ich nach einer Weile hinuber und klopfte an.

Frau Hasse war da. Sie sa? mitten in dem halbausgeraumten Zimmer vor dem Spiegel, einen Hut auf dem Kopf, und puderte sich.

Ich begru?te sie und schaute mir dabei den Raum an. Er war gro?er, als ich gedacht hatte. Jetzt, wo die Mobel zum Teil heraus waren, sah man es erst. Die Tapeten waren einfarbig, hell und ziemlich neu, die Turen und Fenster frisch gestrichen, und der Balkon war sehr gro? und schon. »Was er mir jetzt zumutet, haben Sie ja wohl schon gehort«, sagte Frau Hasse. »In das Zimmer von der Person da druben soll ich ziehen! Diese Schande!«

»Schande?« fragte ich.

»Ja, Schande!« brach sie erregt los. »Sie wissen doch, da? wir uns nicht leiden konnten, und jetzt zwingt mich Hasse, in ihr Zimmer zu ziehen, ohne Balkon und nur mit einem Fenster. Blo? weil es billiger ist. Was meinen Sie, wie die in ihrem Christlichen Hospiz triumphiert!«

»Ich glaube nicht, da? sie triumphiert.«

»Doch, die triumphiert, diese falsche Sauglingsschwester, dieses stille Wasser, die es faustdick hinter den Ohren hat! Und nebenan dazu noch diese Kokotte, diese Erna Bonig! Und der Katzengestank!«

Ich schaute verblufft auf. Ein stilles Wasser mit Ohren? Es war merkwurdig: Wirklich neu und bildkraftig im Ausdruck wurde der Mensch nur, wenn er schimpfte. Wie ewig gleichma?ig waren die Ausdrucke der Liebe – und wie wechselvoll dagegen war die Skala der Fluche!

»Katzen sind doch sehr saubere und schone Tiere«, sagte ich. »Ich war ubrigens eben in dem Zimmer. Es riecht nicht nach Katzen.«

»So?« erwiderte Frau Hasse feindselig und schob ihren Hut zurecht,»das kommt dann ja wohl auf die Nase an.

Aber ich denke nicht daran, noch was dazu zu tun! Soll er sich selbst die Mobel 'ruberschleppen! Ich gehe aus! Wenigstens das will ich von diesem Hundeleben haben!«

Sie stand auf. Ihr schwammiges Gesicht bebte derart vor Wut, da? der Puder herunterstaubte. Ich sah, da? sie ihre Lippen sehr rot bemalt hatte und uberhaupt machtig aufgedonnert war. Sie roch wie eine ganze Parfumerie, als sie hinausrauschte.

Ich blickte ihr verdutzt nach. Dann schaute ich mir noch einmal genau das Zimmer an. Ich uberlegte, wo man Pats Mobel hinstellen konnte. Aber ich horte bald damit auf. Pat hier, immer hier, bei mir – ich konnte mir das nicht vorstellen! Ich ware auch nie auf den Gedanken gekommen, wenn sie gesund gewesen ware. So aber – ich offnete die Tur und ma? den Balkon aus. Doch dann schuttelte ich den Kopf und ging in meine Bude zuruck.

Sie schlief noch, als ich bei ihr eintrat. Ich setzte mich leise in einen Sessel neben das Bett, aber sie erwachte sofort.

»Schade, ich habe dich aufgeweckt«, sagte ich.

»Bist du die ganze Zeit hier gewesen?« fragte sie.

»Nein. Eben erst wiedergekommen.«

Sie dehnte sich und legte ihr Gesicht gegen meine Hand. »Das ist gut. Ich habe nicht gern, wenn man mir beim Schlafen zusieht.«

»Das kann ich verstehen. Ich habe es auch nicht gern. Ich wollte dir auch nicht zusehen. Ich wollte dich nur nicht wecken. Willst du noch ein bi?chen schlafen?«

»Nein, ich bin ganz ausgeschlafen. Ich stehe gleich auf.«

Ich ging in das Zimmer nebenan, wahrend sie sich anzog.

Es wurde drau?en langsam dunkel. Aus einem offenen Fenster gegenuber quakte ein Grammophon den Hohenfriedberger Marsch. Ein Mann mit einer Glatze und mit Hosentragern bediente den Apparat. Er ging im Zimmer hin und her und machte zu der Musik Freiubungen. Seine Glatze leuchtete aus dem Halbdunkel wie ein aufgeregter Mond. Ich sah gleichgultig zu. Ich fuhlte mich stumpf und traurig.

Pat kam herein. Sie sah wunderschon aus, ganz frisch und gar nicht mehr abgespannt. »Du siehst glanzend aus«, sagte ich uberrascht.

»Ich fuhle mich auch gut, Robby. Als wenn ich eine ganze Nacht geschlafen hatte. So etwas wechselt rasch bei mir.«

»Ja, wei? Gott! Manchmal geht es so rasch, da? man kaum mitkommt.«

Sie lehnte sich an meine Schulter und sah mich an. »Zu rasch, Robby?«

»Nein. Hochstens bei mir zu langsam. Ich bin oft etwas langsam, Pat.«

Sie lachelte. »Langsam ist fest. Und fest ist gut.«

»Ich bin so fest wie ein Kork auf dem Wasser«, sagte ich.

Sie schuttelte den Kopf. »Du bist viel fester, als du glaubst. Du bist uberhaupt ganz anders, als du denkst. Ich habe selten jemand gesehen, der so uber sich selber im Irrtum ist wie du.«

Ich lie? ihre Schulter los.

»Ja, Liebling«, sagte sie und nickte,»das ist wirklich so.

Und nun komm, wir wollen jetzt essen gehen.«

»Wohin wollen wir denn gehen?« fragte ich.

»Zu Alfons. Ich mu? all das wiedersehen. Ich habe das Gefuhl, als ware ich eine Ewigkeit fortgewesen.«

»Gut!« sagte ich. »Aber hast du auch den richtigen Hunger dafur? Zu Alfons kann man nicht gehen ohne Hunger. Er wirft einen sonst 'raus.«

Sie lachte. »Ich habe sogar einen furchtbaren Hunger.«

»Dann los!« Ich war plotzlich sehr froh.

Der Einzug bei Alfons war triumphal. Er begru?te uns, verschwand gleich darauf und kam wieder, einen wei?en Kragen und eine grungepunktete Krawatte umgebunden. Das hatte er beim deutschen Kaiser nicht gemacht. Er war auch selbst etwas verlegen uber dieses unerhorte Zeichen von Dekadenz.

»Also, Alfons, was gibt es Gutes?« fragte Pat und stemmte beide Hande auf den Tisch.

Alfons schmunzelte, blies die Lippen auf und machte die Augen klein. »Sie haben Gluck gehabt! Es gibt heute Krebse!«

Er trat einen Schritt zuruck, um die Wirkung zu beobachten. Sie war erstklassig. »Dazu ein Glas jungen Moselwein«, flusterte er verzuckt und trat noch einen Schritt zuruck. Er erntete sturmischen Beifall, merkwurdigerweise auch von der Tur her. Dort erschien namlich mit wildem gelbem Haar und sonnenverbrannter Nase gerade der grinsende Schadel des letzten Romantikers.

»Gottfried?« schrie Alfons auf,»du? Personlich? Mensch, was fur ein Tag! Komm an meine Brust!«

»Jetzt kannst du was erleben«, sagte ich zu Pat.

Die beiden sturzten sich in die Arme. Alfons klopfte Lenz auf den Rucken, da? es klang, als ware nebenan eine Schmiede. »Hans«, schrie er dann zu dem Kellner hinuber,»bring den Napoleon!«

Er schleppte Gottfried zur Theke. Der Kellner brachte eine gro?e, verstaubte Flasche heran. Alfons schenkte zwei Glaser voll.

»Prost, Gottfried, du verdammter Schweinebraten!«

»Prost, Alfons, alter, guter Zuchthausler!«

Beide tranken die Glaser auf einen Zug leer.

»Erstklassig!« sagte Gottfried. »Ein Kognak fur Madonnen!«

»Eine Schande, ihn so 'runterzusaufen«, bestatigte Alfons.

»Aber wie soll man langsam trinken, wenn man sich freut!

Komm, wir nehmen noch einen!«

Er schenkte ein und hob das Glas. »Verfluchte, treulose Tomate, du!« Lenz lachte. »Mein alter, geliebter Alfons!«

Alfons bekam feuchte Augen. »Noch einen, Gottfried«, sagte er bewegt.

»Immer los!« Lenz hielt ihm sein Glas hin. »Zu dem Kognak sage ich erst nein, wenn ich den Kopf nicht mehr vom Fu?boden hochkriegen kann.«

»Das ist ein Wort!« Alfons schenkte das dritte Glas ein.

Etwas atemlos kam Lenz zuruck an den Tisch. Er zog seine Uhr.

»Zehn Minuten vor acht mit dem Citroen in der Werkstatt angekommen. Was sagt ihr dazu?«

»Ein Rekord«, erwiderte Pat. »Jupp soll leben! Ich werde ihm ebenfalls eine Schachtel Zigaretten stiften.«

»Und du kriegst dafur eine Portion Krebse extra!« erklarte Alfons, der Gottfried auf dem Fu?e gefolgt war. Dann ubergab er uns eine Art von Tischtuchern. »Zieht eure Jacken mal aus und bindet das hier um! Die Dame

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