Die Fenster standen offen, und von den Baumen drau?en hauchte die Nachtluft frisch wie aus einem Walde herein.

»Schon«, sagte Pat und kauerte sich in die Ecke der Fensterbank.

»Findest du es wirklich schon hier?«

»Ja, Robby. Wie in einem gro?en Park im Sommer. Es ist herrlich.«»Hast du dir im Vorbeigehen das Zimmer nebenan einmal angesehen?« fragte ich.

»Nein, warum?«

»Hier links dieser prachtvolle, gro?e Balkon gehort dazu. Er ist ganz abgedeckt und ohne Gegenuber. Wenn du da jetzt wohntest, brauchtest du nicht einmal einen Badeanzug fur deine Sonnenbader.«

»Ja, wenn ich da wohnte…«

»Das kannst du«, sagte ich leichthin. »Du hast ja gesehen, das Zimmer wird in den nachsten Tagen frei.«

Sie sah mich an und lachelte.

»Glaubst du, da? so etwas richtig ware fur uns? Dauernd so nahe zusammen zu sein?«

»Wir waren ja gar nicht dauernd zusammen«, erwiderte ich. »Tagsuber bin ich doch uberhaupt nicht da. Abends auch oft nicht. Aber wenn wir dann schon mal zusammen waren, brauchten wir nicht in Lokalen zu sitzen oder uns immer wieder so rasch zu trennen, als waren wir beieinander nur zu Besuch.«

Sie ruhrte sich ein wenig in ihrer Ecke. »Das klingt ja beinahe so, als hattest du es dir schon genau uberlegt, Liebling.«

»Habe ich auch«, sagte ich. »Den ganzen Abend schon.«

Sie richtete sich auf. »Meinst du es wirklich im Ernst, Robby?«

»Zum Donnerwetter, ja«, sagte ich,»merkst du das immer noch nicht?«

Sie schwieg einen Augenblick. »Robby«, sagte sie dann, und ihre Stimme war tiefer als vorher,»wie kommst du gerade jetzt darauf?«

»Ich komme darauf«, erwiderte ich, heftiger als ich wollte, denn ich fuhlte plotzlich, da? jetzt die Entscheidung kam uber vieles mehr noch als uber das Zimmer,»ich komme darauf, weil ich gesehen habe in diesen letzten Wochen, wie wunderbar es ist, ganz zusammen zu sein. Ich kann das nicht mehr ertragen, dieses stundenweise Treffen! Ich will mehr von dir haben! Ich will, da? du immer bei mir sein sollst, ich habe keine Lust mehr auf das kluge Versteckspiel der Liebe, es ist mir zuwider, ich brauche es nicht, ich will einfach dich und nochmals dich, ich werde nie genug kriegen von dir, und ich will nicht eine einzige Minute davon entbehren.«

Ich horte ihren Atem. Sie hockte in der Fensterecke, die Hande um die Knie gelegt, und schwieg. Langsam flackerte der rote Schein der Lichtreklame von gegenuber hinter den Baumen hoch und warf einen matten Widerschein auf ihre hellen Schuhe. Dann wanderte er uber ihren Rock und ihre Hande. »Du kannst mich ruhig auslachen«, sagte ich.

»Auslachen?« erwiderte sie.

»Na ja, weil ich immer sage: Ich will. Du mu?t schlie?lich ja auch wollen.«

Sie sah auf. »Wei?t du, da? du dich verandert hast, Robby?«

»Nein.«

»Doch. Du sagst es ja selbst. Du willst. Du fragst nicht mehr so viel. Du willst einfach.«

»Das ist doch keine so gro?e Veranderung. Du kannst ja trotzdem nein sagen, auch wenn ich noch so sehr will.«

Sie beugte sich plotzlich zu mir vor. »Warum sollte ich denn nein sagen, Robby«, sagte sie mit sehr warmer und zartlicher Stimme,»ich will es ja auch…«

Uberrascht nahm ich sie um die Schultern. Ihr Haar streifte mein Gesicht. »Ist das wahr, Pat?«

»Aber ja, Liebling.«

»Verdammt«, sagte ich,»das hatte ich mir viel schwerer vorgestellt.«

Sie schuttelte den Kopf. »Es liegt doch nur an dir, Robby…«

»Ich glaube beinahe auch«, sagte ich erstaunt.

Sie legte den Arm um meinen Nacken. »Manchmal ist es ganz gut, an nichts denken zu mussen. Nicht alles selbst tun zu brauchen. Sich anlehnen zu konnen. Ach, Liebling, es ist alles eigentlich ganz leicht; – man mu? es sich nur nicht selber schwer machen.«

Ich mu?te einen Augenblick die Zahne zusammenbei?en. Da? gerade sie mir das sagte!»Stimmt«, sagte ich dann,»stimmt, Pat.« Es stimmte gar nicht.

Wir standen noch eine Weile am Fenster. »Deine Sachen nehmen wir alle mit«, sagte ich. »Du sollst hier nichts entbehren. Sogar einen Teewagen schaffen wir uns an. Frida wird das schon lernen.«

»Wir haben ja einen, Liebling. Er gehort ja mir.«

»Um so besser. Dann werde ich morgen gleich mit Frida trainieren.«

Sie lehnte den Kopf gegen meine Schulter. Ich spurte, da? sie mude war. »Soll ich dich jetzt nach Hause bringen?«

fragte ich.

»Gleich. Ich lege mich nur noch einen Augenblick hin.«

Sie lag ruhig, ohne zu sprechen, auf dem Bert, als schliefe sie. Aber ihre Augen waren offen, und manchmal fing sich in ihnen der Reflex der Lichtreklamen, die wie bunte Nordlichter lautlos uber die Wande und die Decke glitten. Es war drau?en still geworden. Nebenan horte man ab und zu Hasse rumoren unter den Resten seiner Hoffnungen, seiner Ehe und wohl auch seines Lebens.

»Du solltest gleich hierbleiben«, sagte ich.

Sie richtete sich auf. »Heute nicht, Liebling…«

»Ich hatte viel lieber, wenn du hier bliebest…«

»Morgen…«

Sie stand auf und ging leise durch das dunkle Zimmer. Ich dachte an den Tag, als sie zum erstenmal bei mir geblieben und in der grauen Dammerung der Fruhe ebenso still durch das Zimmer gegangen war, um sich anzuziehen. Ich wu?te nicht, was es war, aber es hatte etwas ruhrend Selbstverstandliches und fast Erschutterndes an sich, es war wie eine Gebarde aus sehr fernen, verschutteten Zeiten, wie der schweigende Gehorsam unter ein Gebot, das niemand mehr kennt. Sie kam zuruck aus der Dunkelheit zu mir und nahm mein Gesicht in ihre Hande. »Es war schon bei dir, Liebling. Sehr schon. Es ist gut, da? du da bist.«

Ich erwiderte nichts. Ich konnte nichts erwidern.

Ich brachte sie nach Hause und ging dann zuruck in die Bar. Koster war da. »Setz dich«, sagte er. »Wie geht's?«

»Nicht besonders, Otto.«

»Willst du was trinken?«

»Wenn ich tranke, mu?te ich viel trinken. Das will ich nicht. Es mu? auch so gehen. Aber ich konnte etwas anderes machen. Ist Gottfried mit dem Taxi unterwegs?«

»Nein.«

»Gut. Dann werde ich noch ein paar Stunden damit losfahren.«

»Ich gehe mit 'runter«, sagte Koster.

Ich holte den Wagen heraus und verabschiedete mich von Otto. Dann fuhr ich an den Stand. Vor mir parkten zwei Wagen. Nachher kamen noch Gustav und Tommy, der Schauspieler, dazu. Dann gingen die beiden vorderen Wagen ab, und kurz darauf bekam ich auch eine Fuhre. Ein junges Madchen, das ins Vineta wollte.

Das Vineta war ein populares Tanzbums, mit Tischtelefon, Rohrpost und ahnlichen Sachen fur Provinzler. Es lag etwas abseits von den andern Lokalen in einer dunklen Stra?e.

Wir hielten. Das Madchen kramte in seinem Taschchen und hielt mir einen Funfzigmarkschein hin. Ich zuckte die Achseln. »Kann ich leider nicht wechseln.« Der Portier war herangekommen. »Wieviel macht es?«

fragte das Madchen.

»Eins siebzig.«

Sie wandte sich an den Portier. »Wollen Sie es fur mich auslegen? Kommen Sie, ich gebe es Ihnen an der Kasse zuruck.«

Der Portier ri? die Tur auf und ging mit ihr zur Kasse. Dann kam er zuruck. »Da…«

Ich zahlte nach. »Eins funfzig sind das…«

»Quatsch keinen Kase oder bist du noch grun? Zwei Groschen Portierstaxe furs Wiederkommen. Hau ab!«

Es gab Platze, wo man dem Portier ein Trinkgeld gab. Aber man gab es ihm, wenn er einem eine Fuhre

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