erlaubt es doch, oder nicht?«
»Ich halte es sogar fur notwendig«, sagte Pat.
Alfons nickte erfreut. »Sie sind eine vernunftige Frau, das wu?te ich. Krebse mu? man gemutlich essen. Ohne Angst vor Flecken.« Er schmunzelte. »Sie selbst bekommen naturlich etwas Eleganteres.«
Der Kellner Hans brachte einen schneewei?en Kuchenkittel. Alfons entfaltete ihn und half ihr hinein. »Steht Ihnen gut«, lobte er.
»Heftig, heftig!« erwiderte sie und lachte.
»Freut mich, da? Sie sich das gemerkt haben«, sagte Alfons wohlwollend. »Warmt einem das Herz.«
»Alfons!« Gottfried knotete sich sein Tischtuch im Nacken zu, da? die Zipfel weit abstanden. »Vorlaufig macht das hier nur den Eindruck eines Rasiersalons.«
»Wird gleich anders. Aber erst etwas Kunst.«
Alfons ging zum Grammophon. Gleich darauf donnerte der Pilgerchor aus dem »Tannhauser« los. Wir lauschten schweigend.
Kaum war der letzte Ton verklungen, da offnete sich die Kuchentur, und der Kellner Hans erschien mit einer Schussel, so gro? wie eine Kinderbadewanne. Sie dampfte und war voller Krebse. Er stellte sie keuchend auf den Tisch. »Bring mir auch eine Serviette«, sagte Alfons.
»Du willst mit uns essen, Goldjunge?« rief Lenz. »Welche Auszeichnung!«
»Wenn die Dame nichts dagegen hat?«
»Im Gegenteil, Alfons!«
Pat ruckte ihren Stuhl beiseite, und er nahm neben ihr Platz.
»Ganz gut, wenn ich neben Ihnen sitze«, sagte er etwas verlegen. »Ich bin namlich ziemlich flott im Zurechtmachen. Fur eine Dame ist das ein bi?chen langweilig.«
Er griff in die Schussel und begann mit unheimlicher Geschwindigkeit fur sie einen Krebs zu zerlegen. Er machte das mit seinen riesigen Handen so geschickt und elegant, da? sie nichts anderes zu tun hatte, als die ihr appetitlich mit der Gabel dargebotenen Bissen zu essen.
»Schmeckt's?« fragte er.
»Prachtvoll!« Sie hob ihr Glas. »Auf Ihr Wohl, Alfons.«
Alfons stie? feierlich mit ihr an und trank sein Glas langsam aus. Ich sah sie an. Es ware mir lieber gewesen, sie hatte irgend etwas ohne Alkohol getrunken. Sie spurte meinen Blick.
»Salute, Robby«, sagte sie.
Sie war wunderschon, ganz leuchtend und froh. »Salute, Pat«, sagte ich und trank mein Glas aus.
»Ist es nicht herrlich hier?« fragte sie und sah mich immer noch an.
»Wunderbar!« Ich schenkte mir von neuem ein. »Prost, Pat!«
Ein Schein ging uber ihr Gesicht. »Prost, Robby! Prost, Gottfried!« Wir tranken. »Guter Wein«, sagte Lenz.
»Graacher Abtsberg vom letzten Jahr«, erklarte Alfons. »Freut mich, da? du ihn verstehst!«
Er holte einen zweiten Krebs aus der Schussel und hielt Pat die Schere geoffnet hin.
Sie wehrte ab. »Den mussen Sie selbst essen, Alfons. Sie bekommen ja sonst nichts.«
»Spater. Ich bin dafur ja viel schneller als die andern.«
»Also gut.« Sie nahm die Schere. Alfons strahlte vor Vergnugen und versorgte sie weiter. Es sah aus, als wenn ein alter gro?er Uhu einen kleinen wei?en Nestvogel futterte.
Wir tranken zum Schlu? alle noch einen Napoleon und verabschiedeten uns dann von Alfons. Pat war glucklich. »Es war herrlich!« sagte sie. »Ich danke Ihnen auch vielmals, Alfons. Es war wirklich herrlich!« Sie gab ihm die Hand. Alfons murmelte etwas und ku?te ihr die Hand. Lenz fielen vor Erstaunen daruber fast die Augen aus dem Kopf. »Kommt bald wieder«, sagte Alfons. »Du auch, Gottfried!«
Drau?en stand klein und verlassen unter der Laterne der Citroen.
»Oh«, sagte Pat und blieb stehen. Es zuckte uber ihr Gesicht.
»Ich habe ihn nach seiner Leistung heute Herkules getauft!« Gottfried offnete den Schlag. »Soll ich euch nach Hause fahren?«
»Nein«, sagte Pat.
»Das habe ich mir gedacht. Wo wollen wir denn hin?«
»In die Bar. Oder nicht, Robby?« Sie wandte sich nach mir um.
»Naturlich«, sagte ich,»naturlich gehen wir noch in die Bar.«
Wir fuhren sehr langsam durch die Stra?en. Es war warm und klar. Vor den Cafes sa?en die Leute. Musik wehte heruber. Pat sa? neben mir. Ich begriff plotzlich nicht, da? sie wirklich krank sein sollte, es wurde mir ganz hei? dabei, aber ich konnte es einen Augenblick lang nicht begreifen.
In der Bar trafen wir Ferdinand und Valentin. Ferdinand war glanzender Laune. Er stand auf und ging Pat entgegen.
»Diana«, sagte er,»heimgekehrt aus den Waldern…«
Sie lachelte. Er legte ihr den Arm um die Schultern. »Braune kuhne Jagerin mit dem silbernen Bogen – was wollen wir trinken?«
Gottfried schob Ferdinands Arm beiseite. »Pathetiker kennen keinen Takt«, sagte er. »Die Dame ist in Begleitung von zwei Herren, das hast du wohl noch nicht bemerkt, du braver Auerochse!«
»Romantiker sind nur ein Gefolge – nie eine Begleitung«, erklarte Grau unerschuttert.
Lenz grinste und wandte sich an Pat. »Ich werde Ihnen jetzt einmal etwas Besonderes mischen. Einen Kolibri-Cocktail. Eine Spezialitat aus Brasilien.«
Er ging zur Bartheke, mischte allerlei Sachen und brachte den Cocktail dann heran.
»Wie schmeckt er?« fragte er.
»Etwas dunn, trotz Brasilien«, erwiderte Pat.
Gottfried lachte. »Dabei ist er sehr kraftig. Mit Rum und Wodka gemacht.«
Ich sah mit einem Blick, da? weder Rum noch Wodka darin war – es war Fruchtsaft, Zitrone, Tomatenmark und vielleicht noch ein Tropfen Angostura. Ein alkoholfreier Cocktail. Aber Pat merkte es gottlob nicht.
Sie bekam drei gro?e Kolibris, und ich sah, wie wohl sie sich fuhlte, weil sie nicht als Kranke behandelt wurde. Nach einer Stunde brachen wir alle auf, nur Valentin blieb sitzen.
Lenz hatte das so gemacht. Er verfrachtete Ferdinand in den Citroen und dampfte ab. Es sah so nicht so aus, als wenn Pat und ich fruher gingen. Es war alles sehr ruhrend, aber mir wurde doch einen Augenblick hundeelend dabei.
Pat nahm meinen Arm. Sie ging mit ihren schonen geschmeidigen Schritten neben mir her, ich spurte die Warme ihrer Hand, ich sah den Schimmer der Laternenlichter uber ihr belebtes Gesicht gleiten – nein, ich konnte es nicht begreifen, da? sie krank war, ich konnte es nur tagsuber begreifen, aber abends nicht, wenn das Leben zartlicher und warmer und verhei?ungsvoller war…
»Wollen wir noch ein bi?chen zu mir gehen?« fragte ich.
Sie nickte.
Der Korridor unserer Pension war hell erleuchtet. »Verdammt noch mal«, sagte ich,»was ist denn da los? Warte mal einen Moment.«
Ich schlo? auf und sah nach. Der Korridor lag kahl erleuchtet da wie eine schmale Vorstadtstra?e. Die Tur des Zimmers von Frau Bender stand weit offen, und auch da brannte Licht. Wie eine schwarze kleine Ameise tappte Hasse den Flur hinunter, gebuckt unter einer Stehlampe mit rosa Seidenschirm. Er zog um.
»Guten Abend«, sagte ich. »So spat noch?«
Er hob sein blasses Gesicht mit dem sanften, dunklen Schnurrbart empor. »Ich bin erst vor einer Stunde aus dem Buro gekommen. Und ich habe ja nur abends Zeit fur das Umraumen.«
»Ist Ihre Frau denn nicht da?«
Er schuttelte den Kopf. »Sie ist bei einer Freundin. Gott sei Dank, sie hat jetzt eine Freundin, mit der sie viel zusammen ist.«
Er lachelte arglos und zufrieden und tappte weiter.
Ich holte Pat herein.
»Ich glaube, wir machen lieber kein Licht, was?« fragte ich in meinem Zimmer.
»Doch, Liebling. Einmal ganz kurz, dann kannst du es wieder ausmachen.«
»Du bist ein unersattlicher Mensch«, sagte ich, tauchte kurz die rote Pluschherrlichkeit in grelles Licht und machte es schleunigst wieder aus.