»Es war abgemacht, da? bei der Einweihung gezahlt werden soll«, sagt Georg.

Dobbeling hebt gleichmutig die Schultern.»Das ist ja fast dasselbe – nachste Woche. Wenn Sie uberall so prompt Ihr Geld kriegten -«

»Wir kriegen es, sonst liefern wir nicht.«

»Na, dieses Mal haben Sie geliefert. Prost!«

Wir verweigern den Schnaps nicht. Dobbeling blinzelt dem ihn bewundernden Schreiber zu.»Guter Schnaps«, sage ich.

»Noch einen?«fragt der Schreiber.

»Warum nicht?«

Der Schreiber schenkt ein. Wir trinken.»Also – gut«, sagt Dobbeling.»Dann nachste Woche.«

»Also«, sagt Georg.»Heute! Wo ist das Geld?«

Dobbeling ist beleidigt. Wir haben Schnaps und Zigarren angenommen, und nun revoltieren wir. Das ist gegen die Ordnung.»Nachste Woche«, sagte er.»Noch ’nen Schnaps zum Abschied?«

»Warum nicht?«

Dobbeling und der Schreiber werden lebendig. Sie glauben gesiegt zu haben. Ich blicke aus dem Fenster. Drau?en liegt, wie ein gerahmtes Bild, die Landschaft des spaten Nachmittags – das Hoftor, eine Eiche, und dahinter dehnen sich, unendlich friedlich, Felder in hellem Chromgelb und lichtem Grun. Was zanken wir uns hier herum? denke ich. Ist das dort nicht das Leben, golden und grun und still im steigenden und fallenden Atem der Jahreszeiten? Was haben wir daraus gemacht?

»Es wurde mir leid tun«, hore ich Georg sagen.»Aber wir mussen darauf bestehen. Sie wissen, da? nachste Woche das Geld viel weniger wert ist. Wir haben ohnehin schon an dem Auftrag verloren. Er hat drei Wochen langer gedauert, als wir erwartet haben.«

Der Vorsteher sieht ihn listig an.»Nun, da macht eine Woche mehr doch nichts aus.«

Der kleine Schreiber meckert plotzlich.»Was wollen Sie denn machen, wenn Sie das Geld nicht bekommen? Sie konnen das Denkmal doch nicht wieder mitnehmen!«

»Warum nicht?«erwidere ich.»Wir sind vier Leute, und einer von uns ist der Bildhauer. Wir konnen mit Leichtigkeit die Adler mitnehmen und sogar den Lowen, wenn es sein mu?. Unsere Arbeiter konnen in zwei Stunden hier sein.«

Der Schreiber lachelt.»Glauben Sie, da? Sie damit durchkamen, ein Denkmal, das eingeweiht ist, wieder abzumontieren? Wustringen hat einige tausend Einwohner.«

»Und Major Wolkenstein und den Kriegerverein«, fugt der Vorsteher hinzu.»Begeisterte Patrioten.«

»Sollten Sie es versuchen, wurde es au?erdem schwer fur Sie sein, hier jemals wieder einen Grabstein zu verkaufen.«

Der Schreiber grinst jetzt offen.

»Noch einen Schnaps?«fragt Dobbeling und grinst ebenfalls. Sie haben uns in der Falle. Wir konnen nichts machen.

In diesem Augenblick kommt jemand rasch uber den Hof gelaufen.»Herr Vorsteher!«schreit er durchs Fenster.»Sie mussen rasch kommen. Es ist was passiert!«

»Was?«

»Beste! Sie haben den Tischler – sie wollten seine Fahne herunterholen, und da ist es passiert!«

»Was? Hat Beste geschossen? Dieser verdammte Sozialist!«

»Nein! Beste ist – er blutet -«

»Sonst keiner?«

»Nein, nur Beste -«

Das Gesicht Dobbelings wird heiter.»Ach so! Deshalb brauchen Sie doch nicht so zu schreien!«

»Er kann nicht aufstehen. Blutet aus dem Mund.«

»Hat ein paar in seine freche Schnauze gekriegt«, erklart der kleine Schreiber.»Wozu mu? er die andern auch herausfordern? Wir kommen schon. Alles mit der Ruhe.«

»Sie entschuldigen wohl«, sagt Dobbeling wurdig zu uns.»Aber dies ist amtlich. Ich mu? die Sache untersuchen. Wir mussen Ihre Angelegenheit verschieben.«

Er glaubt, uns jetzt vollig erledigt zu haben und zieht seinen Rock an. Wir gehen mit ihm hinaus. Er hat keine gro?e Eile. Wir wissen warum. Niemand wird sich mehr erinnern, wenn er ankommt, wer Beste verprugelt hat. Eine alte Sache.

Beste liegt im engen Flur seines Hauses. Die Fahne der Republik liegt zerrissen neben ihm. Vor dem Hause steht eine Anzahl Leute. Von der eisernen Garde sind keine dabei.»Was ist passiert?«fragt Dobbeling den Gendarmen, der mit einem Notizbuch neben der Tur steht.

Der Gendarm will berichten.»Waren Sie dabei?«fragt er.

»Nein. Ich wurde spater geholt.«

»Gut. Dann wissen Sie also nichts. Wer war dabei?«

Niemand antwortet.»Wollen Sie nicht einen Arzt holen lassen?«fragt Georg.

Dobbeling sieht ihn unfreundlich an.»Ist das notig? Etwas Wasser -«

»Es ist notig. Der Mann stirbt.«

Dobbeling dreht sich eilig herum und beugt sich uber Beste.»Stirbt?«

»Stirbt. Er hat einen schweren Blutsturz. Vielleicht hat er auch Bruche. Es sieht aus, als ware er die Treppe hinuntergeworfen worden.«

Dobbeling sieht Georg Kroll mit einem langsamen Blick an.»Das durfte einstweilen wohl nur Ihre Vermutung sein, Herr Kroll, und weiter nichts. Wir wollen dem Kreisarzt uberlassen, das festzustellen.«

»Kommt kein Arzt fur den Mann hier?«

»Lassen Sie das meine Sorge sein. Einstweilen bin ich der Ortsvorsteher und nicht Sie. Holt Doktor Bredius«, sagt Dobbeling zu zwei Burschen mit Fahrradern.»Sagt, ein Ungluck sei passiert.«

Wir warten. Bredius kommt auf einem der Fahrrader der beiden Burschen. Er springt herunter und geht in den Flur.»Der Mann ist tot«, sagt er, als er wieder aufsteht.

»Tot?«

»Ja, tot. Das ist doch Beste, nicht wahr? Der mit dem Lungenschu?.«

Der Vorsteher nickt unbehaglich.»Es ist Beste. Von einem Lungenschu? wei? ich nichts. Aber vielleicht hat der Schreck – er hatte wohl ein schwaches Herz -«

»Davon bekommt man keinen Blutsturz«, erklart Bredius trocken.»Was ist denn passiert?«

»Das nehmen wir gerade auf. Bitte nur die Leute hierzubleiben, die als Zeugen aussagen konnen.«Er sieht Georg und mich an.

»Wir kommen spater wieder«, sage ich.

Mit uns gehen fast alle Leute fort, die herumstehen. Es wird wenige Zeugen geben.

Wir sitzen im Niedersachsischen Hof. Georg ist so wutend, wie ich ihn lange Zeit nicht gesehen habe. Ein junger Arbeiter erscheint. Er setzt sich zu uns.»Waren Sie dabei?«fragt Georg.

»Ich war dabei, als Wolkenstein die andern aufhetzte, die Fahne herunterzuholen. Den Schmach?eck zu beseitigen, nannte er das.«

»Ging Wolkenstein mit?«

»Nein.«

»Naturlich nicht. Und die andern?«

»Ein ganzer Haufen sturmte zu Beste hinuber. Sie hatten alle getrunken.«

»Und dann?«

»Ich glaube, Beste hat sich gewehrt. Sie wollten ihn wohl nicht richtig totschlagen. Aber es ist dann eben passiert. Beste hat die Fahne festhalten wollen, und dann haben sie ihn damit die Treppe heruntergesto?en. Vielleicht haben sie ihm auch ein paar zu harte Schlage auf den Rucken versetzt. Im Suff kennt man ja oft seine eigene Kraft nicht. Totschlagen wollten sie ihn sicher nicht.«

»Sie wollten ihm nur einen Denkzettel geben?«

»Ja, genau das.«

»So hat Wolkenstein es ihnen gesagt, was?«

Der Arbeiter nickt und stutzt dann.»Woher wissen Sie das?«

»Ich kann es mir denken. Es war doch so, oder nicht?«

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