Der Arbeiter schweigt.»Wenn Sie es wissen, dann wissen Sie es ja«, sagt er schlie?lich.

»Es sollte genau festgestellt werden. Totschlag ist eine Sache fur den Staatsanwalt. Und Anstiftung dazu auch.«

Der Arbeiter zuckt zuruck.»Damit habe ich nichts zu tun. Ich wei? von nichts.«

»Sie wissen eine ganze Menge. Und ebenso wissen noch mehr Leute, was passiert ist.«

Der Arbeiter trinkt sein Bier aus.»Ich habe nichts gesagt«, erklart er entschlossen.»Und ich wei? von nichts. Was meinen Sie, was mir geschehen wurde, wenn ich das Maul nicht halte? Nein, Herr, nicht ich! Ich habe eine Frau und ein Kind und mu? leben. Glauben Sie, da? ich noch Arbeit fande, wenn ich quatschte? Nein, Herr, suchen Sie sich einen andern dafur! Nicht mich!«

Er verschwindet.»So wird es mit allen sein«, sagt Georg ?nster.

Wir warten. Drau?en sehen wir Wolkenstein vorbeigehen. Er ist nicht mehr in Uniform und tragt einen braunen Koffer.»Wohin geht er?«frage ich.

»Zum Bahnhof. Er wohnt nicht mehr in Wustringen. Ist nach Werdenbruck verzogen, als Kreisvorsitzender der Kriegerverbande. Kam nur zur Einweihung hierher. Im Koffer ist seine Uniform.«

Kurt Bach erscheint mit seinem Madchen. Sie haben Blumen mitgebracht. Das Madchen ist untrostlich, als es hort, was vorgefallen ist.»Dann wird sicher der Ball abgesagt.«

»Ich glaube nicht«, sage ich.

»Doch, sicher. Wenn ein Toter uber der Erde steht. So ein Ungluck!«

Georg steht auf.»Komm«, sagt er zu mir.»Es hilft nichts. Wir mussen noch einmal zu Dobbeling.«

Das Dorf ist plotzlich still. Die Sonne steht schrag hinter dem Kriegerdenkmal. Der marmorne Lowe Kurt Bachs leuchtet. Dobbeling ist jetzt nichts mehr als Amtsperson.

»Sie wollen doch nicht im Angesicht des Todes wieder von Geld reden?«erklart er sofort.

»Doch«, sagt Georg.»Das ist unser Beruf. Wir sind immer im Angesicht des Todes.«

»Sie mussen sich gedulden. Ich habe jetzt keine Zeit. Sie wissen ja, was passiert ist.«

»Das wissen wir. Wir haben auch inzwischen den Rest erfahren. Sie konnen uns als Zeugen buchen, Herr Dobbeling. Wir bleiben hier, bis wir das Geld bekommen, stehen also der Kriminalpolizei gerne morgen fruh zur Verfugung.«

»Zeugen? Was fur Zeugen? Sie waren ja gar nicht dabei.«

»Das lassen Sie unsere Sache sein. Sie mussen doch daran interessiert sein, alles festzustellen, was mit dem Totschlag an dem Tischler zu tun hat. An dem Totschlag und der Anstiftung dazu.«

Dobbeling starrt Georg lange an. Dann sagt er langsam:

»Soll das eine Erpressung sein?«

Georg steht auf.»Wollen Sie mir einmal genau erklaren, was Sie damit meinen?«

Dobbeling erwidert nichts. Er sieht Georg weiter an. Georg halt den Blick aus. Dann geht Dobbeling zu einem Geldschrank, offnet ihn und legt einige Packen Geldscheine auf den Tisch.»Zahlen Sie nach und quittieren Sie.«

Das Geld liegt zwischen den leeren Schnapsglasern und den Kaffeetassen auf dem rotkarierten Tischtuch. Georg zahlt es nach und schreibt die Quittung. Ich blicke zum Fenster hinaus. Die gelben und grunen Felder schimmern immer noch; aber sie sind nicht mehr die Harmonie des Daseins; sie sind weniger und mehr.

Dobbeling nimmt die Quittung Georgs entgegen.»Sie sind sich wohl daruber klar, da? Sie auf unserem Friedhof keinen Grabstein mehr aufstellen werden«, sagt er.

Georg schuttelt den Kopf.»Da irren Sie sich. Wir werden sogar bald einen aufstellen. Fur den Tischler Beste. Gratis. Und das hat nichts mit Politik zu tun. Sollten Sie beschlie?en, den Namen Bestes mit auf das Kriegerdenkmal zu setzen, so sind wir ebenfalls bereit, das umsonst auszufuhren.«

»Dazu wird es wohl nicht kommen.«

»Das dachte ich mir.«

Wir gehen zum Bahnhof.»Der Kerl hatte also das Geld da«, sage ich.

»Naturlich. Ich wu?te, da? er es hatte. Er hat es schon seit acht Wochen und hat damit spekuliert. Hat glanzend daran verdient. Wollte noch einige Hunderttausende mehr damit machen. Wir hatten es auch nachste Woche nicht gekriegt.«

Am Bahnhof erwarten uns Heinrich Kroll und Kurt Bach.

»Habt ihr das Geld?«fragt Heinrich.

»Ja.«

»Dachte ich mir. Sind hochanstandige Leute hier. Zuverlassig.«

»Ja. Zuverlassig.«

»Der Ball ist abgesagt«, erklart Kurt Bach, der Sohn der Natur.

Heinrich zieht seine Krawatte zurecht.»Der Tischler hatte sich das selbst zuzuschreiben. Es war eine unerhorte Herausforderung.«

»Was? Da? er die o?zielle Landes?agge heraushangte?«

»Es war eine Herausforderung. Er wu?te, wie die andern denken. Er mu?te damit rechnen, da? er Krach kriegte. Das ist doch logisch.«

»Ja, Heinrich, es ist logisch«, sagt Georg.»Und nun tu mir den Gefallen und halte deine logische Schnauze.«

Heinrich Kroll steht beleidigt auf. Er will etwas sagen, la?t es aber, als er Georgs Gesicht sieht. Umstandlich burstet er sich mit den Handen den Staub von seinem Marengojackett ab. Dann erspaht er Wolkenstein, der auch auf den Zug wartet. Der Major a. D. sitzt auf einer abgelegenen Bank und mochte am liebsten schon in Werdenbruck sein. Er ist nicht erfreut, als Heinrich auf ihn zutritt. Aber Heinrich la?t sich neben ihm nieder.

»Was wird aus der Sache werden?«frage ich Georg.

»Nichts. Keiner der Tater wird gefunden werden.«

»Und Wolkenstein?«

»Dem passiert auch nichts. Nur der Tischler wurde bestraft werden, wenn er noch lebte. Nicht die anderen. Politischer Mord, wenn er von rechts begangen wird, ist ehrenwert und hat alle mildernden Umstande. Wir haben eine Republik; aber wir haben die Richter, die Beamten und die O?ziere der alten Zeit intakt ubernommen. Was ist da zu erwarten?«

Wir starren in das Abendrot. Der Zug pufft schwarz und verloren heran wie eine Begrabniskutsche. Sonderbar, denke ich, wir alle haben doch so viele Tote im Kriege gesehen, und wir wissen, da? uber zwei Millionen von uns nutzlos gefallen sind – warum sind wir da so erregt wegen eines einzelnen, und die zwei Millionen haben wir schon fast vergessen? Aber das ist wohl so, weil ein einzelner immer der Tod ist – und zwei Millionen immer nur eine Statistik.

IX

Ein Mausoleum!«sagt Frau Niebuhr.»Ein Mausoleum und nichts anderes!«

»Gut«, erwidere ich.»Also ein Mausoleum.«

Die kleine, verschuchterte Frau hat sich in der kurzen Zeit, seit Niebuhr tot ist, stark verandert. Sie ist scharf, redselig und zankisch geworden und eigentlich bereits eine ziemliche Pest.

Ich verhandle seit zwei Wochen mit ihr uber ein Denkmal fur den Backer und denke jeden Tag milder uber den Verstorbenen. Manche Menschen sind gut und brav, solange es ihnen schlecht geht, und sie werden unausstehlich, wenn sie es besser haben, besonders in unserm geliebten Vaterlande; die unterwur?gsten und schuchternsten Rekruten wurden da spater oft die wustesten Untero?ziere.

»Sie haben ja keine zur Ansicht«, sagt Frau Niebuhr spitz.

»Mausoleen«, erklare ich,»gibt es nicht zur Ansicht. Die werden nach Ma? angefertigt wie die Ballkleider von Koniginnen. Wir haben ein paar Zeichnungen dafur da und mussen vielleicht sogar eine Extrazeichnung fur Sie entwerfen.«

»Naturlich! Es mu? etwas ganz Besonderes sein. Sonst gehe ich zu Hollmann und Klotz.«

»Ich hoffe, Sie sind schon dort gewesen. Wir haben es gern, wenn unsere Kunden sich bei der Konkurrenz informieren. Bei einem Mausoleum kommt es ja nur auf die Qualitat an.«

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