp.
»Untersteh dich!« sagte ich. »Du pa?t auf, ob jemand kommt, weiter nichts.«
Der Schmied entfernte sich ein Stuck von uns, um seine strenge Neutralitat noch deutlicher zu zeigen.
»Quatsch keine Opern!« horte ich gleich darauf den gro?ten der Bruder Vogt Koster anknarren. »Wer zuerst da ist, mahlt zuerst! Fertig! Und nun schiebt ab!«
Koster erklarte nochmals, da? der Wagen uns gehore. Er bot Vogt an, ihn in das Sanatorium zu fahren, damit er sich dort erkundigen konne. Der grinste verachtlich. Lenz und ich kamen naher. »Ihr wollt wohl auch ins Krankenhaus, was?« fragte Vogt. Koster antwortete nicht, sondern ging an das Auto heran. Die drei andern Vogts richteten sich auf. Sie standen jetzt dicht zusammen. »Gebt mal das Abschleppseil her«, sagte Koster zu uns. »Mensch«, erwiderte der alteste Vogt. Er war einen Kopf gro?er als Koster. »Tut mir leid«, sagte Koster,»aber wir werden den Wagen mitnehmen.« Lenz und ich schlenderten noch naher heran, die Hande in den Taschen. Koster buckte sich zu dem Wagen herunter. Im gleichen Moment schleuderte Vogt ihn mit einem Tritt beiseite. Otto hatte damit gerechnet; er hatte in derselben Sekunde das Bein gefa?t und Vogt umgerissen. Dann kam er hoch und schlug dem nachsten der Bruder, der gerade die Stange des Wagenhebers hob, vor den Magen, da? er taumelte und ebenfalls zu Boden ging. Im nachsten Augenblick sprangen Lenz und ich auf die beiden andern zu. Ich bekam sofort einen Schlag ins Gesicht. Es war nicht schlimm, aber meine Nase fing an zu bluten, ich verfehlte den nachsten Schlag, rutsche am fettigen Kinn des andern ab, bekam einen zweiten Hieb gegen das Auge und sturzte so unglucklich, da? mich der Vogt mit dem Magenschlag am Boden zu fassen kriegte. Er druckte mich gegen den