Pats Wohnung.
»Kommst du mit herauf?« fragte sie.
»Naturlich.«
Ich brachte sie hinauf, dann fuhr ich wieder herunter, um mit dem Chauffeur zusammen die Koffer zu holen. Als ich zuruckkam, stand Pat noch im Vorraum. Sie sprach mit Oberstleutnant von Hake und seiner Frau.
Wir gingen in ihr Zimmer. Es war heller, fruher Abend drau?en. Auf dem Tisch stand eine Glasvase mit bla?roten Rosen. Pat ging ans Fenster und sah hinaus. Dann wandte sie sich um. »Wie lange waren wir eigentlich fort, Robby?«
»Genau achtzehn Tage.«
»Achtzehn Tage. Mir kommt es viel langer vor.«
»Mir auch. Das ist aber immer so, wenn man mal 'rauskommt.«
Sie schuttelte den Kopf. »Das meine ich nicht…«
Sie offnete die Balkontur und trat hinaus. Drau?en lehnte ein zusammengeklappter, wei?er Liegestuhl an der Wand.
Sie schob ihn zu sich heran und sah ihn schweigend an.
Als sie wieder hereinkam, war ihr Gesicht verandert, und ihre Augen waren dunkel.
»Sieh nur die Rosen«, sagte ich. »Sie sind von Koster. Hier liegt seine Karte dabei.«
Sie nahm die Karte auf und legte sie dann wieder auf den Tisch. Sie sah die Rosen an, aber ich sah, da? sie sie kaum bemerkte. Sie war mit ihren Gedanken noch bei dem Liegestuhl. Sie hatte geglaubt, ihm schon entronnen zu sein, und nun wurde er vielleicht doch wieder ein Teil ihres Lebens.
Ich lie? sie ruhig gewahren und sagte nichts mehr. Es hatte keinen Zweck, sie abzulenken. Sie mu?te damit fertig werden, und es war besser, es geschah jetzt, wahrend ich dabei war. Man konnte es mit noch so viel Worten hochstens verschieben, aber einmal kam es dann doch, und vielleicht war es dann noch viel schwerer.
Sie stand eine Weile neben dem Tisch, das Gesicht gesenkt und die Hande aufgestutzt. Dann hob sie den Kopf und blickte mich an. Ich sagte nichts. Sie ging langsam um den Tisch herum und legte mir die Hande auf die Schultern.
»Alter Bursche«, sagte ich.
Sie lehnte sich an mich. Ich hielt sie fest. »Jetzt werden wir die Sache mal angehen, was?«
Sie nickte. Dann strich sie sich das Haar zuruck. »War nur so ein Augenblick, Robby.«
»Naturlich.«
Es klopfte. Das Dienstmadchen kam mit dem Teewagen. »Das ist gut«, sagte Pat.
»Willst du Tee?« fragte ich.
»Nein, Kaffee, guten, starken Kaffee.«
Ich blieb noch eine halbe Stunde. Dann wurde sie mude. Ich sah es an ihren Augen. »Du solltest etwas schlafen«, schlug ich ihr vor.
»Und du?«
»Ich gehe nach Hause und schlafe auch etwas. Dann hole ich dich in zwei Stunden zum Essen ab.«
»Du bist mude?« fragte sie zweifelnd.
»Ja, etwas. Es war hei? im Zuge. Ich mu? nachher auch noch mal in die Werkstatt.«
Sie fragte nichts mehr. Sie war sehr mude und fiel nur so zusammen. Ich brachte sie zu Bett und deckte sie zu. Sie schlief sofort ein. Ich stellte die Rosen neben sie und legte auch die Karte Kosters hinzu, damit sie gleich etwas hatte, um daran zu denken, wenn sie aufwachte. Dann ging ich.
Unterwegs blieb ich vor einem Telefonautomaten stehen. Ich beschlo?, Jaffe gleich jetzt anzurufen. Zu Hause war es schwierig. Da mu?te ich damit rechnen, da? die ganze Pension zuhorte.
Ich nahm den Horer ab und meldete die Nummer der Klinik an. Nach einer Weile kam Jaffe an den Apparat. »Hier ist Lohkamp«, sagte ich und rausperte mich. »Wir sind heute zuruckgekommen. Seit einer Stunde sind wir wieder hier.«
»Sind Sie mit dem Wagen gefahren?« fragte Jaffe. »Nein, mit der Bahn.«
»So, und wie geht es?«
»Gut«, erwiderte ich.
Er uberlegte einen Augenblick. »Ich werde Fraulein Hollmann morgen untersuchen. Morgen vormittag um elf. Wollen Sie ihr das bestellen?«
»Nein«, sagte ich. »Ich mochte nicht, da? sie wei?, da? ich Sie angerufen habe. Sie wird sicher morgen selbst telefonieren. Vielleicht sagen Sie es ihr dann.«
»Gut. Machen wir es so. Ich werde es ihr sagen.«
Ich schob mechanisch das dicke, fettige Telefonbuch beiseite. Es lag auf einem kleinen, holzernen Pult. Daruber waren mit Bleistift Telefonnummern an die Wand gekritzelt. »Darf ich dann morgen nachmittag bei Ihnen vorbeikommen?« fragte ich.
Jaffe antwortete nicht. »Ich mochte gern wissen, wie es mit ihr steht«, sagte ich.
»Das kann ich Ihnen morgen noch nicht sagen«, erwiderte Jaffe. »Ich mu? sie mindestens eine Woche lang beobachten. Aber ich werde Ihnen dann Bescheid geben.«
»Danke.« Ich starrte immer noch auf das Pult vor mir. Jemand hatte da etwas gezeichnet. Ein dickes Madchen mit einem gro?en Strohhut. Ella, du Ziege! stand darunter. »Mu? sie inzwischen noch etwas Besonderes tun?« fragte ich.
»Das werde ich morgen sehen. Aber ich glaube, sie ist mit der Pflege ganz gut aufgehoben in ihrer Wohnung.«
»Ich wei? nicht. Ich habe gehort, da? die Leute nachste Woche verreisen. Dann ist sie allein, nur mit dem Dienstmadchen.«
»So? Gut, dann werde ich morgen mit ihr auch daruber sprechen.«
Ich schob das Telefonbuch wieder uber die Zeichnung.
»Glauben Sie, da? sie – da? sich so ein Anfall wiederholen kann?«
Jaffe zogerte eine Sekunde. »Moglich ist es naturlich«, sagte er dann,»aber es ist nicht wahrscheinlich. Ich werde Ihnen das erst sagen konnen, wenn ich sie genau untersucht habe. Ich rufe Sie dann an.«
»Ja, danke.«
Ich hangte den Horer an. Drau?en stand ich noch eine Weile auf der Stra?e herum. Es war staubig und schwul. Dann ging ich nach Hause.
An der Tur stie? ich auf Frau Zalewski. Sie kam wie eine Kanonenkugel aus dem Zimmer von Frau Bender geschossen. Als sie mich sah, stoppte sie. »Was, schon zuruck?«
»Wie Sie sehen. Ist inzwischen was gewesen?«
»Fur Sie nichts. Post auch nicht. Aber Frau Bender ist ausgezogen.«
»So? Warum denn?«
Frau Zalewski stemmte die Arme in die Seiten. »Weil es uberall Lumpen gibt. Ins Christliche Hospiz ist sie gezogen. Mit ihrer Katze und ganzen sechsundzwanzig Mark Vermogen.«
Sie erzahlte, da? das Kinderheim, in dem Frau Bender Sauglingsschwester gewesen war, inzwischen verkracht sei. Der Leiter, ein Pastor, hatte unglucklich an der Borse spekuliert. Frau Bender war entlassen worden und hatte dabei noch ihr ruckstandiges Gehalt fur zwei Monate eingebu?t.
»Hat sie schon was Neues gefunden?« fragte ich gedankenlos.
Frau Zalewski sah mich nur an.
»Na ja, naturlich nicht«, sagte ich.
»Ich habe ihr gesagt, sie konne ruhig wohnen bleiben. Mit dem Bezahlen eile es nicht. Aber sie wollte nicht.«»Arme Leute sind meistens ehrlich«, sagte ich. »Wer zieht denn da jetzt ein?«»Hasses. Es ist billiger als das Zimmer, das Hasses bis jetzt hatten.«»Und das von Hasses?« Sie zuckte die Achseln. »Mal sehen. Viel Hoffnung habe ich nicht, da? jemand kommt.«»Wann wird es denn frei?«»Morgen. Hasses sind schon am Umziehen.«»Was soll das Zimmer eigentlich kosten?« fragte ich. Mir war plotzlich eine Idee gekommen. »Siebzig Mark.«»Viel zu teuer«, sagte ich, jetzt ganz wach. »Mit Morgenkaffee, zwei Brotchen und reichlich Butter?«»Erst recht. Den Morgenkaffee Fridas mussen Sie abziehen. Funfzig, nicht einen Pfennig mehr.«»Wollen Sie es etwa mieten?« fragte Frau Zalewski. »Vielleicht.« Ich ging in meine Bude und betrachtete nachdenklich die Verbindungstur zu dem Hasseschen Zimmer. Pat in der Zalewskischen Pension! Nein, das war nicht gut auszudenken! Aber trotzdem ging