besorgte, nicht, wenn man eine brachte. »Dafur bin ich nicht grun genug«, sagte ich,»ich kriege eins siebzig.«
»Du kannst was in die Schnauze kriegen«, knurrte er. »Mensch, zieh blo? Leine, ich stehe hier schon langer als du.«
Es lag mir nichts an den zwei Groschen. Ich hatte nur keine Lust, mich anschmieren zu lassen. »Quatsch keine Opern und gib den Rest 'raus«, sagte ich.
Der Portier schlug so schnell zu, da? ich mich nicht decken konnte. Ausweichen konnte ich ohnehin auf meinem Bock nicht. Ich prallte mit dem Kopf gegen das Steuerrad. Benommen richtete ich mich auf. Mein Kopf drohnte wie eine Trommel, und meine Nase tropfte. Der Portier stand vor mir.
»Willst du noch eine, du Wasserleiche?«
Ich schatzte in der Sekunde meine Chancen ab. Es war nichts zu machen. Der Kerl war starker als ich. Um ihn zu erwischen, hatte ich ihn uberraschen mussen. Vom Bock aus schlagen konnte ich nicht, das hatte keine Kraft. Und bis ich aus dem Wagen kam, hatte er mich dreimal am Boden. Ich sah ihn an. Er blies mir seinen Bieratem ins Gesicht. »Noch ein Ding, und deine Frau ist Witwe.«
Ich sah ihn an. Ich bewegte mich nicht. Ich starrte in dieses breite, gesunde Gesicht. Ich fra? es mit den Augen. Ich sah, wohin ich schlagen mu?te, ich war eiskalt zusammengezogen vor Wut. Aber ich ruhrte mich nicht. Ich sah das Gesicht uberdicht, uberdeutlich, wie durch ein Vergro?erungsglas, riesig, jede Bartstoppel, die rote, rauhe porige Haut…
Ein Schupohelm blitzte. »Was ist hier los?«
Der Portier verzog servil das Gesicht. »Nichts, Herr Wachtmeister.«
Er sah mich an. »Nichts«, sagte ich.
Er blickte von dem Portier zu mir heruber. »Sie bluten ja.«
»Habe mich gesto?en.«
Der Portier trat einen Schritt zuruck. In seinen Augen lag ein Grinsen. Er meinte, ich hatte Angst, ihn anzuzeigen.
»Los, weiterfahren«, sagte der Schupo.
Ich gab Gas und fuhr zum Stand zuruck.
»Mensch, siehst du aus!« sagte Gustav.
»Das ist nur die Nase«, erwiderte ich und erzahlte die Geschichte.
»Komm mal mit in die Kneipe«, sagte Gustav. »Ich war nicht umsonst mal Sanitatsgefreiter. Schweinerei, auf einen sitzenden Mann loszuschlagen.«
Er nahm mich mit in die Kuche der Kneipe, lie? sich Eis geben und bearbeitete mich eine halbe Stunde lang. »Nicht mal 'ne Beule sollst du kriegen«, erklarte er.
Endlich horte er auf. »Na, wie steht's mit dem Schadel? Gut, was? Dann wollen wir keine Zeit verlieren.«
Tommy kam herein. »War das der gro?e Portier vom Vineta?
Der ist beruchtigt fur sein Schlagen. Hat leider noch nie selber Dunst gekriegt.«
»Jetzt kriegt er welchen«, sagte Gustav.
»Ja, aber von mir«, erwiderte ich.
Gustav sah mich mi?mutig an. »Bis du aus dem Wagen 'raus bist…«
»Habe mir schon einen Dreh ausgedacht. Wenn ich's nicht schaffe, kannst du ja immer noch losgehen.«
»Schon.«
Ich setzte Gustavs Mutze auf, und wir nahmen auch seinen Wagen, damit der Portier nicht gleich Lunte roch. Sehen konnte er ohnehin nicht viel, dazu war die Stra?e zu dunkel.
Wir kamen an. Kein Mensch war auf der Stra?e zu sehen. Gustav sprang heraus, einen Zwanzigmarkschein in der Hand.
»Verflucht, kein Kleingeld! Portier, konnen Sie wechseln? Eins siebzig macht es? Legen Sie es doch eben aus.«
Er tat, als ginge er zur Kasse. Der Portier naherte sich mir hustend und schob mir eine Mark funfzig hin. Ich hielt die Hand weiter hin.
»Schieb ab…«, knurrte er.
»Rest 'raus, dreckiger Hund!« brullte ich.
Er stand eine Sekunde wie versteinert. »Mensch«, sagte er dann leise und leckte sich die Lippen,»das wird dir noch monatelang leid tun!« Er holte aus. Der Schlag hatte mich bewu?tlos gemacht. Aber ich war vorbereitet, drehte und duckte mich, und die Faust sauste mit voller Gewalt auf die scharfe Stahlklaue meiner Andrehkurbel, die ich in der linken Hand versteckt bereitgehalten hatte. Aufheulend sprang der Portier zuruck und schuttelte die Hand. Er zischte vor Schmerz wie eine Dampfmaschine und stand ganz frei, ohne Deckung.
Ich scho? aus dem Wagen. »Kennst du mich wieder?« fauchte ich und schlug ihm gegen den Magen.
Er kippte um. »Eins«, begann Gustav von der Kasse her zu zahlen,»zwei – drei…«
Bei funf kam der Portier glasig wieder hoch. Ich sah wie vorher sein Gesicht vor mir, ganz genau, dieses gesunde, breite, dumme, gemeine Gesicht, diesen ganzen gesunden, kraftigen Kerl, dieses Schwein, das nie kranke Lungen haben wurde, und ich spurte plotzlich roten Qualm im Gehirn und in den Augen, ich sprang los und schlug und schlug, ich schlug alles, was sich in mir aufgespeichert hatte in diesen Tagen und Wochen hinein in dieses gesunde, breite, blokende Gesicht, bis ich zuruckgerissen wurde…
»Mensch, du schlagst ihn ja tot…«, rief Gustav.
Ich sah mich um. Der Portier lehnte blutuberstromt an der Mauer. Jetzt knickte er zusammen, fiel um und begann langsam wie ein riesiges, glitzerndes Insekt in seiner Uniform auf allen vieren dem Eingang zuzukriechen.
»Der schlagt so leicht nicht wieder«, sagte Gustav. »Aber los, jetzt turmen, bevor jemand kommt! Das war schon schwere Korperverletzung.«
Wir warfen das Geld aufs Pflaster, stiegen ein und fuhren ab.
»Blute ich eigentlich auch?« fragte ich,»oder ist das der Portier?«
»Deine Nase wieder«, erklarte Gustav. »Er hat einen sehr schonen Linken darauf gelandet.«
»Habe ich gar nicht gemerkt.«
Gustav lachte.
»Wei?t du«, sagte ich,»mir ist jetzt bedeutend besser.«
XVIII
Unser Taxi stand vor der Bar. Ich ging hinein, um Lenz abzulosen und mir den Schlussel und die Papiere zu holen. Gottfried kam mit heraus. »Hast du gute Kasse gehabt?« fragte ich.
»Ma?ig«, erwiderte er. »Entweder gibt es zuviel Taxis oder zuwenig Leute, die Taxi fahren. Wie war's denn bei dir?«
»Schlecht. Habe die ganze Nacht herumgestanden und nicht mal zwanzig Mark eingenommen.«
»Trube Zeiten!« Gottfried zog die Brauen hoch. »Na, dann hast du's ja wohl nicht so sehr eilig heute, was?«
»Nein, warum?«
»Kannst mich mal ein Stuck mitnehmen.«
»Gut.« Wir stiegen ein. »Wo willst du denn hin?« fragte ich.
»Zum Dom.«
»Was?« fragte ich. »Glaubst du, da? ich mich verhort habe? Ich habe Dom verstanden.«
»Nein, mein Sohn, du hast dich nicht verhort. Dom ist richtig!«
Ich sah ihn erstaunt an. »Staune nicht, sondern fahre!« sagte Gottfried.
»Na schon.« Wir fuhren los.
Der Dom lag im alten Teil der Stadt, an einem freien Platz, der von den Hausern der Geistlichen umgeben war. Ich hielt vor dem Hauptportal. »Weiter«, sagte Gottfried. »Ganz herum.«
Er lie? mich vor einem kleinen Eingang an der Ruckseite halten und stieg aus. »Viel Vergnugen«, sagte ich. »Ich nehme an, da? du beichten willst.«
»Komm mal mit«, erwiderte er.