»Komisch, so ein Sonntag, Otto, was?«

Koster nickte.

»Man ist eigentlich ganz froh, wenn er 'rum ist.«

Koster zuckte die Achseln. »Vielleicht ist man den Trott so gewohnt, da? einen das bi?chen Freiheit schon stort.«

Ich schlug meinen Kragen hoch. »Spricht eigentlich etwas gegen unser Leben, Otto?«

Er sah mich an und lachelte. »Hat schon ganz was anderes dagegen gesprochen, Robby.«

»Stimmt«, gab ich zu. »Immerhin…«

Das scharfe Licht der Pre?luftbohrer spritzte grun uber den Asphalt.

Das von innen erleuchtete Zelt der Arbeiter sah wie eine warme kleine Heimat aus.

»Glaubst du, da? der Cadillac Dienstag schon fertig ist?« fragte ich.

»Vielleicht«, sagte Koster. »Warum?«

»Ach, nur so -«

Wir standen auf und gingen nach Hause. »Bin ein bi?chen verdreht heute, Otto«, sagte ich. »Ist jeder mal. Schlaf gut, Robby.«»Du auch, Otto.« In meinem Zimmer sa? ich noch eine Weile auf. Die Bude gefiel mir auf einmal gar nicht mehr. Der Kronleuchter war scheu?lich, das Licht viel zu grell, die Sessel waren verschlissen, das Linoleum trostlos nuchtern, der Waschtisch, das Bett mit dem Gemalde von der Schlacht bei Waterloo daruber – kann man eigentlich keinen anstandigen Menschen 'reinfuhren, dachte ich. Eine Frau schon gar nicht. Hochstens eine Hure aus dem International.

III

Am Dienstag vormittag sa?en wir vor unserer Werkstatt im Hof und fruhstuckten, Der Cadillac war fertig. Lenz hielt ein Blatt Papier in der Hand und schaute uns triumphierend an. Er war unser Reklamechef und hatte Koster und mir gerade ein Inserat vorgelesen, das er fur den Verkauf des Wagens verfa?t hatte. Es begann mit den Worten:»Urlaub an sudlichen Gestaden im Luxusgefahrt« und war ein Mittelding zwischen einem Gedicht und einer Hymne.

Koster und ich schwiegen eine Weile. Wir mu?ten uns von dieser Sturzflut an blumiger Phantasie erst erholen. Lenz hielt uns fur uberwaltigt. »Das Ding hat Poesie und Schmi?, was?« fragte er stolz. »Im Zeitalter der Sachlichkeit mu? man romantisch sein, das ist der Trick. Gegensatze ziehen an.«

»Nicht, wenn es sich um Geld handelt«, erwiderte ich.

»Automobile kauft man nicht, um Geld anzulegen, Knabe«, erklarte Gottfried abweisend. »Man kauft sie, um Geld auszugeben; und da beginnt bereits die Romantik, wenigstens fur den Geschaftsmann. Fur die meisten Leute hort sie sogar damit auf. Was meinst du, Otto?«

»Wei?t du…«, begann Koster vorsichtig.

»Wozu lange reden«, unterbrach ich ihn. »Das ist ein Inserat fur einen Kurort oder eine Schonheitscreme, aber nicht fur ein Automobil.«

Lenz offnete den Mund.

»Augenblick«, fuhr ich fort. »Uns haltst du ja doch fur befangen, Gottfried. Ich mache dir deshalb einen Vorschlag: Fragen wir mal Jupp. Das ist die Stimme des Volkes!«

Jupp war unser einziger Angestellter, ein Junge von funfzehn Jahren, der eine Art Lehrlingsstelle bei uns hatte. Er bediente die Benzinpumpe, besorgte das Fruhstuck und raumte abends auf. Er war klein, ubersat mit Sommersprossen und hatte die gro?ten abstehenden Ohren, die ich kannte. Koster erklarte, wenn Jupp aus einem Flugzeug fiele, konnte ihm nichts geschehen. Er kame durch die Ohren in sanftem Gleitflug zur Erde.

Wir holten ihn heran. Lenz las ihm das Inserat vor. »Wurdest du dich fur so 'nen Wagen interessieren, Jupp?« fragte Koster.

»Einen Wagen?« fragte Jupp zuruck.

Ich lachte. »Naturlich einen Wagen«, knurrte Gottfried. »Meinst du ein Heupferd?«

»Hat er Schnellgang, von oben gesteuerte Nockenwelle und hydraulische Bremsen?« erkundigte Jupp sich ungeruhrt.

»Schafskopf, es ist doch unser Cadillac«, fauchte Lenz.

»Nicht moglich«, erwiderte Jupp und grinste von einem Ohr zum andern.

»Da hast du's, Gottfried!« sagte Koster. »Das ist die Romantik von heute.«

»Scher dich wieder an deine Pumpe, Jupp, verfluchter Sohn des zwanzigsten Jahrhunderts!«

Lenz verschwand mi?mutig in der Bude, um dem Inserat bei aller Wahrung seines poetischen Schwunges doch etwas mehr technischen Halt zu geben.

Ein paar Minuten spater erschien Oberinspektor Barsig plotzlich in der Hoftur. Wir empfingen ihn mit gro?en Ehren. Er war Ingenieur und Sachverstandiger der Phonix-Autoversicherung, ein wichtiger Mann, um Reparaturen zugewiesen zu bekommen. Wir standen glanzend mit ihm. Als Ingenieur war er zwar ein scharfer Satan, der nichts durchgehen lie?, aber als Schmetterlingsfachmann war er weich wie Butter. Er hatte eine gro?e Sammlung, und wir hatten ihm einmal einen dicken Schwarmer geschenkt, der nachts in unsere Werkstatt geflogen war. Barsig war bla? und feierlich geworden, als wir ihm das Tier uberreichten. Es war ein Totenkopf, eine unerhorte Seltenheit, die ihm in seiner Sammlung noch gefehlt hatte. Er verga? uns das nie und besorgte uns seitdem Reparaturen, wo es ging. Wir fingen ihm dafur jede Motte, die wir erwischen konnten.

»Einen Wermut, Herr Barsig?« fragte Lenz, der schon wieder obenauf war.

»Keinen Alkohol vor abends«, erwiderte Barsig. »Eisernes Prinzip bei mir.«

»Prinzipien mu? man durchbrechen, sonst machen sie keine Freude«, erklarte Gottfried und schenkte ein. »Auf die Zukunft der Ligusterschwarmer, der Pfauenaugen und Perlmutterfalter!«

Barsig zogerte einen Moment. »Wenn Sie mir so kommen, kann ich nicht nein sagen«, sagte er und griff zu. »Aber dann wollen wir auch auf die kleinen Ochsenaugen ansto?en.« Er lachelte verlegen, als gabe er etwas Zweideutiges von einer Frau zum besten. »Ich habe da namlich eine neue Spielart entdeckt. Mit borstigen Fuhlern.«

»Donnerwetter«, sagte Lenz,»alle Achtung! Dann sind Sie ja ein Pionier, und Ihr Name kommt in die Naturgeschichte.«

Wir tranken alle noch ein Glas auf die borstigen Fuhler.

Barsig wischte sich den Schnurrbart. »Ich bringe Ihnen eine gute Nachricht. Sie konnen den Ford abholen. Die Direktion hat bewilligt, da? Sie die Reparatur machen.«

»Gro?artig«, sagte Koster. »Wir konnen sie gut brauchen. Und wie steht es mit unserm Kostenanschlag?«

»Auch bewilligt.«

»Ohne Abzug?«

Barsig kniff ein Auge zu. »Die Herren wollten erst nicht recht. Aber schlie?lich…«

»Ein volles Glas auf die Phonixversicherung!« sagte Lenz und schenkte erneut ein.

Barsig stand auf und verabschiedete sich. »Denken Sie an«, sagte er im Gehen,»die Frau, die mit in dem Ford war, ist vor ein paar Tagen doch noch gestorben. Hatte nur Schnittwunden. Wahrscheinlich zuviel Blut verloren.«

»Wie alt war sie denn?« fragte Koster.

»Vierunddrei?ig«, erwiderte Barsig. »Schwanger im vierten Monat. Mit zwanzigtausend Mark versichert.«

Wir fuhren gleich los, um den Wagen zu holen. Er stand bei einem Backermeister. Der Mann war nachts halb betrunken damit gegen eine Mauer gerast. Nur seine Frau war verletzt worden; er selbst hatte nicht einen Kratzer abbekommen.

Wir trafen ihn in der Garage, als wir den Wagen zum Abschleppen fertigmachten. Er sah uns eine Zeitlang schweigend zu und stand etwas zusammengesackt da, mit rundem Rucken und kurzem Hals, den Kopf ein wenig vorgebeugt. Mit der ungesunden grauwei?en Gesichtsfarbe, die alle Backer haben, sah er im Halbdunkel aus wie ein gro?er trauriger Mehlwurm. Langsam kann er heran. »Wann ist der Wagen fertig?« fragte er.

»In ungefahr drei Wochen«, erklarte Koster.

Er zeigte auf das Verdeck. »Das ist mit drin, nicht wahr?«

»Wieso?« fragte Otto. »Es ist doch ganz unbeschadigt.«

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