das?«

»Ja«, sagte ich.

Er gab mir die Hand und ging rasch mit der Schwester durch die Glastur in den kalkwei? erleuchteten Saal.

Ich stieg langsam die vielen Treppen hinunter. Je tiefer ich kam, desto dunkler wurde es, und im ersten Stock brannte schon das elektrische Licht. Als ich dann auf die Stra?e trat, sah ich, wie vom Horizont her noch einmal die rosafarbene Dammerung wie unter einem tiefen Atemzug aufwehte. Gleich darauf erlosch sie und wurde grau.

Ich blieb eine Zeitlang im Wagen sitzen und starrte vor mich hin. Dann nahm ich mich zusammen und fuhr zuruck zur Werkstatt. Koster wartete auf mich vor dem Tor. Ich fuhr den Wagen in den Hof und stieg aus. »Wu?test du es schon?« fragte ich.

»Ja«, erwiderte er. »Aber Jaffe wollte es dir selber sagen.«

Ich nickte.

Koster sah mich an.

»Otto«, sagte ich,»ich bin kein Kind und wei?, da? noch nichts verloren ist. Aber es wird mir vielleicht doch schwer werden, mich heute abend nicht zu verraten, wenn ich mit Pat allein bleibe. Morgen geht es. Dann bin ich durch. Wollen wir heute alle zusammen irgendwohin gehen?«

»Selbstverstandlich, Robby. Ich habe schon daran gedacht und Gottfried Bescheid gesagt.«

»Dann gib mir Karl noch einmal. Ich fahre nach Hause und hole erst Pat ab, und dann, in einer Stunde, euch.«

»Gut.«

Ich fuhr los. In der Nikolaistra?e fiel mir ein, da? ich den Hund vergessen hatte. Ich drehte um und fuhr zuruck, um ihn zu holen. Der Laden war nicht beleuchtet, aber die Tur offen. Anton sa? hinten im Laden auf einem Feldbett. Er hatte eine Flasche in der Hand. »Angeschissen hat Gustav mich«, sagte er und stank wie eine ganze Schnapsbrennerei.

Der Terrier sprang mir entgegen, beschnupperte mich und leckte mir die Hand. Seine Augen schimmerten grun im schragen Schein, der von der Stra?e hereinfiel. Anton stand auf. Er schwankte und weinte plotzlich. »Mein Hundchen, jetzt gehst du auch weg – alles geht weg – Thilde tot – Minna weg – sagen Sie mal, wozu lebt unsereins eigentlich?«

Das hatte mir noch gefehlt! Die kleine, trostlose, elektrische Birne, die er jetzt anknipste, das leise Rascheln der Schildkroten und der Vogel, und der kleine, gedunsene Mann in diesem Laden. »Die Dicken, die wissen ja – aber sagen Sie mal, wozu lebt unsereins uberhaupt? Wozu leben wir Jammerpinscher, Herr?« Der Affe stie? einen Klagelaut aus und sprang wie ein Rasender auf seiner Stange hin und her. Sein Schatten sprang gro? auf der Wand mit. »Koko«, schluchzte der kleine Mann, der allein in der Dunkelheit gesessen und getrunken hatte,»mein Einziger, komm!« Er hielt ihm die Flasche hin. Der Affe griff danach.

»Sie machen das Tier kaputt, wenn Sie ihm zu saufen geben«, sagte ich.

»Wennschon«, lallte er. »Paar Jahre langer an der Kette oder nicht – ist doch alles egal – alles egal – Herr…«

Ich nahm den Hund, der sich warm an mich drangte, und ging. Geschmeidig, mit langen, weichen Bewegungen, lief er neben mir her zum Wagen.

Ich fuhr nach Hause und ging vorsichtig, den Hund an der Leine, hinauf. Auf dem Korridor blieb ich stehen und schaute in den Spiegel. Mein Gesicht war wie sonst. Ich klopfte an Pats Tur, offnete sie ein wenig und lie? den Hund hinein.

Ich blieb drau?en stehen, hielt die Leine fest und wartete. Aber statt Pats Stimme horte ich unvermutet den Ba? Frau Zalewskis. »Gott im Himmel.«

Aufatmend sah ich hinein. Ich hatte nur Angst vor der ersten Minute mit Pat allein gehabt. Jetzt war alles leicht. Frau Zalewski war ein Prellbock, auf den man sich verlassen konnte. Sie thronte majestatisch am Tisch, eine Tasse Kaffee neben sich und ein Spiel Karten in mystischer Ordnung vor sich ausgebreitet. Pat hockte mit glanzenden Augen an ihrer Seite und lie? sich die Zukunft weissagen. »Guten Abend«, sagte ich, plotzlich sehr froh.

»Da kommt er«, erklarte Frau Zalewski wurdig. »Uber den kurzen Weg in der Abendstunde, neben sich einen schwarzen Herrn auf der Spitze des Hauses.«

Der Hund ri? sich los und scho? bellend zwischen meinen Beinen hindurch ins Zimmer.

»Mein Gott!« rief Pat. »Das ist ja ein Irischer Terrier!«

»Alle Achtung!« sagte ich. »Vor ein paar Stunden habe ich das noch nicht gewu?t.«

Sie beugte sich hinunter, und der Hund sprang sturmisch an ihr hoch.

»Wie hei?t er denn, Robby?«

»Keine Ahnung. Wahrscheinlich Kognak oder Whisky oder so, nach seinem letzten Besitzer.«

»Gehort er uns?«

»Soweit ein lebendiges Wesen einem andern gehoren kann, ja.«

Sie war ganz atemlos vor Freude.

»Wir werden ihn Billy nennen, Robby! Meine Mutter hatte einen als Madchen. Sie hat mir oft davon erzahlt. Er hie? auch Billy!«

»Dann habe ich es ja gut getroffen«, sagte ich.

»Ist er stubenrein?« fragte Frau Zalewski.

»Er hat einen Stammbaum wie ein Furst«, erwiderte ich. »Und Fursten sind stubenrein.«

»Wenn sie klein sind, nicht. Wie alt ist er denn?«

»Acht Monate. Das ist soviel wie beim Menschen sechzehn Jahre.«

»Er sieht nicht stubenrein aus«, erklarte Frau Zalewski.

»Er mu? mal gewaschen werden, das ist alles.«

Pat stand auf und legte ihren Arm um Frau Zalewskis Schultern. Ich sah ihr perplex zu.

»Ich habe mir immer schon einen Hund gewunscht«, sagte sie. »Wir konnen ihn doch behalten, nicht wahr? Sie haben doch nichts dagegen?«

Mutter Zalewski wurde zum erstenmal, seit ich sie kannte, verlegen.

»Na also – meinetwegen«, erwiderte sie. »Es stand ja auch in den Karten. Eine Uberraschung uber einen Herrn ins Haus.«

»Stand auch drin, da? wir heute abend ausgehen?« fragte ich.

Pat lachte. »Soweit waren wir noch nicht, Robby. Wir waren erst bei dir.«

Frau Zalewski erhob sich und raffte ihre Karten zusammen. »Man kann dran glauben, man kann nicht dran glauben, und man kann verkehrt dran glauben, wie Zalewski. Dem stand Pik Neun als Unheilsbote immer uber dem flussigen Element. Er meinte deshalb, er mu?te sich vor dem Wasser in acht nehmen. Aber es war der Schnaps und das Pilsener Bier.«

»Pat«, sagte ich, als sie fort war, und nahm sie fest in die Arme,»es ist wunderbar, nach Hause zu kommen und dich hier zu finden. Es ist immer wieder eine Uberraschung fur mich. Wenn ich das letzte Stuck der Treppe emporsteige und die Tur aufschlie?e, habe ich stets Herzklopfen, da? es nicht wahr sein konnte.«

Sie blickte mich lachelnd an. Sie antwortete fast nie, wenn ich ihr so etwas sagte. Ich hatte es mir auch nicht vorstellen konnen und es schlecht ertragen, wenn sie mir vielleicht etwas Ahnliches erwidert hatte – ich fand, da? eine Frau einem Mann nicht sagen sollte, da? sie ihn liebte. Sie bekam nur strahlende, gluckliche Augen, und damit sagte sie mehr als mit noch so vielen Worten.

Ich hielt sie lange fest, ich spurte die Warme ihrer Haut und den leichten Duft ihres Haares – ich hielt sie fest, und es war nichts mehr da au?er ihr, die Dunkelheit wich zuruck, sie war da, sie lebte, sie atmete, und nichts war verloren.

»Gehen wir wirklich fort, Robby?« fragte sie dicht an meinem Gesicht. »Alle zusammen sogar«, erwiderte ich,»Koster und Lenz auch. Karl steht schon vor der Tur.«

»Und Billy?«

»Billy kommt naturlich mit. Was sollen wir sonst mit dem Rest des Abendessens machen! Oder hast du schon gegessen?«

»Nein, noch nicht. Ich habe auf dich gewartet.«

»Du sollst aber nicht auf mich warten. Nie. Es ist schrecklich, auf etwas zu

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