sehr weiter Wagen, der mit hohen Touren in die Kurve ging. Ich stand stocksteif, ich hielt den Atem an, um besser horen zu konnen: Wieder – wieder – das leise, hohe Summen, wie eine zornige Wespe. Und jetzt starker, ich unterschied den Ton des Kompressors deutlich: Da sturzte der bis zum Zerrei?en gespannte Horizont zusammen in eine weiche Unendlichkeit, er begrub die Nacht unter sich, die Angst, das Grauen – ich sprang zuruck, ich hielt mich an der Tur, ich sagte:»Sie kommen! Doktor, Pat, sie kommen. Ich hore sie schon!«
Der Arzt hatte mich schon den ganzen Abend fur ziemlich verruckt gehalten. Er stand auf und horchte ebenfalls. »Es wird ein anderer Wagen sein«, sagte er schlie?lich.
»Nein, ich kenne den Motor.«
Er sah mich gereizt an. Er schien sich fur einen Autofachmann zu halten. Er war geduldig und vorsichtig wie eine Mutter mit Pat; aber sowie ich von Autos redete, funkelte er mich durch seine Brille an und wu?te es besser. »Unmoglich«, sagte er kurz und ging wieder hinein.
Ich blieb drau?en. Ich zitterte vor Erregung. »Karl! Karl!« sagte ich. Jetzt wechselten gedampfte und heulende Schlage – der Wagen mu?te im Dorf sein, er fuhr in irrsinnigem Tempo zwischen den Hausern durch. Jetzt wurde das Heulen schwacher; er war hinter dem Wald – und jetzt schwoll es an, rasend, jubelnd, ein heller Strich wischte durch den Nebel, die Scheinwerfer, ein Donnern, der Arzt stand fassungslos neben mir, jah blendete uns das voll heranschie?ende Licht, und mit knirschendem Ruck hielt der Wagen vor der Gartentur. Ich rannte hin. Der Professor stieg gerade aus. Er beachtete mich nicht, sondern ging auf den Arzt zu. Hinter ihm kam Koster. »Wie geht es ihr?« sagte er.
»Sie blutet noch.«»Kommt vor«, sagte er,»brauchst dich noch nicht zu angstigen.« Ich schwieg und sah ihn an. »Hast du eine Zigarette?« fragte er. Ich gab sie ihm. »Gut, da? du gekommen bist, Otto.«
Er rauchte mit tiefen Zugen. »Dachte, es ware besser so.«
»Du bist sehr schnell gefahren.«
»Es ging. Hatte blo? ein Stuck Nebel.«
Wir sa?en auf der Bank nebeneinander und warteten. »Denkst du, da? sie durchkommt?« fragte ich.
»Naturlich. Eine Blutung ist nicht gefahrlich.«
»Sie hat mir nie etwas davon gesagt.«
Koster nickte. »Sie mu? durchkommen, Otto«, sagte ich.
Er sah nicht auf. »Gib mir noch eine Zigarette«, sagte er,»ich habe vergessen, meine einzustecken.«
»Sie mu? durchkommen«, sagte ich,»sonst ist alles Schei?e.«
Der Professor kam heraus. Ich stand auf. »Verdammt will ich sein, wenn ich noch einmal mit Ihnen fahre«, sagte er zu Koster.
»Entschuldigen Sie«, sagte Koster,»es ist die Frau meines Freundes.«
»So«, sagte Jaffe und sah mich an.
»Kommt sie durch?« fragte ich.
Er betrachtete mich aufmerksam. Ich blickte zur Seite. »Glauben Sie, da? ich so lange hier bei Ihnen stunde, wenn sie nicht durchkame?« sagte er.
Ich bi? die Zahne zusammen. Ich pre?te die Fauste ineinander. Ich weinte. »Entschuldigen Sie«, sagte ich,»es geht etwas zu schnell.«
»So was kann gar nicht schnell genug gehen«, sagte Jaffe und lachelte.
»Nimm's nicht ubel, Otto«, sagte ich,»da? ich flenne.«
Er drehte mich bei den Schultern um und stie? mich zur Tur hin.
»Geh mal da 'rein. Wenn der Professor es erlaubt.«
»Bin schon fertig«, sagte ich,»kann ich 'rein?«
»Ja, aber nicht sprechen«, antwortete Jaffe,»und nur einen Augenblick. Sie darf sich nicht aufregen.«
Ich sah nichts als einen schwimmenden Lichtschein im Wasser.
Ich blinzelte. Das Licht schwankte, glitzerte. Ich wagte nicht, mir die Augen zu wischen, damit Pat nicht meinte, ich weinte, weil es so schlecht stunde. Ich versuchte nur ein Lachen in das Zimmer hinein.
Dann drehte ich mich rasch wieder um.
»War es richtig, da? Sie kamen?« fragte Koster.
»Ja«, sagte Jaffe,»es war besser.«
»Ich kann Sie morgen fruh wieder mit zurucknehmen.«
»Lieber nicht«, sagte Jaffe.
»Ich werde vernunftig fahren.«
»Ich will noch einen Tag bleiben und die Sache beobachten. Ist Ihr Bett frei?« fragte er mich. Ich nickte.
»Gut, dann schlafe ich hier. Konnen Sie im Dorf unterkommen?«
»Ja. Soll ich Ihnen eine Zahnburste und einen Pyjama besorgen?«
»Nicht notig. Habe alles bei mir. Bin immer auf so was vorbereitet. Wenn auch nicht gerade auf Rennen.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Koster,»ich kann mir gut denken, da? Sie argerlich sind.«
»Bin ich nicht«, sagte Jaffe.
»Dann tut's mir leid, da? ich Ihnen nicht gleich die Wahrheit gesagt habe.«
Jaffe lachte. »Sie haben eine schlechte Meinung von Arzten. Und nun gehen Sie ruhig. Ich bleibe hier.«
Ich holte rasch ein paar Sachen fur Koster und mich. Wir gingen ins Dorf. »Bist du mude?« fragte ich.
»Nein«, sagte er,»wir wollen uns noch irgendwo hinsetzen.«
Nach einer Stunde wurde ich unruhig. »Wenn er dableibt, ist es doch sicher gefahrlich, Otto«, sagte ich. »Weshalb sollte er es sonst tun…«
»Ich glaube, er bleibt aus Vorsicht da«, antwortete Koster. »Er mag Pat sehr gern. Er hat es mir erzahlt, als wir hier einfuhren. Er hat schon ihre Mutter behandelt…«
»Hat die denn auch…«
»Ich wei? nicht«, sagte Koster rasch,»kann auch was anderes gewesen sein. Wollen wir schlafen gehen?«
»Geh ruhig, Otto. Ich mochte doch noch mal – nur so von weitem…«
»Schon. Ich geh' mit.«
»Ich will dir was sagen, Otto. Ich schlafe sehr gern drau?en bei dem warmen Wetter. La? dich nicht storen. Hab's letzthin schon ofter gemacht.«
»Es ist ja na?.«
»Das macht nichts. Ich mach' Karls Verdeck hoch und setze mich da ein bi?chen 'rein.«
»Gut. Ich schlafe auch gern mal drau?en.«
Ich merkte, da? ich ihn nicht loswurde. Wir packten ein paar Decken und Kissen zusammen und gingen zuruck zu Karl. Wir machten die Gurtbander los und druckten die Vordersitze nach hinten. So konnte man ganz gut liegen. »Besser als manchmal im Felde«, sagte Koster. Der helle Fleck des Fensters schien durch die diesige Luft. Ein paarmal sah ich den Schatten Jaffes davor. Wir rauchten eine Schachtel Zigaretten leer. Dann wurde das Licht abgeschaltet, und es brannte nur noch die kleine Nachttischlampe.
»Gott sei Dank«, sagte ich.
Es rieselte auf das Verdeck. Ein schwacher Wind wehte. Es wurde kuhl. »Kannst meine Decke auch noch haben, Otto«, sagte ich.
»Nein, la? nur, bin warm genug.«
»Tadelloser Kerl, der Jaffe, was?«
»Tadellos. Sehr tuchtig, glaub' ich.«
»Bestimmt.«
Ich fuhr aus einem unruhigen Halbschlaf empor. Es war grau und kuhl drau?en. Koster war schon wach. »Hast du nicht geschlafen, Otto?«
»Doch.«
Ich kletterte aus dem Wagen und schlich uber den Gartenweg zum Fenster. Die kleine Nachttischlampe brannte noch immer. Ich sah Pat mit geschlossenen Augen im Bett liegen. Einen Moment furchtete ich, da? sie tot sein konnte. Aber dann bemerkte ich, wie ihre rechte Hand sich bewegte. Sie war sehr bla?. Aber sie blutete nicht mehr. Jetzt machte sie wieder eine Bewegung. Im selben Moment offnete Jaffe, der auf dem zweiten Bett schlief, die Augen. Ich trat rasch zuruck. Ich war beruhigt; er pa?te auf.
»Ich denke, wir verschwinden hier«, sagte ich zu Koster,»damit er nicht sieht, da? wir ihn kontrolliert haben.«